Der Publizist, hat gut lachen: Ein Fingerzeig genügt und das Feuilleton liegt ihm zu Füßen.

Der Publizist hat gut lachen: Ein Fingerzeig genügt und das Feuilleton liegt ihm zu Füßen.

Hans Magnus Enzensberger ist vor zwei Tagen 80 geworden. Anläßlich dieses runden Geburtstags ist doch wieder mal klar geworden, welch besondere Stellung er innerhalb des deutschen Geisteslebens er inne hat.

Zunächst war ich versucht gewesen zu schreiben, welch hohen Stellenwert er innerhalb der deutschen Literatur hat. Aber das wäre zu eng gefasst. Was ist sein Erfolgsrezept angesichts so großer medialer Aufmerksamkeit?

Die Anti-Roman-Autoren
Am ehesten ist er mit Jorge Luis Borges, dem argentinischen Groß-Schriftsteller, zu vergleichen. Enzensberger hat keinen Roman im eigentlichen Sinne geschrieben, was für einen berühmten Schriftsteller ungewöhnlich ist. „Eigentlich“ bedeutet, er hat 1972 zwar den Roman „Der kurze Sommer der Anarchie. Buenaventura Durrutis Leben und Tod“, der vom Spanischen Bürgerkrieg handelt, veröffentlicht – der ist jedoch eine Collage aus Zeitdokumenten, Interviews und Erinnerungen á la Kempowskis Echolot und ist somit zumindest was seine Erzähltechnik anbelangt, kein klassischer Roman.

Der richtige Riecher eines eigenständigen Denkers
Hervorgetreten ist er vor allem mit Lyrik und mit Essays. Hier läßt sich nur sagen: Er war stets aktuell, hat die Nase in den Geist der Zeit getaucht und darauf aus einer unverstellten Perspektive reagiert. Viel beschworen ist seine Haltung, seine undogmatische Sicht der Dinge. Zwischen revolutionären Gedanken und dem Lob der Bürgerlichkeit changiert seine Weltanschauung.

Hammerstein oder der Eigensinn eines eigenständigen Autors
Borges hat die Relevanz des Romans als Ausdrucksform angezweifelt und sein Ende proklamiert. Auh Enzensberger hat andere Schwerpunkte in seinem Oeuvre gesetzt, als für einen Klasse-A-Autor üblich. Dass Enzensberger mehr kann als nur literarische Vignetten, davon zeugt z.B. die im vergangenen Jahr verlegte Biografie „Hammerstein oder der Eigensinn„. Dieses Buch ist ganz typisch für den Autor: Er gewinnt dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus damit eine eigene Facette ab – und hat damit mal wieder die Diskussionen in den Feuilletons bestimmt. Anstatt eine Widerstandsgruppe zu portraitieren oder ein Einzelschicksal zu zeigen, führt er uns eine Familie vor, deren Ausgangspunkt durchaus systemkonform ist, deren Eigensinn über Generationen hinweg aber zum inneren und dann zum gelebten Widerstand führt. Diese Biografie nutzt erzählerische Mittel, wie sie nur ein Literat einsetzen kann und gewinnt damit dem hinlänglich rezipierten Thema überraschenderweise eine neue Seite ab. Diesen Perspektivwechsel kann nur ein immer noch heller Geist vollziehen – so wird ihm ja auch allenthalben Jugendlichkeit im hohen Alter attestiert.

Borges und Enzensberger: Brüder im Geiste
Mit Borges also hat Enzensberger gemein, dass beide ihre schriftstellerische Entfaltung nicht im Roman fanden. Das führte im Leben beider zu einer Vielzahl unterschiedlichster Veröffentlichungen, die in ihren kurzen Intervallen adäquat auf die jeweilige Zeit, ihre Strömungen, den Geist, der herrschte, und die Welt, in der wir leben, eingehen konnten.