Fußball

„Ofenfilet Brasilia“, die Fussballspieler der deutschen Fußballnationalmannschaft auf Schaufensterdisplays als Dressmen für Herrenoberbekleidung, die „Fußballwurst“ in der Metzgerei, die Parfüms „Jump“ und „The Game“ auf einer Werbetafel unter einer federbewehrten künstlich lächelnden Frau, die so tut, als wäre sie Brasilianerin – das alles und noch viel mehr sieht und liest man, wenn man dieser Zeiten durch eine Fußgängerzone schlendert. Es ist Ausdruck einer inflationären Marketingstrategie.

Im Marketing bedeutet eine Dachmarkenstrategie, dass eine Markenmutter viele kleine putzige Kinder bekommt. Das bedeutet zum Beispiel, dass eine bekannte Schokoladentafel, die seit Jahrzehnten schlechthin ein Sinnbild für Schokolade ist, irgendwann den ersten Schokoriegel unter ihrem Namen herausbringt und noch einen und noch einen und noch einen, dann noch ein Eis, ein Eiskonfekt usw. usf. Das überaus positive Image der Muttermarke, auch Dachmarke genannt, soll auf die Sekundärprodukte positiv abstrahlen, sie ebenfalls von Anfang als etwas Positives erscheinen lassen. Denn was positiv eingeschätzt wird, verkauft sich besser. Es geht um Geld.

Markenqualität und Markenführung

Dem Markengedanken wohnt durchgängige Qualität inne, das heißt, der Nutzer vertraut darauf, dass die Sekundärmarken als Abspaltung der verlässlichen Hauptmarke genauso gut sind wie das, was man kennt und schätzt. Vertrauen ist dabei das Pfund, mit dem im Marketing gewuchert wird.

Wenn die Dachmarkenstrategie nicht aufgeht

Doch jeder Kapitän weiß, dass selbst das größte Schiff seine Beladungsgrenze hat. Beim Schiff ist die Bemessung der Zuladung eine berechenbare Größe. Im Marketing ist das anders, Belastungsgrenzen für die Marke sind frei fluktuierend. Denn es kann ja sein, dass die Dachmarken-Schokolade dem Konsumenten schmeckt aber der Abspaltungs-Schokoriegel nicht. Dadurch würde die Dachmarke belastet. Aus dem positiven Abstrahleffekt von der Dachmarke auf ihr Kind würde so ein negativer Effekt vom Abkömmling nach oben. Damit sind wir beim Fussball.

Fußball und seine Verbusinessisierung

Mega-Sportereignisse wie die Olympischen Spiele, die Fußball-Europameisterschaft oder die Fußball-Weltmeisterschaft sind inzwischen Milliarden-Events. Die Fußball-WM wird marketing-orientiert wie eine Dachmarke geführt, die Sende-Lizenzen, Merchandising-Lizenzen, Werbe-Lizenzen und Sponsoring-Lizenzen vergibt. Als Sponsor hängen sich vor allem große Unternehmen an die WM und werben mit ihr. Aber auch die, die die WM und ihr Logo nicht mit Fug und recht erworben haben, ergreifen die Chance und bedienen sich beim Thema Fußball und bringen es in ihrer Werbung, ihrer Selbstdarstellung oder stülpen kurzerhand ihren Produkten das Fußball-Mäntelchen über.

Lebenswirklichkeit Informationsinfarkt

Das tägliche Leben ist durchdrungen von der Dachmarkenstrategie und ihren vermeintlichen Abstrahl-Effekten. Ein einzelnes erfolgreiches Produkt gibt es kaum noch, es muß gleich eine ganze Produktfamilie her. Jeder Star und jedes Sternchen bringen ihr Parfüm heraus, jede Art von persönlicher Medienpräsenz wird im Erfolgsfalle sofort in andere mediale Erscheinungsformen konvertiert. Selbst Staatsoberhäupter sind für die Wahrnehmung eines Staates in der Außenwirkung ein wichtiger Imagefaktor, der wie eine Dachmarkenstrategie funktioniert. Durch all das kommt es tsunamiartig zu einer informationellen Überspringflutung.

Wenn die Dachmarke uns aufs Dach steigt

Die Dachmarke hält nur eine begrenzte Anzahl von Medieneinsätzen und Unterprodukten aus, danach beginnt sie zu nerven. So wie die Fußball-WM, die jeden Lebensbereich irrwitzig durchdrungen hat; denn keiner darf entkommen. Der WM-Overkill hat inzwischen weniger mit einer Dachmarkenstrategie und sehr viel mit einer Dachschadenstrategie zu tun. Anstatt dessen wäre eigentlich informationelle Verknappung angesagt. Aber Verknappung ist der Feind der Gier.