Michael Jackson und Papst Benedikt XVI. diskutieren ihre Gemeinsamkeiten aus.

Michael Jackson und Papst Benedikt XVI. diskutieren ihre Gemeinsamkeiten aus.

Was ist alles möglich in der traumschwangeren Medienwelt? Kann man Tote auferstehen lassen? Darf man sie missbrauchen? Und wann verjährt ein Mega-Tod wie der von Michael Jackson? Kann man Rechtsbrüche wegdiskutieren? Und welche Rolle spielt dabei das Geld? Natürlich die entscheidende: Dass Michael Jackson ein Dreiviertel Jahr nach seinem Tod immer noch gut für einen Rekordvertrag ist, ist bedrückend.

200 Millionen Dollar zahlt Sony für 10 Alben in den nächsten sieben Jahre. Der locker mal höchste Plattendeal aller Zeiten, umgerechet 145 Millionen Euro. Vertrag mit einem Toten. Oder sollte man sagen: Untoten? Und das in Zeiten sinkender Tonträger-Verkäufe. Es geht um die Ausweitung der Verwertungskette: Neue Versionen alter Stücke und ein paar aus den üppig gefüllten Archiven, die man noch nicht kennt, als Musik für Werbung, Videospiele und Klingeltöne.

Melk fett: Goldesel Jackson

Kann das ein Geschäft sein? Na klar. Seit Jacksons Tod sind über 30 Millionen Platten über die Ladentheken gegangen. Innerhalb eines Jahres nach Tod des Maestros hofft man auf 250 Millionen Dollar Umsatz mit Musik, Merchandising und dem Film „This is it“. Da wird man in den nächsten sieben Jahren die Medien-Maschinerie mit immer neuen Enthüllungen und Rekorden am Laufen halten und parallel dazu ein verwässertes Jackson-Süppchen auftischen. Wie das geht, machen seit Jahrzehnten die Verwerter wie die von Jimi Hendrix und The Doors vor. Sie halten gebetsmühlenartig den Mythos hoch, nähren ihn. Als erstes kommt in 2010 erstmal ein Jackson-Album mit Unveröffentlichtem. Soviel zur Leichenbeschau aus der Sicht des großen Geldes, das einen toten Künstler auswringt und fleddert.

Die Kirchen-Fledd-Rate

Eine andere Art zu fleddern, diesmal aber von Lebendigen, macht die katholische Kirche vor. Es flatterte gen Irland ein aktueller Hirtenbrief. Der nimmt nicht Bezug auf die in Deutschland hochkochenden Offenbarungen flächendeckenden Mißbrauchs von Schutzbefohlenen. Die katholische Kirche müht sich vielmehr, den lockeren Zeitgeist dafür verantwortlich zu machen und im Sumpf der Enthüllungen die Normalität des Vorgangs herauszustellen, seien doch Priester auch nur ein (kleiner) Teil einer ungleich größeren Mißbrauchsgesellschaft.

Das Übel wird verniedlicht

Das trifft aber nicht den Kern der Sache: Josef Ratzinger selbst hatte, bevor er Papst geworden war, am 18. Mai 2001 ein Schreiben an alle Bischöfe verschickt, in dem er untersagt, Mißbrauchsfälle an die Öffentlichkeit zu bringen. Das war wohl jahrzehntelang Usus, wie man jetzt allerorts lesen kann. Die katholische Glaubengemeinschaft hat das Lotterleben der Geistlichen, das so destruktiv das Leben von Kindern beschädigt hat, oft nur mit einer Versetzung geahndet. Kirchenintern. Wo bleibt die strafrechtliche Ahndung? Immer mehr Fälle werden detailliert dokumentiert, so zum Beispiel der der Benediktinerabtei Königsmünster in Meschede, wo ein Junge von Anfang bis Ende der Neunziger Jahre mißbraucht wurde und dies bereits seit 2000 dem Kloster bekannt gewesen war. Erst jetzt, nach der Medienoffensive, setzt sich das Kloster offenbar zum Teil widerwillig mit seiner dunklen Vergangenheit auseinander.

Return on Investment: Schnell mal umgeschwenkt

Nun stellt sich die Frage, warum der Papst umgeschwengt ist? Die Medien-Gesellschaft ist mitunter gut dafür, einen kleinen Flächenbrand der Informationen auszulösen. All das, wofür die Kirche stehen will, ist zur Zeit zur Disposition gestellt. Deshalb gibt es einen ersten Hirtenbrief, der plötzlich doch öffentlich verurteilt, was im übrigen strafrechtliche Relevanz hätte – wenn es nicht systematisch gedeckt und verschwiegen worden und somit verjährt wäre. Abgesehen davon betrifft die Angelegenheit nicht nur die katholische Geistlichkeit, die evangelische Kirche hat auch damit zu tun.

11.000 katholische Mißbrauchte in den USA

Bei uns hat das wohl keine großen Konsequenzen für die bisherigen und höchstens eine Präventivwirkung im Hinblick auf zukünftige Oper. In Amerika sieht das mal ganz anders aus. Wie man weiß, wird dort Verbraucherschutz zumindest monetär anders gesehen, vielleicht auch „Missbraucherschmutz“: Dort hat die katholische Kirche bisher über zwei Milliarden Dollar Schadenersatz zahlen müssen. Gemäß einer Studie, die von der amerikanischen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben wurde, seien zwischen 1950 und 2002 über 11.000 Kinder von fast 4.400 Kirchenbediensteten missbraucht worden. Über 40% der Beschuldigen waren Mehrfachtäter. In der Folge der Aufdeckung der Taten kam es zu Sammelklagen, die mehrere Diözesen in den Konkurs getrieben haben.

Gerechtigkeit auf Erden?

Man kann sich dabei des Eindrucks einer ausgleichenden Gerechtigkeit, die nicht auf dem kirchlichen sondern auf dem juristischen Werge erreicht wurde, letztlich wieder durch die Macht des Geldes, nicht erwehren. So wie Michael Jackson atlasgleich, weit über seinen Tod hinaus und sicher auf Ewigkeiten zum gemolkenen Goldesel geworden ist, so wurde und wird die Kirche im großen Stil zur Kasse gebeten. Amen.