Ich habe mal meine Kakteen langfristig getötet, weil ich sie zuviel gegossen habe. Jetzt habe ich den Bogen raus, Kakteen und Sukkulenten wachsen bei mir wunderbar. Oft ist es so, dass ich sie in einem Impuls gießen möchte, aber dann denke ich kurz darüber nach und tue es doch nicht. Ich warte noch. Man entwickelt ein geduldiges Gefühl, eine Zurückhaltung, einen Gießpurismus.
Beim Zeichnen gibt es diese Phasen, wo ich mit sehr wenigen Linien etwas darstelle oder aber opulent mit sehr vielen. Mal liegt in der Reduktion der Mittel eine gewisse Besinnlichkeit, mal in der Akribie der Vielstrichigkeit Ausdauer und große Kraft.
Reduce to the max
Weniger ist mehr ist der Weg zum eigenen künstlerischen Kern, zur Mitte des Ausdrucks, zum Ursprung des künstlerischen Impulses. Mit vielen Strichen, Schattierungen, mit den Spiegelungen und Texturen des Photorealismus, mit Perfektion generell überdeckt man den einen Ursprungspunkt, den einen knochigen Strich, von dem alles ausgeht. Weniger ist deshalb mehr, weil im Weniger der Anspruch besteht, das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. Alles Beiwerk wegzulassen, ist so, wie aufzuhören drum herum zu reden, auf den Punkt zu kommen und einfach in einem kurzen Satz die Wahrheit zu sagen – nämlich das, um das es wirklich geht.
Die Reise zur eigenen Wahrheit
Weniger ist mehr ist der Weg der eigenen Wahrheit – ohne Wenn und Aber, ganz ohne Blabla. Denn je mehr Striche, desto mehr Information, desto mehr Überflutung, mehr Verhüllung, mehr Lüge. Lügen wirken glatt und schön perfekt. Die Wahrheit ist oft schwerer verdaulich. Man gewöhnt sich aber an den ganz einfachen Strich, der die Grundlagen der eigenen Existenz darstellen mag. Seine Kargheit hat eine ganz eigene Ästhetik: die der Ehrlichkeit.
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9 Responses to “Kunsttagebuch: Über das „Zuviel“”
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