Cover einer Grafic Novel des Kroaten Danijel Zezelj, der in Deutschland noch relativ unbekannt ist.

Cover einer Grafic Novel des Kroaten Danijel Zezelj, der in Deutschland noch relativ unbekannt ist (Copyright: Danijel Zezelj).
Comics möchten mehr sein als sie sind. Comics als preisgekrönte „Grafic Novels“, Comics als Drehbücher für Filme, oder Comics als regelrechte Kunstwerke. Wer auf sich hält, sagt nicht mehr „Ich zeichne Comics“ sondern „Ich zeichne Grafic Novels“ – das klingt nach Literatur und Illustrations-Kunst.

Der Ahnherr aller Bildgeschichten, der Teppich von Bayeux, ist ein hohes Kulturgut, der berühmte deutsche Bildende Künstler und Kubist Lionel Feininger hat in Amerika Comics gezeichnet und Wilhelm Buschs Bildgeschichten bleiben nach wie vor ein deutscher Standard – ebenso wie die berühmten Donald Duck-Comics, die Carl Barks für Disney gezeichnet hat. Werfen wir einen Blick auf die aktuellen Superhelden-Comics und überprüfen wir mal, ob schnöde Unterhaltungs-Bildchen vielleicht auch etwas mehr sein können, als man allgemein hin annimmt.

Comics mit neuen Ansprüchen
Man weiß, Literatur kann unterschiedlich lang sein: Vom Gedicht zur Kurzgeschichte, über die Novelle, die Erzählung bis hin zum Roman ist es ein weiter Weg. Auch ein Film ist nicht gleich einem Film: Als Kurzfilm (10 Minuten), Fernseh-Serien-Folge (45 Minuten) oder als Kinofilm (90 Minuten) sind Filme ganz unterschiedliche Formate mit unterschiedlichen dramaturgischen Erfordernissen. Ein Comic kann „der“ Comic oder „das“ Comic sein. Dieser kleine sprachliche Unterschied deutet ebenfalls schon auf unterschiedliche Umfänge hin. „Der“ Comic in der Tageszeitung ist ein Streifen, der in der Regel aus nur drei bis vier Bildern besteht, der so genannte „Strip“ oder „Comic-Strip“, während „das“ Comic ein Comic-Heft meint. Was ein Comic auszeichnet, ist heutzutage so wenig klar wie nie. Heute gibt es zum Beispiel „Grafic Novels“, anspruchsvolle und umfangreiche Comic-Bücher, für eher erwachsene Leser. So sind viele Comic-Publikationen inzwischen regelrechte Bücher, die man sich ins Regal stellen kann, gleich neben die Bände der Welt-Literatur. Die Darreichung in Buchform wirkt fast wie eine Rechtfertigung, dass Comics etwas wert sind.

Zwischen Anspruch und Deadline: Comics als Kunstform
Es schließt sich die Frage an, ob Comics tatsächlich „Kunst“ sind. Denn das unterstellte Streben der Comics nach Höherem bezieht sich nicht nur auf Umfang und Ausstattung der Bände sondern auch auf die Tendenz der Comic-Zeichner sich in der Galerie-Szene und damit in der Kunst-Szene zu etablieren. Das begann mit Postern, ging über die sogenannten Portfolios – einer Sammlung von großformatigen Kunstdrucken – und den Verkauf von Original-Zeichnungen, bei denen die Originalseite eines bekannten Zeichners schon mal für mehrere Tausend Dollar über denTisch geht. Ein Comic-Bild des Belgiers Hergé, der den Comic-Klassiker „Tim und Struppi“ geschaffen hatte, ging im März 2008 für 764.200 Euro an einen anonymen Käufer. Die Gouache stammt aus dem Jahre 1932 und bildet das Titelbild von „Die Abenteuer von Tim und Struppi in Amerika“ ab. Der Serbe Enki Bilal, ein bekannter und ernsthafter Comic-Zeichner, der stilistisch in der Tradition von Moebius steht und auch schon Filme gedreht hat, hatte bis dahin den Rekord gehalten. Ein Bild ging für 177.000 ein anderes 145.000 Euro weg – echte Kunst-Preise eben. Die Werke Bilals gelten zur Zeit als gutes Investment und er als teuerster „künstlerischer“ Comic-Zeichner. Ist er überhaupt noch einer? Das Auftauchen der Frage allein deutet schon an, dass die Grenzen zwischen „E“ (ernsthafter Kunst) und „U“ (Unterhaltungs-Kunst) durchlässiger geworden sind.

Alle Neune: Comics, die neunte Kunst
Comics werden nicht von ungefähr die „neunte Kunst“ genannt. Dabei ist „Bildende Kunst“ ein Sammelbegriff für die visuell gestaltenden Künste, dazu gehörten früher 1. Architektur, 2. Bildhauerei, 3. Malerei, 4. Grafik (Holzschnitt, Lithografen, Kupfer-/Stahlstich, Radierung), 5. Zeichnen, 6. Gebrauchskunst (Goldschmiede-, Gravur- und Stukateur-Arbeiten sowie Keramik), 7. Fotografie und 8. Film. Tatsächlich haben sich die kulturell notorisch unterbewerteten Comics gewandelt. Die Trennlinie zwischen Kunst und Kommerz ist nicht mehr so klar zu ziehen wie früher, und das hat es schwieriger gemacht, Kunst, Gebrauchskunst und Design voneinander zu trennen. Ästhetische Unterscheidungs-Kriterien greifen schon lange nicht mehr, wenn ein Barron Storey, ein Dave McKean, ein Bill Sienkiewicz oder ein Moebius diesmal im positiven Sinne zwischen allen Stühlen sitzen.

Kann das genug sein: Kunst um ihrer selbst willen?
Hilfreich zur Klärung, ob Comics Kunst sein können, ist da eher eine Redewendung wie „L’art pour l’art“ (Kunst um der Kunst willen), die Théophile Gautier und Victor Cousin zugeschrieben wird. Gemeint ist der Anspruch, der einem Künstler anhaftet: Dass er seine Kunst unkommerziell ausüben soll. Nur dann, befreit vom äußeren Zweck und voll konzentriert auf die Entfaltung seiner inneren Fähigkeiten, wäre demnach ein Künstler in der Lage sich auszudrücken und potenziell in der Lage, Neues zu schaffen. Soweit die eine Seite der Theorie. Etablierte Künstler wie Gerhard Richter, Josef Beuys oder Damien Hirst müssen andererseits wie ein guter Markenartikel einen hohen Marktwert erreichen. Kann ein großer Künstler wirklich gut sein, wenn er keinen Marktwert hat? In unserer kapitalistisch strukturierten Gesellschaft wäre das schwer vorstellbar. Daher ist es klar, dass der Künstler nicht nur für seine Kunst lebt, wenn er es zu etwas bringen will, er muss sich vermarkten, muss beispielsweise wie Andy Warhol in der Szene angesagt sein. Und so kehrt sich die Aussage „Kunst um der Kunst willen“ in ihr Gegenteil um. Kunst muss einen Anspruch haben und Inhalte verkörpern, die im gesellschaftlichen Zusammenhang relevant sind. Wenn die Einlösung des Anspruchs möglichst zweckfrei erfolgt, entstehen zusammen mit einem gestalterischen oder sozial-antagonistischen Potenzial gesellschaftliche Relevanz und kommunikative Kräfte, die symbolhaft über das Werk hinausweisen: Es entsteht Kunst, die jenseits gesellschaftlicher Einflußnahme auch nur der Selbstverwirklichung des Einzelnen dienen kann. Eigentlich aber vollzieht sich die Erstellung eines Comics im Spannungsfeld zwischen Zeichnung, die nach traditioneller Auslegung Kunst sein könnte, und Grafik-Design, das angewandtes Kunst-Handwerk wäre. Heute ist jedoch nicht mehr so einfach zu sagen, wann Grafik-, Kommunikations- oder Medien-Designer – und damit auch Comic-Schaffende –  für sich den Künstler-Status zu Recht reklamieren.

Die Schwierigkeiten des Unterhaltungsmediums
Das Medium Comic ist seinen Ursprüngen nach ein triviales Unterhaltungsmedium, das mit Klischees zuhauf arbeitet und daher weniger der Selbstverwirklichung des Schöpfers und mehr der Bedürfnisdeckung des Publikums dient. Gerade die amerikanischen Superhelden-Comics vermitteln fragwürdige Inhalte, ihre Produktions-Methoden haben traditionell nichts mit Kunst und sehr viel mit Fließbandarbeit zu tun. Mehr noch, das Wort vom gescheiterten Künstler, der sich als Comic-Zeichner verdingen muss, zeichnet ein Bild, das manchmal so verkehrt nicht ist. Schön, dass moderne Comic-Zeichner, die sich multimodal zwischen Comics, Illustrationen und manchmal „richtiger“ Kunst bewegen, der Überlegung, was Kunst sein und unter welchen Bedingungen sie entstehen kann, eine pragmatische Nuance hinzufügen: Kunst heißt „machen“ und ausleben, was in einem steckt. Wer viel in sich trägt, wächst über das simple Comic-Zeichnen als Broterwerb hinaus und schafft Einmaliges. In diesem Sinne möchte ich einen Blick auf die aktuelle Comic-Produktion werfen. Was ist an gut gezeichneten Superhelden-Comics (und einigen anderen) im Moment im Laden und was kommt bis zum Oktober? Ein kleiner Streifzug.

Ein Cover der Serie "GI-Joe Cobra" von Altmeister Howard Chaykin.

Ein Cover der Serie „GI-Joe Cobra“ von Altmeister Howard Chaykin. Man beachte den Kontrast zwischen den Details und der großzügigen Raumaufteilung, die typisch ist für Chaykin und ihn nicht nur als guten Zeichner sondern auch als guten Gestalter ausweist (Copyright: idw-Publishing).

Howard Chaykin als Vorbild für Mark „Jock“ Simpson von „Losers“
Howard Chaykin war mal einen „junger Wilder“ in den Comics. Er schuf mit der Bebilderung von Alfred Bester‘s Science Fiction-Roman „The Stars my Destination“ ein Werk, das Maßstäbe speziell in der Farbgebung setzte. Chaykin, Jahrgang 1950, kam ganz herkömmlich aus den Superhelden-Comics und zeichnete schließlich für das Erwachsenen-Comic-Magazin „Heavy Metal“. Er schuf mit „Time2“ eine viel beachtete zweibändige Grafic Novel. Chaykin war erst als Zeichner, später als Autor tätig und äußerst produktiv. Zeichnerisch war er durch seine visuelle Erzähltechnik in den 1970er-Jahren einer der Innovatoren des Mediums. Sein Talent hat Spuren hinterlassen, auch noch ganz aktuell. So steht der Brite „Jock“, wie sich der Zeichner Mark Simpson nennt, in der Tradition Chaykins, nicht nur was die Strichführung sondern auch was die Erzähltechnik betrifft. Wobei Jock, der vorher wie fast jeder englische Zeichner an „2000 A.D.“ und „Judge Dredd“ gearbeitet hatte, eine betont einfache und klare Linienführung nutzt. Der späte Chaykin hingegen, der nach seinem Film-Engagement bei „Mutant X“ wieder zu den Comics zurückgekehrt war, favorisierte mit sehr vielen Strichen einen eher rauen Stil – ähnlich wie sein Lehrmeister Neal Adams, als dessen Assistent Chaykin wie so viele andere angefangen hatte. Chaykins visuelle Sprache ist sehr vom Film geprägt. Seine aufwendigen Arbeiten der 1970er Jahre á la „Stars my Destination“ und mehr noch in seinem Hauptwerk „Empire“ – als Kooperation mit dem innovativen Science-Fiction-Autor Samuel R. Delany entstanden   der solch visionäre Werke wie „Dhalgren“, „Einstein, Orpheus und andere“ oder „Babel 17“ geschrieben hatte –, haben mit klischee-triefenden Comics kaum mehr etwas zu tun. Chaykin war einer der Erneuerer der Comic-Hefte, der mit diesen Arbeiten einen künstlerischen Weg beschritt, den er aber wieder verließ. „The Losers“ läßt die Stilistik des Klassikers Chaykin wieder ein bißchen lebendig werden und kommt übrigens als Action Hollywood-Film in die Kinos. Ganz bestimmt besser als der Film ist der flotte Comic. Band 2 des Comics erscheint am 6. Oktober.

Andy Clarke's Batman-Version fängt technisch perfekt umgesetzt die Figuren wie eine Momentaufnahme ein.

Andy Clarke’s Batman-Version fängt technisch perfekt umgesetzt die Figuren in einer Momentaufnahme ein (Copyright: DC-Comics, Panini-Verlag).

Frischer Wind aus Great Britain: Andy Clarke’s Batman
Das grafische Highlight in den Läden im Moment ist „Batman“, Sonderband Nr. 26, vom Briten Andy Clarke. Leider hat das Heft kein adäquates Cover, das aber auch nicht von Clarke gezeichnet wurde. Sein Batman ist typisch englisch etwas statisch angelegt – dennoch funktioniert das Ganze grafisch hervorragend. Clarke arbeitet mit einem feinen Strich, perfektionistisch bis zum letzten Punkt – eine in ihrer Akkuratesse sehr ungewöhnliche Ausführung  für ein Superhelden-Comic. Er nutzt Schwarzflächen, aus denen perfekte Kurzstrich-Ensembles erwachsen. Die Bilder wirken wie eingefroren. Kein Zeichner in diesem Jahr hat mehr Liebe zum Detail walten lassen. Ein bißchen erinnert das an einen sehr clean getuschten Frank Quitley – aber nur entfernt.

Düster-Mann: Tom Coker’s Daredevil
In der Reihe „Marvel Noir“ zeichnet Tom Coker „Daredevil“ abgehoben und verstärkt das Dunkle und Abgründige überzeugend und atmosphärisch dicht. Für meinen Geschmack aber zu gewollt. Das kommt vom „Kunst“-Anspruch, der hier nicht passt, auch wenn die Zeichnungen gekonnt und eigenwillig sind. Zeichen-Kunst im Superhelden-Milieu ohne Dynamik ist schwer umzusetzen. Dieser Comic hat visuell ein Glaubwürdigkeitsproblem, auch weil er zu statisch und dadurch langweilig ist.

Abgründig: Todd McFarlane und Greg Capullo mit „Haunt“
Todd McFarlane ist eine lebende Legende. Er hat zusammen mit einigen anderen den Superhelden-Comics, die zwischendurch eingeschlafen waren, eine eigenständige Form zurückgegeben. Mit „Spawn“ schuf er eine eigene Reihe, die zwischen den Ausgaben 26-100 von Greg Capullo gezeichnet wurde. Capullo wurde immer besser – sogar besser als McFarlane selbst. Spätestens mit seiner eigenen Mini-Serie (2 x 3 Ausgaben) um das Monster „The Creech“ hatte Capullo gezeigt, wie gut er geworden war. Wie wir berichteten, zeichnet er inzwischen an der neuen Serie „Haunt“, die von McFarlane getuscht wird. McFarlane’s Tuscharbeit ist normalerweise wild und unberechenbar, alles andere als der glatte Mainstream. Er hatte sich beim Entwurf seiner früheren Figuren – beispielsweise in der „Spiderman“-Serie – stets zahlreicher simpler Klischees bedient und deutlich seine limitierten Fähigkeiten in der zeichnerischen Umsetzung gezeigt, was er durch ein Strich-Wirrwarr zu überdecken suchte. Dennoch ist seine Art zu tuschen immer auch ein Bollwerk gegen eine zu wenig lebendige Strichführung gewesen. Die zeigt sich aktuell auch wieder in der ersten Hälfte des aktuellen Spawn-Heftes. Am 21. September erscheint „Haunt“, von Greg Capullo und Ryan Ottley durchweg gut vorgezeichnet. Zeichnerisch ist es aber nicht mehr der große Wurf. Enthalten sind die ersten 5 Hefte in einem Band.

Wegweisend: Guiseppe Camuncoli’s Wolverine
Auch aktuell zu kaufen ist Wolverine Nr. 9. Die erste Geschichte darin ist von Guiseppe Camuncoli gezeichnet, der eine besondere Vorliebe dafür hat, seinen Tuschestrich stark zu modulieren, Linien fangen dick an und laufen unvermittelt spitz aus. Eine sehr interessante Art zu zeichen und damit einer der zukünftigen Hoffnungsträger der Superhelden-Comics. Sein bisher bestes Werk ist dieses.

Cool: David Lafuente’s „Ultimate Comics: Spider-Man“
Der Spanier David Lafuente, der in London wohnt, zeichnet „Ultimate Comics: Spider-Man – Die neue Welt des Peter Parker“. Das ist locker-flockig und für Teenies elegant illustriert. Alles wirkt cartoonhaft-lustig, ist sehr gekonnt und ist gerade so, wie man sich als Laie Comics vorstellt. Band 1 ist in den Läden, Band 2 erscheint am 12.10.2010.

Formvollendet: Carmine Di Giandomenico’s „Noir Spider Man“
Am 26.10. erscheint „Marvel Noir: Spider Man 2“ gezeichnet von Carmine Di Giandomenico. Bereits der erste Band war eine Augenweide. Carmine Di Giandomenico, Jahrgang 1973, hat noch nicht viele Comics gezeichnet, dafür ist er Storyboard-Zeichner in der Filmindustrie, das heißt, er zeichnet den Ablauf des Filmes in Einzelbildern, um das Drehbuch mit seinen Kamera-Einstellungen zu visualisieren. Eine gute Schule für’s Comiczeichnen – und umgekehrt ist das Comic-Zeichnen auch eine gute Vorarbeit für’s Storyboard-Zeichnen.

Abgedreht: Mahnke’s und Christian Alamy’s Green Lantern
In „Green Lantern Sonderband 19“ ist eine Geschichte von Doug Mahnke vorgezeichnet und getuscht von Christian Alamy. Die beiden sind ein eingespieltes Team, das seine Leser mit den abgedrehtesten Figuren konfrontiert. Der Band sollte eine Nominierung für den Endoplast-Skurilitäts-Oskar kriegen und hätte gute Aussichten, ihn zu gewinnen. Zu dem Team Mahnke/Alamy hatte ich bereits ausführlich geschrieben. Der Band ist aktuell zu kaufen.

Gewaltig: Diego Latorre’s „Dante’s Inferno“
Ebenfalls zum Datum erscheint „Dante’s Inferno“, illustrativ hochwertig umgesetzt von Diego Latorre. Sehr aufwendige Adaption des Games (nicht die direkte Umsetzung des Weltliteratur-Klassikers „Göttliche Komödie“ von Dante Alighieri aus dem 14. Jahrhundert). Der Band bewegt sich formal jenseits der üblichen Comic-Zeichnungen, Latorre ist auch mehr Illustrator denn Comiczeichner.

Cover einer von Danijel Zezelj’s selbst geschriebenen Comic-Novellen: Kein Strich zu viel und eine kraftvolle Flächigkeit als Reminiszenz an den Expressionismus.

Cover einer von Danijel Zezelj’s selbst geschriebenen Comic-Novellen: Kein Strich zu viel und eine kraftvolle Flächigkeit als Reminiszenz an den Expressionismus (Copyright: Danijel Zezelj).

Meisterlich: Danijel Zezelj’s „Loveless“
Die Tendenz in allen Medien, auch dem Comic, geht in Richtung technischem Overkill. Beim Film sind das Spezialeffekte, technisch immer perfektere Traumwelten und 3D. Beim Comic seit Richard Corben, geht es oft darum, die Bilder zu „malen“, die Figuren räumlich wirken zu lassen oder aber kitschige Farb-Orgien zu zelebrieren. Allein aus diesem Grund gibt es so viel Müll bei den Superhelden-Comics. Am 21. September erscheint nun der letzte Band 4 von „Loveless“, an dem auch der zeichnerisch bemerkenswerte Kroate Danijel Zezelj mitgearbeitet hat. Er zeichnet oft nur in Schwarzweiß und das mit relativ wenigen expressionistischen Strichen. Man sieht an seinem Werk: Weniger ist tatsächlich mehr, viel mehr. Frank Miller, der seine letzten „Sin City“-Geschichten nur mehr hingehunzt hatte, sollte sich diese Zeichnungen mal angucken – und lernen. Zezelj’s Arbeiten sind der definitive Beweis, dass die Grenzen zwischen Kunst und der „Massen-Zeichenware Comic“ verschwimmen können. Zezelj veranstaltet mit ein paar Mitstreitern Kunst-Performances, hat 20 Grafic Novels geschrieben und gezeichnet und einiges Material – meist kürzere Beiträge – für verschiedene Mainstream-Comic-Verlage geschaffen. Eine kurze Geschichte von ihm ist in „Northlanders“ Band 3 zu bewundern.  Nebenbei illustriert er für verschiedene Zeitschriften wie zum Beispiel das „Harper’s Magazine“ oder den „The New York Times Book Review“. Der 43jährige (Jahrgang 1966) ist ungeheuer produktiv – und ungeheuer gut, das sequenzielle Erzählen scheint ihm im Blut zu liegen. Sein Stil ist düster und flächig, und die große Besonderheit seiner eigenen Grafic-Novels ist, dass er seitenweise ohne Text auskommt und seine Bilder sprechen läßt. Leider sind viele seiner umfangreicheren eigenen Werke in Italien, Kroatien und Frankreich erschienen – nicht aber in Deutschland. Zezelj wäre in Deutschland als Großmeister der Comics also noch zu entdecken und beweist, dass der Handlungsspielraum eines Zeichners heute ausgeweitet sein kann und in sich Kunst und Kunsthandwerk gleichermaßen beherbergen kann.

Ein Plakat, gestaltet vom Comic-Zeichner und Künstler Danijel Zezelj.

Ein Plakat, gestaltet vom Comic-Zeichner und Künstler Danijel Zezelj (Copyright: Danijel Zezelj).