Unbesiegbar und kaum auszumachen: Eine Drohne im Kampfeinatz

Einen Menschen mit den bloßen Händen umzubringen ist eine zutiefst schreckliche Vorstellung. Und doch ist es theoretisch betrachtet etwas ganz anderes, jemanden mit bloßen Händen zu töten als ihn zu erschießen. Schießen ist einfacher. Diverse Amokläufe in der westlichen Welt verliefen meist nach dem gleichen Muster: Der spätere Mörder hat sich vorher montate- und jahrelang mit Egoshootern, den unsäglichen Computer-Ballerspielen, selbst konditioniert. Solange, bis er das Schießen auf die virtuellen Charktere, die den Bildschirm bevölkern, gefühllos gleichsetzen konnte mit dem Schießen auf tatsächliche und lebendige Menschen.

Parallel-Qualität der Unmenschlichkeit: Krieg als Videospiel

Der Drohnenkrieg, den die USA immer heftiger und als in ihren Augen probates Mittel standartisiert führen, hat analog dazu viel mit dem Terminator-Film-Szenario gemeinsam, bei dem die Maschinen unkontrollierbar zum Selbstläufer geworden sind. Zwischen Mordendem und Ermordeten befinden sich heute im millitärischen Alltag unter Umständen hunderte oder tausende Kilometer und ein digitales Roboterhirn. Das Cyber-Morden im Computerspiel und das reale Morden verschmelzen für den Soldaten innerhalb einer diffusen Nicht-mehr-Unterscheidbarkeit miteinander.

Harter Tobak für Weichziele: Warum die Entfernung für das Morden wichtig ist

Die Distanz zwischen Schießendem und Erschossenem kann von Mensch zu Mensch viele Meter, bei Heckenschützen auch viele hundert Meter betragen. Sie können soweit voneinander entfernt sein, dass sie sich kaum als Menschen erkennen können. So wird es viel leichter, gewissenlos eben mal abzudrücken. Keine Gesichtszüge, keine Worte – und schon ist ganz einfach, unmenschlich zu handeln, weil die Menschlichkeit des Gegenübers nicht mehr augenfällig ist, nicht mehr erkannt wird. Der zu Ermordende verkommt zur emotionslosen Zielscheibe. Millitärs haben beim Frontenkrieg die Erfahrung gemacht, dass man an einer Stelle nicht zu lange die gleichen Soldaten belassen sollte, sonst entstehen am Ende noch menschliche Kontakte zwischen den feindlichen Linien und es gibt Gewissensbisse beim Töten. Dieselben Militärs haben verbal Menschen zu menschlichen Körpern degradiert und diese „Weichziele“ genannt.

Töten als Bildschirmschoner: Wie die Technik Gefühle verhindert

Aber was hat das mit unserer heutigen Realität zu tun? Da, wo man auf YouTube beobachten kann, wie aus einem amerikanischen Militär-Helikopter heraus unschuldige Zivilisten prophylaktisch aus großer Entfernung umgebracht werden, ist man sowohl über die Skrupellosigkeit der Tat entsetzt, auch darüber, wie wenig den Soldaten ein Menschenleben wert ist, aber eben auch, dass ein Knopfdruck genügt, quasi per Fingerzucken bedient, um über Kilometer hinweg Menschen auszuradieren. Tatsächlich wirkt der Vorgang in seiner Abstraktion weniger wie eine blutige Schlachterei, die sie ist, und mehr wie ein (Aus-)Löschen und Wegradieren – in der Wahrnehmung ein vergleichsweise sauberer Vorgang. Die Soldaten in ihrem Helikopter bekommen vom Leid, das sie verursachen, bis auf eine verharmlosende Bildschirmdarstellung kaum etwas mit. Keine Schreie, kein Geruch von verbranntem Fleisch, keine verrenkte und entstellte Kinderleiche.

Militär und Psychologie: Entmenschlichung als Vorbereitung der Tötung

Es besteht also ein qualitativer Unterschied zwischen der Ermordung eines Menschen durch die bloße Hand, also zum Beispiel durch die Hand, die ein Messer führt, einerseits und modernem Militarismus, der auf Entfernung setzt, andererseits. Zeitgemäße Kriegsführung trennt Ursache und Wirkung voneinander, bringt Unmenschlichkeit und Menschlichkeit zur neutralen Deckungsgleichheit. Dem Militarismus passt es ins Konzept, den Menschen, der angegriffen und vernichtet werden soll, zu entmenschlichen. Schon immer basierten die größten Greueltaten in Kriegen, Bürgerkriegen bis hin zu Genoziden darauf, dass die zu Tötenden immer erst propagandamässig entmenschlicht wurden. Wird einer nicht mehr als Mensch wahrgenommen, fallen beim Aggressor alle Hemmungen. So hat der Nationalsozialismus funktioniert, so funktioniert im Prinzip jede militärische Struktur: Der natürliche Instinkt, nicht zu töten, muss erstmal ausgemerzt werden.

Ursache und Wirkung in der Entfremdungs-Maschinerie

Die Entfremdung des Menschen von den direkten, augenscheinlich wahrnehmbaren Auswirkungen seiner Handlungen ist ein Dilemma des digitalen Lebens. Wer Geld in seinem Portemonnaie hat und es zählen kann, hat ein besseres Gefühl für Verschwendung als jemand, der eine Geldkarte in einen Automaten steckt oder eine Kreditkarte auf ein Tablett legt. Das Physikalische, das real Vorhandene, bringt einen qualitativen Unterschied im Hinblick auf Orientierung, Wahrnehmung und Entscheidungsfindung eines Menschen. Ein Soldat, der 50 Menschen mit seinen bloßen Händen erwürgen müsste, käme ins Nachdenken. Ein Soldat, der dazu nur ein Knöpfchen drücken muss und auf die Entfernung keinerlei Auswirklungen seines Handelns sieht, für den bleibt der Tod der 50 in die Luft gesprengten seltsam abstrakt, seltsam unwirklich – so unwirklich, als hätte man auf seiner Tastatur die Löschtaste betätigt.

Give Peace a chance: 6.000 Drohnen für den Frieden

Und damit sind wir beim Status Quo der amerikanischen Kriegsführung. Geschätzte 6.000 Drohnen setzen das amerikanische „Verteidigungsministerium“ Pentagon und der Auslandsgeheimdienst CIA ein. Das Verteidigungsministerium hat in seiner langen Geschichte meist höchstens die amerikanische Ehre und vor allem den amerikanischen Wohlstand verteidigt und trägt deshalb diesen Nehmen zu Unrecht. Auch die Ziele der Drohnen, meist als „Kampf gegen den Terror“ deklariert, entziehen sich jeder demokratischen Kontrolle.

Anti-Terror-Mastermind John Brennan und die Joystick-Phantasien

Die hoch geheimen Einsätze werden von John Brennan verantwortet, der Antiterror-Berater im Weißen Haus ist und wohl der neue CIA-Direktor wird. Seit Barack Obama am 20. Januar 2009 Präsident der USA wurde, sind in Sachen „Al Quaida“ und den Taliban in Pakistan 310 Drohnenangriffe geflogen worden. Dabei sind schätzungsweise 890 zivile Personen, darunter 176 Kinder getötet worden. Insgesamt starben geschätzt zwischen 2.600 und 3.400 Personen.

3.400 Personen als Drohnenopfer: Der abstrahierte Leichenberg

„3.400 Personen“? Eine Zahl klingt bezogen auf getötete Menschen recht sachlich. Wieviel Liter Blut wurden dabei verspritzt? Wieviel Familien verloren ihre Kinder, wurden für immer traumatisiert? Zumal, „3.400 Tote“ klingt in der kranken Medienwirklichkeit nicht wirklich viel. Als Medienprofi, der gewohnt ist, tagtäglich vom Tod zu hören und zu lesen, ihn auch in Videos zu sehen, kann man nicht mehr nachfühlen, was das wirklich bedeutet. Sowenig, wie man im Alltag noch ein Gefühl dafür hat, dass der alltägliche Tod, der visuell und akustisch die deutschen Wohnzimmer illuminiert und beschallt, noch etwas Besonderes ist. Man stutzt über der Kenntnisnahme des Faktums, dass Barack Obama den Friedensnobelpreis erhalten hat – wenn auch umstritten –, und andererseits mit seiner Amtszeit die Ausweitung des menschenverachtenden Drohnen-Roboterkrieges, der sich jeder Kontrolle entzieht, stattgefunden hat. Ein scheinbar sauberer, weil abstrakter Krieg, in dem jede Aktion mit dem Argument des Kampfes gegen den Terror begründet wird.

Atombombenpiloten Paul Tibbets und Charles Sweeney ohne Reue

Paul Tibbets, der am 6. August 1945 den Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima geleitet hat, und Charles Sweeney, der am 9. August 1945 Pilot des Bombers war, der die zweite Atombombe auf Nagasaki abwarf, wurden in Ruhe alt – 92 und 85 Jahre – und rechtfertigten beide den Abwurf der Bomben damit, dass zwar bei den Abwürfen inklusive der Spätfolgen sicher Hundertausende ihr Leben lassen mussten, dadurch aber ein weiterer Krieg verhindert worden wäre, in dem vielleicht mehr hätten sterben müssen. Es stellt sich die Frage, ob sie sich jemals mit dem Leid auseinandergesetzt haben, ob sie es sich angesehen haben. Aber selbst wenn, die militärische Indoktrination rechtfertigt jedes Leid, jede Zahl und jedes Zivilopfer.