Quelle: Kinowelt

Ziemlich schräg drauf: Nell Sweetzer (Ashley Bell; Quelle: Kinowelt)

Der mittlere Westen und Süden der USA ist inzwischen eine fast mythisch aufgeladene Gegend, wo hinter jedem Baum und Strauch religiöse Eiferer, schwachsinnige Kannibalen und inzüchtige Terroristen ihr Unwesen treiben. Für dieses Bild hat zumindest der Horrorfilm gesorgt, der aus dem Land der Rednecks schon einiges an Inspiration gezogen hat. In diese Unterkategorie gehört auch „Der letzte Exorzismus“.

Der Film des deutschen Regisseurs Daniel Stamm verpflanzt das gern genommene Motiv des Exorzisten in die Südstaaten, und das in Form einer gestellten Dokumentation: Ein Stil, der sich seit einiger Zeit ja gerade im Horror-Genre ziemlicher Beliebtheit erfreut. Das klingt jetzt erst mal von überall her zusammengeklaut, trotzdem ist der Film einen Blick wert.

Die verbissen religiöse und abergläubische Landbevölkerung Amerikas bildet den fruchtbaren Acker, den Reverend Cotton Marcus mehr als erfolgreich bestellt. Ein Job, für den er wie geboren scheint, denn schon als Kind ist er in die Fußstapfen seines Vaters getreten, der ebenfalls Prediger ist. Nebenbei betätigt  sich Cotton auch als Exorzist: Dabei lindert er mit ein wenig Budenzauber die Qualen all derer, die fest davon überzeugt sind, dass nur der Leibhaftige ihre Probleme verursacht haben könnte.

In allem was er tut, spielt er gekonnt auf der Klaviatur der Emotionen seiner Anhänger. Aber jetzt ist er seines scheinheiligen Treibens überdrüssig: Denn den eigenen Glauben an Gott hat er längst verloren. Um reinen Tisch zu machen engagiert er ein Kamerateam, das seinen letzten Exorzismus dokumentieren soll, um sich selbst und seine Zunft endgültig als Scharlatane zu entlarven. Aufs Geratewohl wählt er aus dem Stapel Briefe auf seinem Schreibtisch einen Fall aus, der seine Karriere beenden soll. Ihm fällt das Schreiben der jungen Nell Sweetzer in die Hände, die davon überzeugt ist, den Satan in den Knochen zu haben.

Der Weg führt also nach Ivanwood in Lousiana, das mit seinen Sumpfwäldern und verrotteten Sklavenhaltervillen schon für unzählige Horrorstories den Hintergrund geliefert hat. Hier  treffen sie auf die Familie Sweetzer, die recht arttypische Vertreter des südlichen Hinterwäldlers darstellen. Vater Sweetzer ist ein fanatischer Christ, Sohn Caleb das aggressive Inzuchtopfer; Tocher Nell hingegen ein herzensgutes und weltfremdes Mädchen, das vom Vater seit dem Tod der Mutter mittels Heimunterrricht von den zersetzenden Einflüssen der Außenwelt ferngehalten wird. Business as usual für Cotton also, der routiniert sein Programm abspult: ein paar Rauchbomben und ein MP3-Player mit Geisterbahngeräuschen  scheinen den bösen Geist zunächst zu vertreiben.

Cotton Marcus (Patrick Fabian) zieht seine Show ab. (Quelle: Kinowelt)

Doch anschließend verläuft nichts mehr nach Plan, denn Cottons spirituelle Placebos scheinen bei Nell nicht anzuschlagen. Obwohl sie in ihren besessenen Phasen ein zunehmend verstörendes Verhalten zeigt, versuchen Cotton und sein Filmteam immer rational zu agieren – und machen sich mehr Sorgen um ihren Vater, der droht, seine Tochter notfalls mit der Flinte zu erlösen. Dabei ziehen sie die Aufmerksamkeit des vermeintlichen Dämons immer weiter auf sich.

Weder der Fake-Doku-Stil noch die Exorzismus-Thematik sind im Horror-Genre besonders innovativ. Trotzdem gelingt es dem deutschstämmigen Regisseur Daniel Stamm mit seinem Film eigene Akzente zu setzen. Das liegt zunächst einmal daran, dass er es trotz der Handkamera-Optik schafft, die Handlung in klaren, übersichtlichen und vor allem filmischen Bildern einzufangen. Wackeln tut die  Kamera nur dann, wenn es dramaturgisch sinnvoll ist.

Außerdem verzichtet der Film auf Ekel-Make-Up oder verkotzte Erbsensuppe, stattdessen wird die Geschichte so weit wie möglich in der Realität geerdet. Seine Spannung und Beunruhigung zieht der Film vor allem aus einem permanenten Balance-Akt auf der Messerschneide zwischen dem Übernatürlichem und schizophrener Umnachtung, denn eine natürliche Erklärung scheint immer möglich zu sein. Vor allem der angebliche Mann Gottes Cotton Marcus zeigt sich als kritisch Fragender, der vergeblich versucht, den verbohrten Geisterglauben von Vater Sweetzer aufzubrechen. Denn jedes Indiz gegen eine übernatürliche Besessenheit dreht sich dieser so zu recht, dass es wieder in sein Glaubenssystem hinein passt.

Cotton versucht Nells Vater zur Vernunft zu bringen. (Quelle: Kinowelt)

So macht der Film den Konflikt von Glauben gegen Zweifel zu seinem Thema, wobei er deutlich religionskritische Zwischentöne in seiner Geschichte unterbringt. Das zeigt sich nicht nur in der Figur von Nells Vater: Auch der Anfang des Films, der Cotton beim Gottesdienst zeigt, erinnert stark an tatsächliche Dokumentationen und Weltspiegelberichte über den Bible Belt, und lässt dem säkularen Mitteleuropäer einen Schauer über den Rücken laufen.

Das Ende schwächt diesen Subtext allerdings merklich ab, was den Film auch ein wenig harmloser, und den Konventionen des Genres verhafteter macht. Aber obwohl es scheinbar eindeutig aufgelöst wird, bleibt eine gewisse Restunsicherheit.

Für ein Übergewicht auf der Haben-Seite sorgen dann aber die durch die Bank überzeugenden Schauspieler, die es schaffen ihre Rollenklischees mit Leben zu erfüllen. Patrick Fabian überzeugt als glatter Prediger, der seine Manipulationstechniken im Schlaf beherrscht, aber innerlich schon längst mit dem Glauben abgeschlossen hat. Ashley Bell gibt das Sumpf-Dornröschen mit einer anrührenden Naivität. Von den Nebenfiguren bleibt vor allem Caleb Landry Jones als Caleb in Erinnerung, der hinter seinem dumpfen Gesichtsausdruck einen wachen Verstand durchschimmern lässt, der ihm eine Aura von bedrohlicher Unberechenbarkeit verleiht

Wer etwas für psychologischem Horror übrig hat, und bei Handkamera-Bildern nicht sofort Kopfschmerzen bekommt, dem ist „Der letzte Exorzismus“  ohne weiteres zu empfehlen. Vorsicht allerdings, Gewalt gegen Tiere sollte man schon aushalten können.