SinnCity. Wie verschieden eine theoretisch objektiv vorhandene Wirklichkeit und ihr Abbild sein können, darüber referiert Paul Watzlawick in diesem Audio-Beitrag. Er gibt viele Beispiele dafür, wie unterschiedlich man Wirklichkeit wahrnehmen kann und wie relativ diese Wahrnehmungen sind. Im Zweifelsfall unterscheiden sie sich bereits fundamental von Mensch zu Mensch. Dennoch: Was jeder Einzelne wahrnimmt, hält er für real.

Die Wirklichkeit als Verhandlungsgegenstand

Eine übergeordnete gemeinsame Realität, der viele zustimmen und die so allgemein gültig und akzeptiert wird, muss erst verhandelt werden. Wir verwechseln regelmäßig Wahrnehmung und Realität also Abbild der Realität bzw. Interpretation und Ordnung der Realität mit der eigentlichen, wahren Realität (sofern es eine solche gibt). Selbst über unsere Sprache und ihre Begrifflichkeiten formen und gestalten wir die Wirklichkeit schon, bevor wir sie überhaupt wahrgenommen haben.

Paul Watzlawick: Indirekte Wahrnehmung schafft indirekte Realität

Dabei können wir sie sowieso nicht direkt wahrnehmen, sondern nur indirekte Wirklichkeit erfahren und darüber kommunizieren, weshalb wir mittels unseres Erkenntnisvermögens die Realität regelrecht verbiegen. Watzlawick führt eine Fülle an Beispielen an, um dies unterhaltsam klar zu machen. Außerdem unternimmt er anhand von Zitaten und kleinen anekdotischen Geschichten einen Reise durch Philosophie und Naturwissenschaft und spickt seinen Vortrag so mit Auschaulichkeiten.

Sinnhaftigkeit und die Unsicherheit der Erkenntnis

Der Mensch ist demnach einer fortwährenden Unsicherheit in Bezug auf Realität und Erkenntnisgewinn unterworfen, dass es so weit gehen kann, dass er krank wird und an der Wirklichkeit scheitert – indem er zum Beispiel irrige Annahmen für die Realität hält. Zu leben heißt letztlich, die Wirklichkeit für sich zu konstruieren und damit individuell zu erfinden. Denn nur in der eigenen selbst geschaffenen Sinnhaftigkeit der Welt liege die Grundlage geistiger Gesundheit.

Sinnstiftung in der Bedeutungslosigkeit

Sinnstiftung und Beobachtung der Welt hängen zusammen, weil jeder Mensch seinen Beobachtungen automatisch eine Bedeutung zuschreibt. Der radikale Konstruktivismus befasst sich daher damit, wie wir Wirklichkeit konstruieren. Watzlawick sagt, dass wir die Wirklichkeit weder kennen oder wissen können, wir können nur sehen, was sie nicht ist. Denn die wirkliche Welt offenbart sich nur dort, wo unsere Konstruktionen scheitern. Dass wir die Welt nicht einfach vorfinden, sondern unsere Welten erfinden, ist einer der wesentlichen Grundgedanken des radikalen Konstruktivismus.

Der radikale Konstruktivismus und die Schablonen der Wirklichkeit

Prof. Dr. Paul Watzlawick, Psychotherapeut, Philosoph und prominenter Buchautor bringt diese Zusammenhänge hier im Audiovortrag kurzweilig auf den Punkt. Dabei sind seine Thesen der kleinere Teil und die Beispiele und Zitate der größere – weshalb der radikale Konstruktivismus hier mal konsumierbar geworden ist. Wir erfahren, dass Konstruktionen unsere Ordnung der Wirklichkeit bedingen, dass die Wirklichkeit, weil sie ein Konstrukt ist, regelrecht zusammenbrechen und neu errichtet werden kann und dass der Verstand selbst jene Ordnungsprinzipien der Natur schafft, deren Perfektion er hinterher bewundert.

Die Theorie als Rahmen der Beobachtung

Zu hören ist in dem Zusammenhang ein Zitat von Albert Einstein, das besagt, dass die Theorie selbst den einschränkenden oder begrenzenden Rahmen des Beobachtbaren darstellt, obwohl wir uns doch umgekehrt einbilden, wir würden wahrnehmen, um erst darauf basierend eine Theorie zu formulieren. Da wir aber vor jeder Theoriebildung von etwas ausgehen – allgemein gesagt: unserem Weltbild – schränken wir uns wahrnehmungs- und erkenntnistheoretisch fortwährend ein.

Welt und Weltbild

Es gibt zwar eine unabhängig von unserem Denken existente Welt, aber Verlässlichkeit erhält unsere individuelle Wirklichkeit nur durch unsere eigene sehr persönlich gefilterte Wahrnehmung. Wie paradox das sein kann, zeigt Watzlawick am Beispiel der sich selbst erfüllenden Prophezeihung, die das prognostiziert, was durch die Prognose erst eintritt: Die Prophezeihung des Ereignisses führt zur Realisierung der Prophezeihung. Kommentieren.