In Hannover empfindest Du den Untergang der Menschheit hautnah.

Big Mother is watching you: Im Auge des Betrachters eine manchmal schräge Angelegenheit.

Ich war auf der weltgrößten Roboter- und Maschinen-Messe, der CeBIT in Hannover. „Roboter- und Maschinen-Messe?“ fragst Du mit offenem Mund. „Das ist doch gar keine!“ Falsch, mein Kleiner, es ist doch eine. Für mich sind alle Geräte, die man dort sehen kann, Maschinen mit gespenstisch anmutenden Roboter-Eigenschaften.

Man bezeichnet sie ja auch als „intelligente Technik“. Zum Beispiel schlägt diese Technologie Dir als iTunes-Nutzer aktiv vor, was Du Blödel noch für Musik konsumieren sollst – und macht Dich damit zu einem passiven, faktisch entmündigten Idioten, der irgendwann nicht mehr über den musikalischen Tellerrand blicken kann. „Cross“-Selling nennt man das. Wohl deshalb, weil Du als Konsument quasi ans Kreuz des Kommerzes genagelt wirst. Anstatt Nägeln schlägt man Dir allerdings spitze USB-3.0-Sticks in Hand- und Fußgelenke und wie der real Gekreuzigte stirbst Du nicht sofort, sondern mußt eine Weile unter der Technik leiden, bis Du vollends ausgeblutet bist.

Feindliche Übernahme: Der Mensch definiert sich über die Technik, die ihn vereinnahmt.

Die vier Tugenden des homo technicus: Nicht hören, nicht sehen, nicht reden, nicht fühlen.

„Intelligente Automatisierung“: Wie uns die Technik schleichend entmündigt

Die liebe Technik unterbreitet Dir beispielsweise blitzschnell Vorschläge für Worte, deren erste Buchstaben Du gerade erst legasthenisch und dickfingrig eingetippt hast. Und wenn Du nicht aufpasst, hat die Technik, die uns Hansel alle begeistert, einen ganz anderen, abschätzigen Begriff in den Text mit eingebracht, den Du, weil Du nicht mitgedacht hast, bereits schafsmäßig verschickt hast – auf dass Du zukünftig von all Deinen wegen der falsch verstandenen SMS beleidigten Freunden elektronisch gedisst wirst, obwohl die in Wirklichkeit gar nicht real vorhanden sind, weil lediglich voll automatisierte Follower-Maschinen sich an Dich rangehängt haben. Diese kleine verschissene Technik macht aber noch viel mehr: Sie sagt Dir, in was für ein Restaurant in der Nähe Du gehen kannst und spart dabei jene gastronomischen Betriebe, die noch richtig kochen und nicht einfach vereiste Beutel in der Mikrowelle aufwärmen, weil die kein Geld für Online-Werbung ausgegeben haben. Es ist auch jene Technik. die Dir in bestimmten Ländern keine Ergebnisse für bestimmte Suchbegriffe auswirft, weil die entsprechende faschistische Regierung das nicht will. Aus all diesen und vielen anderen Gründen sind diese Gadgets wie kleine Maschinen-Diktatoren geworden, die die Herrschaft übernehmen wollen. Natürlich sehen sie nicht aus wie welche. Oder doch, manchmal schon, wie man hier sehen kann:

Ein Roboter auf der CeBIT 2011.

Die Menschen beobachten neidisch ihren Konkurrenten, der leistungsfähiger, ausdauernder, witziger und charismatischer ist.

Internationale digitale Inquisition (IDI): Vom Gadget-Owner zum -Opfer

Herzlichen Glückwunsch! Die Technik nimmt Dir das Denken ab. Du verlernst es schneller als jeder Prozessor rechnen kann. Sie hilft Dir, Dich in Lichtgeschwindigkeit als Mensch selbst zu überholen, um Dir eine brabbelnde alzheimernde Identität zu geben. Die CeBIT gleicht einer mittelalterlichen Folterkammer. Überall seltsame Geräte, die die Menschen quälen. Die sie verstrahlen, hektisch machen, die sie unter Zugzwang setzen. Die Hohepriester dieser verabscheuungswürdigen Technik sind meist schwarzgewandet. Sie tragen dunkle Anzüge, die sie undurchschaubar machen sollen und weiße Hemden, die uns sagen: „Seht her, blütenweiß, kein einziger Blutspritzer, habt keine Angst vor uns, wir tun keiner Fliege was zuleide.“ Richtig: Fliegen sind die einzige nicht-betroffene Zielgruppe, weil man iPads, die so klein wären, einfach noch nicht nicht bauen kann. Wo früher Hexen verbrannt wurden, und im Grunde jeder, egal ob Tier oder Mensch, der nicht an das Richtige geglaubt hatte, kurzerhand als Hexe abgestempelt wurde, ist heute derjenige ein Ausgestoßener, der keines der lächerlichen Smart-Phones mit sich führt, die den Blick des Menschen mit Liliput-Bildschirmen hypnotisieren und ihn davon abhalten zu erkennen, was wirklich um ihn herum geschieht. Keinen Blick in die Original-Welt mehr, keine grün-saftigen Wiesen, keine blühenden Pflanzen, kein Blick aufs reale Leben. Auf der Messe starren alle nur noch auf die leuchtenden Farben der Bildschirme, die ihnen Horn- und Netzhäute perforieren und ihre Gehirnwindungen strecken und gerade ziehen. Andere Teile unseres Seins schrumpeln und verbiegen sich: Wer zu lange auf den Bildschirm seines Smartphones starrt, steht naturgemäß etwas gebückt und leidet bald an chronischem Rundrücken. Die Wirbel springen ihm heraus, Arbeitsausfall, im Extremfall OP und ein Platz in der Reha. Damit das nicht passiert, weiß die Maschinenmesse CeBIT aber eine Antwort:

Entspannung während der stressigen CeBIT-Tage.

Die CeBIT der bucklicken IT-Arbeiter als Wohlfühl- und Wellness-Oase.

Fazit CeBIT 2011: Ein rundum lohnender Messebesuch auch in diesem Jahr

Und warum das alles? Die Technik soll uns Dummys das Unwichtige abnehmen, damit wir für die wirklich wichtigen Dinge Zeit haben. Was sind das für wirklich wichtige Dinge? Genau genommen: Niemand weiß es. Letztlich wohl nur, immer mehr Geld zu verdienen, um mehr Maschinen kaufen zu können, um den Preis, sein reales Leben vollständig aufzugeben und in ein virtuelles, das viel besser maschinell kontrollierbar ist, zu überführen. So sterben wir vereinsamt in abgedunkelten Wohnungen, im Todeskampf nur geortet von Algorithmen, die erkennen, das wir nichts mehr einkaufen und konsumieren, dass wir dem Geldkreislauf kein Geld mehr zuführen und damit unseren Beitrag zum meandernden weltumspannenden Cash-Flow verweigern. Fazit: Man sieht auch hier wieder: Ein Messebesuch lohnt und öffnet die Augen für das wirklich Wichtige.

Treppenwitz der Geschichte: Der Mensch züchtet seine eigene Konkurrenz.

Technik, die vereinsamt: Auf welcher Stufe der Evolution befindet sich der Mensch und wie lange ist es her, dass die Technik ihn überholt hat?