Das letzte Album von Michael Jackson zu dessen Lebzeiten, „Invincible“, war nach langer Zeit das erste lange Album mit durchgehend neuem Material. „HIStory – Past, Present and Future Book I“ war 1995 erschienen, ein Album, das zur Hälfte aus alten Songs bestand. „Invincible“ war 2001 erschienen – für einen Künstler unter Strom wie Jackson eine kleine Ewigkeit. Auch wenn zwischendurch 1997 noch „Blood on the Dance Floor – HIStory in the Mix“ erschienen war, ein Remix-Album, auf dem auch ein paar neue Stücke enthalten waren.

„Invincible“ wurde in der Produktion das teuerste Album aller Zeiten, es kostete viel Studiozeit, was man von Jackson inzwischen gewöhnt war, und eine kaum überschaubare Zahl an Gastmusikern gab sich bei den Sessions ein Stelldichein. Ob es 30, 60 oder 70 Millionen US-Dollar gekostet hat, bleibt dabei offen.

Michael Jacksons neue musikalische Arbeitsweise

Hatte Jackson früher drei Alben lang mit Quincy Jones als alleinigem Produzenten zusammengearbeitet, dann bei „Dangerous“ mit einem dreiköpfigen also noch überschaubaren Produzententeam, hat er ab „HIStory“ seine Arbeitsweise geändert. Hier arbeitete er mit zehn Produzenten, bei „Invincible“ waren es neun. Er hat damit eine Arbeitsweise angenommen, die auch bei anderen Künstlern aufkam und den perfekten, den Hochleistungs-Song, zum Ziel hatte. Diese Arbeitsweise, jeden Song durch viele Hände gehen zu lassen und immer weiter zu optmieren ist bis heute der Standard bei großen Pop-Musik-Produktionen. Der einzelne Song wurde zum Kronjuwel, das von vielen Händen – ob Produzent oder Autor – poliert wurde. So haben die meisten Songs auch nicht mehr einen Komponisten sondern einige.

Michael Jackson als Mastermind

Geschuldet war das auch den Rahmenbedingungen. Jackson hatte ab seiner Kindheit im Rampenlicht gestanden, hatte Musik geschrieben, produziert, arrangiert, zwei Jahrzehente lang ein Video nach dem anderen gedreht, Filme gemacht, Liveauftritte und Torneen absolviert und in allen Bereichen Außergewöhnliches geleistet. Ob als Tänzer, Sänger, Musiker, er tanzte im wahrsten Sinne des Wortes auf vielen Hochzeiten. Wer wollte da noch erwarten, dass er die Ruhe haben sollte, sich hinzusetzen und Songs zu schreiben und zu produzieren? Es wirkte inzwischen so, dass er wie ein Regisseur seine Musiker- und Produzententeams arbeiten ließ und am Ende seinen Stempel auf die fertige Produktion machte.

Musiker Prince als Konkurrent

Michael Jackson war älter geworden: als „Invincible“ herauskam, war er 43 Jahre alt. Zwischenzeitlich war er verunsichert, etwa durch den Erflog von Musiker Prince, dessen Album „Purple Rain“ ein Millionenseller wurde – auf 25 Millionen verkaufte Exemplare hat es das Album gebracht. Das war 1984, zwei Jahre nach dem Erscheinen von „Thriller“, und führte wohl mit dazu, dass Jackson, durch die starke Konkurrenz verunsichert, sehr lange an „Bad“ arbeitete, das 1987 veröffentlicht wurde. Obwohl Jacksons kommerzieller Erfolg ungleich größer war als der von Prince, galt Prince vielen als der kompetentere Musiker. Er konnte nicht nur singen und tanzen wie Jackson auch, er war ein begnadeter Gitarrist, Pianist, Komponist und Arrangeur, der ebenfalls einen ganz eigenen neuen Sound geschaffen hatte.

MissmutVorläufer-Video „Smooth Criminal“

Das Lang-Musikvideo zu „You rock my world“ aus „Invincible“ knüpfte mit einer Laufzeit von 13:32 Minuten an das „Smooth Criminal“-Video an. Regie bei „You rock my world“ führte Paul Hunter, ein schwarzer, sehr angesagter Werbeclip- und Musikvideo-Regisseur, der vorher Videos für R&B-, Hip-Hop- und Rap-Größen wie Snoop Dog, Puff Daddy, The Notorious B.I.G., LL Cool J, Ice Cube, Busta Rhymes, Usher, Missy Elliott, Lenny Kravitz, Eminem oder für Michael Jacksons Schwester Janet Jackson gedreht hatte. Das Video wiederholt Idee und Dramaturgie von „Smooth Criminal“, vereinigt darstellerisch Schauspiellegende Marlon Brando mit Michael Madsen und ließ andere bekannte Schauspieler auftreten wie Chris Tucker, der zum Beispiel 1997 im Quentin-Tarantino-Film „Jackie Brown“ und 1998 im Kassenhit „Rush Hour“ mitgespielt hatte, und Billy Drago, den Bösewicht aus „The Untouchables“, 1987 von Brian De Palma gedreht.

Imageprobleme und Neuorientierung

„Invincible“ war ein Album, das kommerziell etwas darunter litt, dass es in den USA wegen Streitigkeiten zwischen Jackson und seiner Plattenfirma kaum beworben wurde. Auch hatte Michael Jackson seinen Zenit überschritten. Zwar war er immer noch ein Perfektionist und Profi aber zu groß waren seine Erfolge in der Vergangenheit gewesen, als dass er sie noch einmal hätte toppen können. Sein Image hatte wegen Anschuldigungen bezüglich Kindesmissbrauch, unabhängig von deren Wahrheitsgehalt, längst gelitten. Auch forderte der persönliche Kraftaufwand, den er zu leisten hatte, der aber immer schwerer durchzuhalten war, seinen Tribut. Die weltweite Aufmerksamkeit, die ihn immer gepusht hatte, verkehrte sich ins Gegenteil. Der überlebensgroße „King of Pop“ war vom Thron gestolpert.

Plagiat und Ideenrecycling

Jackson wollte fehlende neue Impulse durch einen immer größeren finanziellen und personellen Aufwand ausgleichen. Tatsächlich betrat er mit „Invincible“ noch einmal einen anderen musikalischen Pfad, der weniger glatt geschliffen und teils härter oder musikalisch purer war. Die Schlüssigkeit und musikalische Vielfalt vergangener Alben hat er aber damit nicht mehr erreicht. All das völlig neue, das er ab den 1980er-Jahren in die Musikszene und die Videos gebracht hatte, hatte sich inzwischen etwas erschöpft. Das „You rock my world“-Video kann man in seinem Selbstplagiat im Hinblick auf „Smooth Criminal“ als Feststecken auf hohem Niveau betrachten, dennoch überzeugen Song und Video und sind gewohnt gute Unterhaltung. Aber schon das unglaublich aufwändige „Ghosts“-Video von 1996 war von seiner Grundidee her lediglich eine Paraphrase des „Thriller“-Videos gewesen. Das Musikvideo zu „You rock my world“ sollte das letzte überlange Bewegtbild-Kunstwerk des großen Musikers werden.