Maennchen

Manche Erkenntnis oder Eingebung setzt eine breite Flut an Assoziationen, Gefühlen und Gedanken in Gang, die über einen einstürmen. Diese inneren Prozesse sind im Augenblick des Empfindens kaum zu verarbeiten und später hat man sie vielleicht vergessen. Wie werden sie dennoch verarbeitet oder kanalisiert und welche Rolle kann Kunst dabei spielen?

Schwer fassbare Gefühle, komplexe Gedanken und sprunghafte Assoziationen lassen sich kommunikativ kaum einem anderen Menschen vermitteln. Einfache Worte greifen hier zu kurz und sind nicht aussagekräftig genug. Helfen kann ein Medium, das schwer beschreibbare Inhalte transportieren kann, wie der Roman oder ganz allgemein die Kunst.

Erfassung komplexer Inhalte

„Kunst“ – das ist in der Regel etwas, das man sehen und visuell erfassen kann. Das, was so beschwerlich nur mit vielen Worten zu beschreiben wäre, die sich zudem beim Lesen erst nach einer ganzen Zeit erschließen, ist visuell viel schneller zu erfassen, wobei aber gleichzeitig viel weniger exakt. Während Worte etwa in einem Roman relativ konkret und exakt beschreiben, worum es geht, spricht das Bild sofort die Sinne und die intuitive Wahrnehmung an und damit einen subjektiv-emotionalen Bereich.

Wie schnell funktioniert Sehen?

Zwei Drittel unserer Großhirnrinde sind mit der Aufnahme und Auswertung der visuellen Reize befasst. Es geht neben der Wahrnehmung auch um die Interpretation der Signale sowie um die Reaktion darauf. Eine Standard-Reaktionszeit ist nur etwa 300 Millisekunden lang, etwa in der Hälfte der Zeit ist der Sehimpuls bereits im Gehirn angelangt.

Denken oder Fühlen

Intuitiv reagiert man beschleunigt, zu denken ist dafür zunächst nicht notwendig. Denn Menschen reagieren auf Ausdrucksformen sehr unmittelbar. Man kann also vermuten, das komplexe verbale Inhalte eher die Chance haben, rational wahrgenommen zu werden, während visuelle Inhalte zunächst emotionaler betrachtet werden können. Die Emotion aber funktioniert schneller als die Ratio.

Kunst des Unverständlichen und Unnützen

Eine Wahrnehmungswelt jenseits der Worte kann unreflektiert funktionen. Vor allem bei der initiierenden Wahrnehmung funktioniert das erstaunlich gut. Kunst ist ein Medium, das die Sinneserfahrung schult und der Emotion das zeigt und offenbart, was die Ratio nicht verstehen kann. Kunst ist also nicht nur eine Vermittlungsebene für komplexe Inhalte sondern auch für all jenes, das der Verstand als unnütz abtun würde.

Weitere Kunsttagebücher:

  1. Was ist Kunst? Und warum nicht?
  2. Als die Nacht aus dem Blickwinkel des Tages unterbelichtet wirkte
  3. Warum Eitelkeit zur Kunst gehört und doch ihr Untergang ist
  4. Ziellosigkeit als Grundlage assoziativer Prozesse
  5. Kopfkino oder zeigen und weglassen im anspruchsvollen Film
  6. Warum die Größe einer Zeichnung ihre Aussage verändert
  7. Wann Form ein Inhalt sein kann
  8. Was könnte das sein?
  9. Gedanken-Gefühls-Bilder innerhalb einer Formgenese
  10. Die Welt ist voller Möglichkeiten oder Zufall und Entscheidung in der Kunst
  11. Über das „Zuviel“
  12. Wiederholung als Formoptimierungs-Prozess
  13. Der assoziationsoffene Raum
  14. Kunst und technisch-handwerkliches Können: Warum es besser ist, nichts zu können
  15. Methoden der Kunst: Durch Wegnehmen und Hinzufügen Bedeutungen erschaffen
  16. Der Kunsst
  17. Was ist Kunst?
  18. Künstler-Selbstbild: Skizze eines zufallsgesteuerten Lebens ohne anarchistische Romantik
  19. Beliebigkeit als Kunstprinzip: Über die vermeintliche Sinnlosigkeit assoziativer Folgerichtigkeit
  20. Langlauf oder Kurzstrecke? Das Intervall in der Kunst
  21. Der Künstler: Ein Assoziationsautomat
  22. Zeichnen und die Macht des Zufalls
  23. Vorhersehbarkeit und Offensichtlichkeit – über die Langeweile in der Kunst
  24. Offenheit, Inspiration, Assoziation – über den Wert von Einflüssen in der Kunst
  25. Hinz- und Kurzgeschichte: Als der Unterhaltungskünstler den ernsthaften Künstler traf
  26. Über die metaphorische Schwangerschaft der Bilder
  27. Über das Vorläufige und das Endgültige in der Kunst
  28. Warum Kunst ein Virus ist
  29. Kreieren und wiederholen: Warum Kunst nicht kreativ ist
  30. Das Unverwechselbare in der Kunst als Ausdruck der eigenen Unfähigkeit
  31. Das Ungefähre als das nicht Greifbare
  32. Offenheit, Inspiration, Assoziation – über den Wert von Einflüssen in der Kunst
  33. Der blinde Fleck und die Kunst der Betrachtung
  34. Kompetenz und Versagen als sich selbst bedingende Gleichzeitigkeit
  35. Kunst als Selbstdialog
  36. Ordnung und Chaos als Polaritätskonzept künstlerischen Wirkens
  37. Die Überforderung
  38. Eindeutigkeit und Wahrnehmung in der Kunst
  39. Kunst als Sprache
  40. Der Mangel als Ansporn
  41. Bedeutung und Orientierung als Ziele der Kunst
  42. Selbstbild und Seins-Inszenierung
  43. Kunst als Chiffre der Notwendigkeit
  44. Kunst als fortgesetzter Traum
  45. Idealismus oder Materialismus – Geld oder Leben!?
  46. Die Maslow-Bedürfnis-Pyramide oder fühlen und durchleben in der Kunst
  47. Wahrheit und Verdrängung
  48. Das Gefühl für die Dinge oder von der Schwierigkeit, Kunst zu definieren
  49. Zwischen Selbsttransformation und Fremdwahrnehmung
  50. Die Absolutheit der Ich-Perspektive
  51. Fehler machen als „Sesam-öffne-dich“
  52. Kunst und die Visualisierung des Nie-Gesehenen
  53. Jede Regel will gebrochen sein
  54. Die Intrinsik als Wesenszug