Beatrix Phillip von der CDU in Düsseldorf-Oberbilk reagierte schneller als die SPD.

Beatrix Phillip von der CDU in Düsseldorf-Oberbilk reagierte schneller als die SPD.

Mein Wählertagebuch (4)

Die Bundestagsabgeordnete Beatrix Philipp ist die CDU-Kandidatin in meinem Wahlkreis, Düsseldorf Süd. Nachdem ich ein noch unentschlossener Wähler war und zudem durch den TV-Duell-Abend mit Merkel, Steinmeier und Anne Will reichlich verunsichert (siehe meinen ersten Tagebucheintrag), hielt ich es für angebracht, die Kandidaten selbst anzuschreiben.

Ich schickte Mails an Beatrix Philipp, Karin Kortmann (SPD-Bundestagskandidatin in meinem Wahlkreis) und Angela Merkel.

Die Mail an Frau Philipp lautete wie folgt:

Sehr geehrte Frau Bundestagsabgeordnete Philipp,

die Sache mit dem TV-Duell und den nur zwei Kandidaten irritiert mich zutiefst. Wie ich weiß, werden weder Angela Merkel noch Frank-Walter Steinmeier auf meinem Wahlzettel stehen. Wohl aber Menschen, die ich nicht kenne, deren Gesichter mir allenfalls von Plakaten entgegen lächeln.

Nun ist die Fraktionsdisziplin in den letzen Jahren so hart und starr geworden (oder war es schon immer und ich habe es nur nicht gemerkt), dass es scheint, als seien Abgeordnete nur Stimmvieh. Nun wird ja aber ihr Name auf meinem Wahlzettel stehen (Düsseldorf Oberbilk) und was ich bei den Spektakeln der letzen Tage gelernt habe, ist, dass ich dabei eigentlich jemanden wähle, dem ich keine Stimme geben kann. Frau Merkel zum Beispiel. Sind sie denn, was ihre politische Ausrichtung angeht, 100% deckungsgleich mit Frau Merkel? Denn von ihr habe ich jetzt schon einiges mitbekommen, von ihnen leider noch nicht. (Was bestimmt nicht an ihnen sondern an meinem leider etwas unbekümmerten Umgang mit der Politik liegt. Ich guck halt lieber Krimis als Politiksendungen. Wofür ich mich auch ein bisschen schäme. Und ich will es jetzt ja besser machen.)

Es fällt mir nämlich schwer, mein Kreuz bei jemandem unterzubringen, den ich nicht kenne. Andererseits kenne ich wahrscheinlich keinen der Kandidaten, die auf meinem Wahlzettel stehen werden. Und wählen gehen muss ich ja. Wer nicht wählt, wählt extremistisch, nicht wahr?

Auf ihrer Internetseite habe ich schon gesehen, dass ich noch die Chance habe, sie im Wahlkampf live zu sehen. Aber wahrscheinlich werde ich mich so in der Öffentlichkeit nicht trauen, ihnen meine Frage zu stellen, weil ich Angst habe, dass sie sich etwas dumm anhört.

Ich möchte sie daher bitten, mir zu schreiben, ob sie mit Frau Merkel deckungsgleich sind. Oder ob sie doch irgendwas anders denken. Und ob es überhaupt Auswirkungen hat, wenn sie etwas anders denken, weil es ja die Fraktionsdisziplin gibt, die sie an der Kandare hält.

PS: Hoffentlich habe ich die richtige Ansprache gewählt. Ich habe noch nie einer Bundestagsabgeordneten geschrieben.

Mit hochachtungsvollen Grüßen

Manfred Ganswindt

Die Mail sollte meine tiefe Verunsicherung spürbar machen. Sofort am nächsten Tag erhielt ich eine Rückmail ihres Büros, in der ich um meine Adresse und Telefonnummer für einen Rückfurt von Frau Philipp gebeten wurde. Da lief mein Plan etwas aus dem Ruder, denn ich wollte ja eigentlich etwas haben, das ich per Zwischenablage in mein endoplast-Wählertagebuch kopieren konnte. Doch gut, es sollte halt anders laufen. Ich schickte ihr meine Daten mit einem Tag Ich-wollte-doch-kein-Telefonat-Schrecksekunden-Verspätung. In meiner Mail wies ich auf meine Nachtarbeit hin und bat um einen Anruf zwischen 14:00 und 18:00 Uhr. Heute kurz nach Zwei kam ihr Anruf.

Frau Philipp hat sich in dem Telefonat sehr viel Zeit für mich genommen. Sie hat mir sehr ausführlich und verständlich die Wahlmodi erklärt. Wofür die einzelnen Stimmen da sind. Wie Entscheidungsprozesse ablaufen. Wie sie sich selbst einbringt.

Sie hat mir ihr Arbeitsschwerpunkte erklärt. Auch, wie sie in den entsprechenden Gremien ihr Fachwissen einbringt. Sie hat auch von ihren Lieblingstehemen jenseits ihrer direkten Beauftragung gesprochen. Wenn man so lange Politik macht, dann entwickelt man in einigen Bereichen besondere Kenntnisse und Interessen.

Frau Philipp ist in ihren Ansichten nicht in allen Punkten deckungsgleich mit Angela Merkel und hat auch schon mal (zwei mal, wenn ich das richtig verstanden habe) gegen ihre Partei abgestimmt. Das hat sie vorher auch immer offen kommuniziert.

Frau Philipp hat mit mir tatsächlich die Punkte aus meiner Mail so besprochen, dass ich mit dem Ergebnis zufrieden sein konnte. Sie hat mir versichert, dass sie solche Bürgerrückrufe auch ausserhalb des Wahlkampfes machen würde und ich glaube ihr das aufs Wort. Sehr patente Frau.

Dann hat Frau Philipp mich nach Berlin eingeladen. Im Januar – so sie wiedergewählt wird – kann sie im Namen des Bundespresseamtes 50 Personen für eine 4-tägige Informationsreise nach Berlin einladen. Das fand ich sehr nett.

Nachdem die Fragen meiner Mail abgearbeitet waren habe ich ihr noch diejenige Frage gestellt, dich ich eigentlich Frau Merkel gestellt hatte. Frau Merkel hat aber bis heute noch nicht geantwortet. Während des TV-Duells hat Merkel mindestens zwei mal davon gesprochen, dass Arbeitnehmer durch Steuersenkungen motiviert werden sollten. Dass hatte ich nicht verstanden, denn Arbeitnehmer arbeiten ja schon. Und, wie ich aus den Nachrichten wusste, sie geben ihr Geld auch gerne aus. Wozu sollten sie also motiviert werden?

Frau Philipp wusste wie aus der Pistole geschossen eine Antwort. Sie hat ihren gut verdienenden Sohn, der gut verheiratet ist, Kinder hat und von morgens 7:00 bis abends 10:00 arbeitet zum Beispiel genommen. Dagegen setzt sie den Hartz IV-Empfänger mit vier Kindern. Der bekäme für sich, für die Frau und für jedes der vier Kinder jeweils Geld und noch 100 € Schulgeld am Anfang des Schuljahres dazu. Bei ihrem Sohn würde es da schon knapp werden, während es dem Hartz IV-Empfänger, der nebenbei sowieso noch schwarz arbeiten würde, ein Haufen Geld zur Verfügung stände. Damit der Arbeitnehmer nicht auf den Gedanken käme, seine Arbeit hinzuschmeißen und nur noch auf Hartz IV zu machen, müsse er motiviert werden.

Naja, ich muss zugeben, dass ich an dieser Stelle doch ein ganz andere Meinung habe und es bei Frau Philipp eine klitzekleine Wahrnehmungsverzerrung zu geben scheint, was das Saus-und-Braus der Hartz IV-Geplagten angeht. Aber das habe ich ihr so nicht gesagt. Schließlich hatte sie mich so freundlich nach Berlin eingeladen.

Insgesamt eine gute Performance und für denjenigen, dem diese Hartz IV Sache nicht so wichtig ist wie mir sicherlich eine Wahlalternative.

Bin gespannt, ob Frau Kortmann von der SPD noch in die Gänge kommt. Was ist nur aus dieser SPD geworden?