"Spawn" (links), die Figur die Todd McFarlane (rechts) geschaffen hat, hat seinem Schöpfer viel Geld gebracht.

"Spawn" (links), die Figur die Todd McFarlane (rechts) geschaffen hat, hat seinem Schöpfer viel Geld gebracht.

Todd McFarlane ist der Franz Beckenbauer der amerikanischen Superhelden-Comics: Extrem erfolgreich und sehr verehrt. Auf Jahre hinaus eine manchmal irrlichternde Licht-Gestalt, die vielen zum Vorbild taugt. Was macht Franz Beckenbauer eigentlich? Er hat mal Fußball gespielt, war einer der besten – aber das ist lange her. Heute ist er ein Manager und Unternehmer in eigener Sache, eben ein Geschäftsmann.

Genauso verhält sich das mit Todd McFarlane: Er galt mal als einer der besten Comiczeichner der Superhelden-Comics. Dann hat er sich darum gekümmert, Geld zu machen. Er hat zum richtigen Zeitpunkt den Absprung von Marvel gefunden und mit anderen Comic-Schaffenden den „Image Comics“-Verlag gegründet. Und danach ein Unternehmen gegründet, das Figuren von Comichelden und anderen Figuren der Popkultur herstellt. Er hat eigentlich immer den richtigen Riecher gehabt, es gibt auch kein großes Geheimnis hinter seinem Schaffen. Während ein Frank Miller – auf anderen Wegen ebenfalls sehr erfolgreich – ein echtes Schwergewicht nicht nur als Zeichner sondern auch als Autor war und sein kreatives Geheimnis hatte, waren McFarlanes Ideen ganz einfach und immer durchschaubar, bei ihm hat das richtige Timing den Erfolg gebracht. Als er den ganz großen Erfolg hatte, verkörperte er ab da als einer der ganz wenigen Comic-Schaffenden den amerikanischen Traum und wurde selbst zur angebeteten Kultfigur.

Haunt, der neue Comic-Held aus der McFarlane-Factory erinnert an "Spiderman" und an "Spawn". Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.

So sieht die Tuscharbeit an "Haunt", dem neuen Comic-Held aus der McFarlane-Factory, aus. Er erinnert an "Spiderman" und an "Spawn". (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Und so sieht die Farbausführung der Haunt-Coverzeichnung aus. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Und so sieht die Farbausführung der Haunt-Coverzeichnung aus. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Die Leadzeichner der 70er und 80er: Jack Kirby und Neal Adams
Jedes Jahrzehnt innerhalb der Superhelden-Comics hatte bisher so etwas wie einen Lead-Zeichner, einer der mustergültig einen Stil schuf, dem andere nacheiferten. In den 60ern war das Jack Kirby, in den 70ern Neal Adams. Kirby kam eher von der Karikatur, er dehnte und veränderte die menschliche Anatomie mit groben Strichen ins Unwirkliche, stellte die gedehnten Körper in den Dienst einer überbordenden Dynamik. Adams stand für einen Hyper-Realismus, beide hatten aber etwas  gemeinsam: Sie dramatisierten das Dargestellte so, übertrieben so sehr, das jedes Bild Spannung brachte. Der eine, Kirby, erreichte das durch Vereinfachung, der andere, Adams, durch Detailreichtum und eine damals neuartige Filigran-Strich-Technik. Eine weitere Gemeinsamkeit war ihre schier unvorstellbare Produktivität.

Prägend für die 80er: Frank Miller und Bill Sienkiewicz
Die 80er brachten eine ungleich größere Anzahl an einflußreichen Zeichnern hervor, deshalb war eine Dominanz eines einzelnen Zeichners wie in vergangenen Zeiten nicht mehr gegeben. Zu nennen wäre hier zum einen Frank Miller mit seiner „Daredevil“-Reihe und vor allem mit „Ronin“ und „Dark Knight“. Miller war ebenfalls sehr produktiv – allerdings nicht im Sinne der alten Fließbandproduktion – zunehmend aber nicht nur als Zeichner sondern vor allem als Autor. Außerdem schaffte er den eigentlichen Durchbruch als Zeichner erst in den 90er Jahren, in denen er mit „Sin City“ einen ganz eigenen Zeichen-Stil kreierte. Miller hatte zwar von Neal Adams gelernt, sein direkter Einfluß war aber nur kurzzeitig zu erkennen, Millers  Strich war gröber, die Dynamik und das Drama hatte er sich jedoch von Adams abgeguckt. Seine ersten Arbeiten erinnerten aber eher an die visuelle Übertreibung von Jack Kirby. Ein anderer Zeichner, der ebenfalls mit Miller als Autor einen großen Erfolg mit der Miniserie „Elektra“ feiern konnte, war der Zeichner Bill Sienkiewicz, dessen erste Arbeiten für die Serie „Moon Knight“ noch sehr klar in der Tradition von Neal Adams standen. Danach  kamen die „New X-Men“ und mit „Elektra“ entwickelte er seinen eigenen Stil, den er später immer weiter zur Meisterschaft führte. Während Miller als Zeichner für eine Art populärer, schnörkelloser Comicstilistik stand, verkörperte Sienkiewicz einen intellektuell-künstlerischen Ansatz.

Der neue "Held" "Haunt" erinnert ein bißchen an "Spiderman". (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Der neue "Held" "Haunt" erinnert ein bißchen an "Spiderman". (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Die Farben und die Umgebung wirken düster und bedrohlich und verstärken den Eindruck, der schon "Spawn" als Antihelden erfolgreich gemacht hat. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Die Farben und die Umgebung wirken düster und bedrohlich und verstärken den Eindruck, der schon "Spawn" als Antihelden erfolgreich gemacht hat. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Todd McFarlane vereinigt das beste beider Welten
Die Welt der Superhelden-Comics sollte sich fortan diversifizieren: Es gibt einfache Darstellungsweisen, die jedem künstlerischen Anspruch abhold sind – und es gibt solche wie die von Ted McKeaver, Dave McKean, Sam Kieth oder von Bill Sienkiewicz und anderen, die die Ästhetik der amerikanischen Superhelden-Comics den Erwachsenen schmackhaft machen. Hier betritt – genau getimt – Todd McFarlane die Bühne. Todd McFarlane hat früh einen sehr eigenwilligen und manieristischen Zeichenstil entwickelt. Körpersprache und anatomische Übertreibung seiner Figuren stehen in der Tradition von Altmeister Jack Kirby. Die Ausführung seiner Zeichnungen ist aber wesentlich detaillierter und kultiviert einen alles andere als glatten Strich, wieder beeinflußt von Neal Adams. Hinzu kommt das eigenständige Seitenlayout seiner Comic-Geschichten. Ähnlich wie Frank Miller arbeitete er mit extrem schmalen Bildformaten und übertrug damit den kurzintervalligen Schnitt des Action-Kinos auf seine visuelle Erzählweise.

Splatterelemente prägen "Haunt", die Serie geht damit noch etwas weiter als "Spawn". Die Farben und die Umgebung wirken düster und bedrohlich und verstärken den Eindruck, der schon "Spawn" als Antihelden erfolgreich gemacht hat. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Splatterelemente prägen "Haunt", die Serie geht damit noch etwas weiter als "Spawn". Die Farben und die Umgebung wirken düster und bedrohlich und verstärken den Eindruck, der schon "Spawn" als Antihelden erfolgreich gemacht hat. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Die Farbe macht das Ganze noch etwas anschaulicher... Die Farben und die Umgebung wirken düster und bedrohlich und verstärken den Eindruck, der schon "Spawn" als Antihelden erfolgreich gemacht hat. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Die Farbe macht das Ganze noch etwas anschaulicher... Die Farben und die Umgebung wirken düster und bedrohlich und verstärken den Eindruck, der schon "Spawn" als Antihelden erfolgreich gemacht hat. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

„Image Comics“ wird gegründet
McFarlane hatte Ende der 80er Jahre seinen Stil ausgeformt und führte ihn mit den Heften einer eigenen „Spiderman“-Serie zu einem Höhepunkt. Die erste Ausgabe brach alle Verkaufsrekorde und war in der Comic-Szene vielbeachtet. Alle ahnten: Ein Talent hat seine Meisterschaft erreicht. McFarlane hatte in dieser Phase wieder das richtige Timing. Auf dem Höhepunkt seiner Bekanntheit zog er sich 1991 zurück, um 1992 mit einigen Kreativ-Kollegen den Verlag „Image Comics“ zu gründen – was ein Politikum war. Die Gründung erfolgte in einem Klima, in dem Autoren und Zeichner seit einigen Jahren darum gekämpft hatten, dass sie als Kreative ernst genommen werden, was sie auch finanziell in Form von Tantiemen gewürdigt wissen wollten. In Amerika gab es ein de-facto-Duopol im Bereich der Superhelden-Comics von „DC“ (früher „Detective Comics“) und „Marvel“ (früher „Atlas-Comics“). Noch in der Zeit rund um den zweiten Weltkrieg gab es zwei Dutzend Verlage, danach fand eine Konzentration statt. „Image Comics“ wollte also mit einigen der besten Kreativen das Duopol etwas aufbrechen und zugleich das Urheberrecht am Werk behalten, wobei das Verlagsgeschäft viel Kreativität schluckte und Zeichner wie Jim Lee überforderte. Er fing eine Serie an, die er nicht beenden konnte, weil er nun sein eigener Chef war. Inzwischen zeichnet Lee wieder für DC.

Ryan

Auch Zeichner Ryan Ottley ist ein Könner. (Copyright by Todd-McFarlane Productions Inc. und Panini-Verlag.)

Verkaufserfolg: „Spawn“ als Comic und als Sammelfigur bricht alle Rekorde
Todd McFarlane war der einzige, der geschäftlich alles richtig machte: Er zog sich bei seiner Serie „Spawn“ nach einer Anfangsphase mehr oder weniger zurück, ließ andere Talente den Verkaufsschlager weiterführen und kümmerte sich anstatt dessen um die „Spawn“-Markenausformung und das Merchandising. Seine Idee war es, von den „Spawn“-Charakteren Miniatur-Figuren aus Kunststoff anzufertigen. Er gründete ein Unternehmen, das inzwischen „McFarlane Toys“ heißt, und viele Figuren aus der Comic-, der Sport- und der Musik-Welt herstellt und vertreibt. Die Auflagen von „Spawn“ haben im Laufe der Jahre aber erheblich nachgelassen. Der Held dieser Serie ist ein dunkler Charakter, der sozusagen zwischen der Hölle und der realen Welt zwischen allen Stühlen sitzt. Die Darstellungsweise von Gewalt und Torturen waren explizit. Die Serie hat sich langsam totgelaufen, grafisch war sie schon lange nicht mehr interessant – eigentlich seit dem Weggang von Greg Capullo, der „Spawn“ zwischenzeitlich zu einem zeichnerischen Meisterwerk gemacht hatte.

Die neue Heftreihe von McFarlane: „Haunt“
Und hat McFarlane immer noch das richtige Gespür für Timing? In der Tat: Die Zeit war reif und etwas „Neues“ längst überfällig. Seit ein paar Jahren hatte McFarlane die Serie vorbereitet, die im letzten Jahr in den USA erschienen ist. Sie heißt „Haunt“, zeigt einen ebenfalls düsteren Helden, der „Black Spiderman“ zum Verwechseln ähnlich sieht, der aber auch etwa von „Spawn“ hat. Die Splatter-Effekte werden betont, das heißt „Spawn“, der schon gewalttätig daherkam, soll nochmal getoppt werden. Interessant ist die kreative Bearbeitung des Projektes. Es war die Rede davon, das McFarlane als Zeichner zurück ist, stimmt aber nicht so ganz.

McFarlane wieder zurück an der zeichnerischen Kreativ-Front?
Todd McFarlane hat ein Team gebildet, das aus Robert Kirkman als Autor besteht, aus zwei Zeichnern – Greg Capullo und Ryan Ottley als Vorzeichner per Bleistift – und Tod McFarlane als Coverzeichner und Tuscher. Für die ersten 7 Ausgaben hat McFarlane die Cover gezeichnet und die Vorzeichnugen getuscht. Danach wurden die Cover und die Vorzeichnungen von Greg Capullo geschaffen. Der Tuscher im Comic-Produktionsprozess ist derjenige, der auf die Stilistik der fertigen Zeichnungen den größten Einfluß nimmt. Mehr Arbeit hat aber der Vorzeichner. Er komponiert die Zeichnung, legt die Blickwinkel fest, entwickelt die Charaktere. Der Vorzeichner ist der Kreative, der Tuscher der Ausführende, der aber die Hoheit über die „Look“ hat.

Die Kunst des kreativen Haushaltens: Geringer Aufwandt, großer Effekt
McFarlane ist also zurück: Als Coverzeichner und als Tuscher – nicht als wahre kreative Kraft. Er ist immer noch der alte: Er kümmert sich um das Geschäft, treibt die Serie an, investiert die meiste Zeit aber in die Etablierung der Serie, eine unternehmerische Tätigkeit. Die gute Nachricht also, dass der Zeichner McFarlane wieder da ist, hat wohl eher Vermarktungspotenzial. Zeichner, das weiß McFarlane, sind einfach zu schlecht bezahlt. Also macht er das, was sich schnell erledigen läßt. Als Tuscher kann er den Vorzeichnungen den typischen McFarlane-Look innerhalb eines vertretbaren Zeitkontingentes geben, obwohl das Ergebnis ganz anders wäre, wenn er auch die Entwürfe und Vorzeichnungen anfertigen würde. Der Meister ist also als eine Art grafischer Hilfsarbeiter zurück, damit er sagen kann, er sei zurück. Dennoch schön, McFarlane überhaupt in irgendeiner zeichnerischen Form erleben zu können. Am 21. September erscheint „Haunt“ in Deutschland. Der 132-seitige Band enthält die ersten fünf Hefte. In denen sind auch verschiedene Cover abgedruckt. Zwischen diesen Covern, die meist sehr gut gezeichnet sind, und den eher grafisch langweiligen Comicgeschichten klafft eine große Lücke.