Zukunftsvision The Long Tommorow

Hier im Video ist eine animierte Comicgeschichte zu sehen, die ursprünglich der französische Comic-Künstler Moebius/Jean Giraud gezeichnet und der amerikanische Drehbuchautor Dan O’Bannon geschrieben hatte. Es ist aber nicht irgendeine Geschichte. The Long Tomorrow kommt als düstere Kriminalgeschichte im Stile Raymond Chandlers oder Dashiell Hammetts daher, wartet mit Humor an unerwarteter Stelle auf und zeigt ansonsten das Leben in einer Stadt der Zukunft. Eine lakonische Science-Fiction-Vision, der die glorifizierte Zukünftigkeit vollständig fehlt. Der erzählerische Ton, den die Geschichte getroffen hat, hallt bis heute nach. Man kann die Story in Sub-Genres wie Tech Noir oder Future Noir einordnen.

Zeichnungen für das Video ergänzt

In die Moebius-Original-Zeichnungen, die für das Video zum Motion-Comic animiert wurden, hat der Video-Macher an vielen Stellen eigene Zeichnungen eingefügt, um die Handlung zu ergänzen und für das Bewegtbild flüssiger zu gestalten. The Long Tomorrow war nämlich eine komplex gezeichnete Comic-Kurzgeschichte, die sich nicht so einfach animieren ließ, auch weil sie mit knapp geschnittenen Bildern gearbeitet hat. Die Ergänzung mit eigenen Zeichnungen mag man deshalb mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten.

Die Entstehung von The Long Tomorrow

1975, als die Vorbereitungen zum Film Dune (der dann nicht realisiert werden konnte) noch im vollen Gange waren und Dan O’Bannon anstatt Douglas Trumbull als Special-Effects-Mann angeheuert worden war, sah Moebius, dass O’Bannon, der noch nicht viel zu tun hatte, eine Comic-Kurzgeschichte geschrieben und gezeichnet hatte. Moebius war so begeistert davon, dass er O’Bannon fragte, ob er die Geschichte neu zeichnen und gestalten könne. O’Bannon willigte ein und Moebius machte sich an das Re-Design der bereits fertig gezeichneten Geschichte. Moebius selbst hat gesagt, dass O’Bannons Zeichnungen gut waren.

Der lange Schatten von The Long Tomorrow

Das ursprüngliche Hobby-Projekt oder Nebenbei-Projekt The Long Tomorrow sollte eine einflussreiche 16seitige Comic-Kurzgeschichten werden. Nicht nur Comicschöpfer, vor allem Regisseure wie Ridley Scott, Luc Besson, James Cameron oder George Lucas wurden vom realistischen, dreckigen und urbanen Stil der Geschichte, der in seiner Haltung vom zynischen Pessimimus des Film Noir geprägt war, beeinflusst. Ein Übriges tat der eingestreute fast parodistische Humor der ansonsten fast durchgehend ernsthaft vorgetragenen Geschichte.

Herzschmerz

Einfluss auf Sience-Fiction-Szene

The Long Tomorrow wurde wegweisend für die gesamte Science-Fiction-Szene. Nicht nur, dass er die Stimmung des Filmes Blade Runner vorwegnahm, der 1982 erschienen war und seinerseits ein Klassiker wurde. Auch der Incal-Zyklus zwischen 1981 und 1988, eine Science-Fiction-Albenserie um den Helden John Difool von Moebius selbst und Jodorowsky wurde davon inspieriert. Diese Comicreihe wurde ebenfalls ein wichtiger Teil der Comic-Kultur. Es war für Moebius nach Leutnant Blueberry die zweite erfolgreiche Serie mit Breitenwirkung. John Difool und der Incal inspierierten Filme wie Luc Bessons Film Das fünfte Element, der ihm als Regisseur den amerikanischen Markt öffnete. Moebius und Jean-Claude Mézières, der Zeichner von Valerian und Veronique (erscheint von Besson übrigens demnächst als Film) hatten am Design von Das fünfte Element mitgearbeitet.

Die Bestandteile der Comic-Kurzgeschichte

The Long Tommorow jedenfalls hatte einiges, was den Sience Fiction in jedem Medium interessieren sollte: Eine trockenen Realismus, die Kombination von düsterer Detektivgeschichte und Science Fiction, die Losermentatlität des im Erfolg scheiternden Helden und einen trocken-hintergründigen Humor, den man auch bei Moebius-Serienheld Arzach wiederfinden sollte. Wenn Moebius sich auf einen Autor als Sparingspartner konzentrieren musste, zeichnete er auch oft weniger verspielt und zeigte, wie realistisch und zugleich einfühlsam er ein Sujet visuell entwickeln konnte.

Jean Giraud ohne Genregrenzen

Moebius ist eine schillernde Figur gewesen, weil er Genregrenzen überwunden hat – und das gleich mehrfach und mannigfaltig. Zunächst war er mit Metal Hurlant, dem französischen Erwachsenencomic-Magazin, Wegbereiter für Comics mit Anspruch für eine erwachsene Leserschaft. Oft wird vergessen, dass das Erscheinen von Metal Hurlant nicht nur zu Ablegern in anderen Ländern geführt hat (so in Deutschland mit Schwermetall im Volksverlag verlegt oder in Amerika Heavy Metal), sondern in fast allen europäischen Ländern und in Amerika zu weiteren Comic-Magazinen geführt hat, die zwar meist kurzlebig waren aber den Anspruch der Comics als Kunstform zementieren halfen. Dazu gehörten Epic in Amerika, eine Zeit lang übrigens auch mit einem deutschen Ableger, Gummi In Belgien, Frank Frazetta’s Illustrated in Amerika und viele andere mehr.

Schlüsselwerk im Moebius-Oeuvre

Im umfassenden Werk eines Zeichners findet sich meist ein Schlüsselwerk, das man wie ein Scharnier betrachten kann. Es stellt einen Wendepunkt dar oder bringt etwas deutlich auf den Punkt, was sich angebahnt hat. Moebius hatte mit Alejandro Jodorowsky und einigen anderen Künstlern an den Vorbereitungen zu Dune, der Wüstenplanet, gearbeitet. Mit dabei waren zum Beispiel der Raumschiffdesigner und Illustrator Chris Voss oder Hans-Rudi Giger, der Designer des späteren ersten Alien-Filmes von Ridley Scott. Das Dune-Filmprojekt blieb in der Vorbereitungsphase stecken und wurde nie realisiert. Was aber blieb, waren die Kontakte der überaus kreativen Zusammenarbeit. Moebius sollte später noch viel mit Alejandro Jodorowsky kooperieren, zum Beispiel an den genannten Comic-Geschichten um John Difool oder bei anderen Alben- und Buch-Projekten. Wo Blueberry zum Comic-Klassiker des Mainstream wurde, war der Incal-Zyklus mit Alejandro Jodorowsky als Autor die Quintessenz der Zugänglichmachung für einen größere Käuferschicht. Und dass The long tommorow einflussreich geblieben ist, sieht man an einer Szene aus dem Ridley-Scott-Film „Prometheus – Dunkle Zeichen“ in der Alien-Filmreihe hier.