Regierungsrede im deutschen Bundestag

Angela Merkel, Bundeskanzlerin und Bundesvorsitzende der CDU, Sigmar Gabriel, Parteivorsitzender der SPD, und Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender der Bundestagsfraktion "Bündnis 90/Die Grünen" lieferten sich heute im deutschen Bundestag ein Rededuell.

Dass die Diskussion, die im Moment über die Gefährlichkeit der heimischen Atomkraftwerke in Deutschland stattfindet, zu einem Großteil von den bevorstehenden Landtagswahlen beeinflußt ist, konnte man auch heute wieder an den Redebeiträgen im deutschen Bundestag sehen.

Alle Redner wußten, dass das Fernsehen den Polit-Event überträgt. So mutierten wiedermal sonst eher gelangweilt vorgetragene, eher schlappe Redebeiträge unter der medialen Präsenz zum pointierten Schlagabtausch.

Einstieg der Bundeskanzlerin in einen zweifelhaften Ausstieg

Angela Merkel versuchte rhetorisch fintenreich, die damalige rot-grüne Koalition mit verantwortlich für den Status Quo der Kernenergie zu machen. Das allen Ernstes obwohl klar zutage liegt, dass beide Parteien sich stets eher früher als später von der Kernenergie trennen würden. Ansonsten war ihr Vortrag, was die Fakten anbelangt, eher rhetorisch als wahrhaftig.

Die Regierung prescht alleine vor

In den beiden Nachfolge-Rednern Sigmar Gabriel und Jürgen Trittin hatte sie jedoch zwei Widersacher, die sich als ehemalige Fach-Minister hervorragend mit den Details der Atom-Technologie, ihren Unfällen und Beinahe-GAUs sowie dem Bewilligungs-Hickhack auskennen. Jürgen Trittin war 1998-2005 Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel bekleidete das gleiche Amt zwischen 2005 und 2009. Fernab der Argumentation entlang der Fakten, fiel aber auf, dass Vorwürfe an den politischen Gegner die Leitlinie der Reden bildeten – nicht die Sachthemen. Wovon ich Jürgen Trittin zum Teil ausnehme, er war von den Dreien der Sachlichste. Angela Merkel zeigte einmal mehr ihre Strategische Begabung, ohne die sie sich nicht so lange als Bundeskanzlerin hätte halten können. Sigmar Gabriel lieferte ein gradlienige Rede, die etwas zu deutlich auf den Punkt kam. Die Politik als Feindbild für viele Wähler hat auch hier vorgeführt, dass im Zweifelsfall Schuldzuweisungen und Diskreditierung des Gegners wichtiger sind als Solidarität angesichts einer Katastrophe mit historischer Tragweite. Allerdings hat in dieser Angelegenheit die Bundesregierung als erste politische Kraft mit der Art und Weise ihres sogenannten „Moratoriums” einen unglaubwürdigen Schritt getan. Sie hätte alle Minister an einen Tisch holen sollen – nicht nur die eigenen – um einen Konsens herbeizuführen.

Politisches Handeln im Superwahljahr

Natürlich wäre das angesichts der anstehenden Wahlen ein ungewöhnlicher Schritt gewesen. Landtags-Wahlen finden nämlich im Superwahljahr 2011 in Sachsen-Anhalt (20.3.), Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz (beide 27.3.) und Mecklenburg-Vorpommern (4.9.) statt. Außerdem gibt es Kreistags- und Gemeinderats-Wahlen in Hessen (27.3.), Bremen (22.5.), Niedersachsen (11.9.) sowie Berlin (18.9.). Wenn es der Regierungs-Koalition ernst und wichtig gewesen wäre, das Thema „Kern-Energie“ unter dem Eindruck der Katastrophe in Japan neu anzugehen, hätte sie Meinungsbildung und Entscheidung auf alle politischen Schultern verteilen müssen. So aber ist es wichtiger, den Gesetzen der Medien-Gesellschaft Rechnung zu tragen, um Wahlen zu gewinnen und an der Macht zu bleiben – aber langfristig der Wahlmüdigkeit Vorschub zu leisten, weil das Image der Politik parteiübergreifend immer schlechter wird.

Konsens für die Zukunft: Wer ist dazu in der Lage?

Denn eines ist ganz klar: Die Kernenergie ist auch deshalb ein himmelschreiendes politisches Reizthema, weil fast nie die Sache im Mittelpunkt stand, sondern eher politische Dogmen und Rechthaberei. Bei diesem zentralen Thema sollten sich eigentlich alle Parteien an einen Tisch setzen. Wer seine Position gegen den politischen Gegner durchboxt, nur um sich hinterher selbst auf die Schulter zu klopfen, handelt politisch unverantwortlich. Dennoch scheinen die angestammten „Volksparteien” dazu nicht in der Lage zu sein, obwohl Themen wie der Ausstieg aus der Kern-Energie, die Endlagerung und ein neues Energie-Konzept eines breiten gesellschaftlichen Konsenses bedürften.