Guttenbergs Rücktritt als Überraschung

Im Bild oben sind alle guten aber auch vorwiegend schlechten Seiten der Doktor-Arbeit des Ex-Verteidigungs-Ministers Karl-Theodor zu Guttenberg als farbige Rechtecke zu sehen.

Je dunkler die Farbe, desto mehr Stellen darin sind vom Autor zu Guttenberg offenbar unter Verletzung des Urheberrechtes verwendet worden. Das wurde in den Medien mit dem Schlagwort (Schummel-cum-laude-)„Plagiat“ belegt.

Die Farbe Gelb und ein Comeback nach dem Rücktritt?

Die Farbe Gelb zeigt demzufolge unverfängliche Seiten. Allerdings sind das bis auf das Vorwort und den Anhang nicht viele am Stück. Die Seite „Greasingwheels“, von der dieser Seitenplan stammt, hat dies ermittelt. Doch wohl noch nie hatten Experten so schnell nach dem Rücktritt eines Politikers die orakelhafte Einschätzung bei der Hand, zu Guttenberg werde sicher nach ein paar Jahren seine Karriere wieder aufnehmen – also ist ein Frohlocken seiner politischen Gegner verfrüht.

Neue Informationen, neue Recherche, neuer Journalismus

Wieder hat das Internet als mediales Netzwerk mittels Blogs und Wikis eine kritische Öffentlichkeit erzeugt. Im Gefolge der Wikileaks-Diskussion, in der es darum ging, was man öffentlich ausplaudern und zugänglich machen darf, ist wieder zu konstatieren, dass die alte mediale Gewaltenteilung zur Disposition steht. Nicht mehr Print– und Fernseh-Journalisten geben alleine den Ton der Meinungsführerschaft an. Die Informationsbeschaffung hat sich dezentralisiert, gar atomisiert. An der Suche nach immer neuen plagierten Textstellen innerhalb der Doktorarbeit zu Guttenbergs zum Beispiel kann sich praktisch jeder beteiligen, der ins Internet kommt. Die wirklich heißen Informationen in 2010 hat ein journalistisch amateurhafte Organisation zutage gefördert und den etablierten Medien geliefert: Wikileaks besorgt sich die Informationen quasi aus dem Volk, anonym potenziell von jedermann, der etwas weiß.

Segnungen und Gefahren der digitalen Lesbarmachung

Nicht nur Polit-Affären – über die im Internet als weltumspannender Wissens- und Informations-Plattform zu recherchieren ist, und die damit einhergehende Offenlegung diplomatischer, militärischer und administrativer Geheimnisse – führen auch dem Ungläubigsten vor Augen, dass die Digitalisierung und Computer-Lesbarmachung von Datenarchiven orwellsche Qualitäten hat. Brisantes Wissen, das früher Lastwagen gefüllt hätte, passt heute auf einen fingernagelgroßen USB-Stick. Eine Informationsbeschaffung, deren Transport früher riskant und zeitaufwendig gewesen wäre, ist heute unter Umständen übers Web in Sekundenschnelle geleistet. Das wissen beispielsweise auch Bundes- und Landes-Beamte und -Politiker, wenn sie geklaute und damit aus ihrer Perspektive kriminell erworbene Kunden-Datenbestände von Banken kaufen, um Steuersünder ausfindig zu machen.

Die ultraschnelle Öffentlichkeit: Wer kann ihr noch entgehen?

Das Fallbeispiel zu Guttenberg, bei dem ein durch die klassischen Medien hochgelobter und profilierter Politiker einen tiefen Sturz hingelegt hat, zeigt, dass heute der Begriff „Geheimnis“ immer mehr ohne Firewall auskommen muß. Ein Politiker, der unter solchen geänderten Vorzeichen darauf hofft, dass schon Gras über die Sache wachsen werde, damit er hernach einen glatten Neustart hinlegen kann, sieht sich einer informierteren und informationell schneller agierenden Öffentlichkeit gegenüber – eine neue Herausforderung für die erstarrte, schwerfällige parlamentarische Demokratie. Guttbye, Polit-Trickserei? Bricht in einer Zeit, in der man alles erfahren kann, nun das Zeitalter der offensiven Ehrlichkeit an?