Alltags-Elefantasie

Das hat etwas von jener Kühnheit, die für Fans des Comic-Illustrators Jean Giraud (Pseudonym: Moebius) wichtig und vielleicht auch heilsam ist: eine kleine Dokumentation, die Comiczeichner Giraud in seinem Alltag zeigt.

Moebius realpolitisch

Ich kann leider kein Französisch und verstehe kein Wort davon, was da gesprochen wird aber es ist gut zu sehen, wie der Meister auf dem Markt einkauft, wie er nicht über dem Einkauf schwebt, sondern ganz konkret Weintrauben auswählt, wie er Avocados befühlt, wie er in eine Peepshow oder einen Sexshop und durch die Straßen geht.

Der bodenständige Visionär

Ein kleiner, alter Mann mit wenig Haaren, der gelassen und ganz normal seines Weges geht. Er lebt in der Wirklichkeit und sein Leben ist nicht so phantastisch wie in seinen Comics. Gerade bei Moebius, dessen Visionen so nah und real wirken, ist es interessant zu sehen, wie bodenständig er lebt. Die ersten 10 Minuten des Videos nun als deutsche Übersetzung:

Am Klavier

Er erzählt, dass er sich als Comiczeichner, der vor einem weißen Blatt Papier sitzt, die gleiche Einstellung aneignen wollte, wie die eines Musikers, der zu seinem Instrument greift. Ein Musiker verliert und vergisst sich. Und genau das versucht er in seinen Zeichnungen, durch die Farben, durch den Strich, auch durch das Thema. Merkwürdige, lustige Themen, die ihn in einen besonderen Zustand versetzen. Wenn er sich ans Klavier setzt, dann nimmt ihn seinem Kopf sofort eine Geschichte ihren Anfang und auch wenn er durch seine mangelnden musikalischen Fähigkeiten eingeschränkt ist, behindert ihn und die Geschichte das kein bisschen.

Auf dem Markt

Er erzählt, dass man als Kind nicht die Wahl hat, wie man sich ernährt. Er hat gegessen, was seine Mutter gekocht hat. Später dann hat er einige spirituelle Bücher gelesen. Er hat daraus geschlossen, dass die Ernährung eine Auswirkung auf die geistige Verfassung hat. Aus diesem Grund hat er dann begonnen, sich vegetarisch zu ernähren, ca. 12 Jahre hat er als Vegetarier gelebt. Er hat dann einen Artikel über Guy-Claude Burger gelesen und fand, dass die vegetarische Ernährung mehr Ideologie als Realität ist und hat damit aufgehört, weil er sich den wirklichen Bedürfnissen zuwenden wollte.

Die Straße entlang, Sexshop

Er erzählt, dass er sich auf eine fast zwanghafte Weise aber auch aus reiner Neugier für Sexualität interessiert, ist es doch der Bereich, der menschlichen Aktivität, der am seltsamsten, gleichzeitig am aufschlussreichsten und verwirrendsten ist. Und es sei die Gesellschaft, die einen in diese Art der Gefühle eintauchen lässt. Im Urwald gibt es keinen Sexshop, weil er nicht benötigt wird. Er selbst findet sich irgendwie heuchlerisch und hat zwei unterschiedliche Empfindungen. Wenn er in einen Sexshop geht, dann geht er natürlich dort hin, weil es ihm gefällt und konsumiert, aber gleichzeitig ist er auch der Zeichner und als Zeichner will er betrachten und verstehen.

Im Buchladen

Schreiben bedeutet Leiden. Und ein Autor schreibt, um nicht allein zu sein, um zu erfahren, dass die anderen, auch leiden, dass sie auch Angst haben. Es gefällt ihm, weil die Botschaft sozusagen verschlüsselt transportiert wird und man sich auf die Suche machen muss, um sie zu verstehen. Er liest aus Erregung, Verlangen, Lesen ist keine Pflichtaufgabe.

Billard

Er erzählt, dass er schon sehr jung mit dem Billardspielen angefangen hat. Zwischendurch zwar jahrelang nicht mehr gespielt hat, aber nie den Kontakt zu diesem Spiel verloren hat, weil er es extrem faszinierend findet. Es ist irgendwie schön, man muss präszise sein, die verwendeten Materialien, das Geräusch der Kugeln, wenn sie gegeneinander stoßen, die Regeln, all das gefällt ihm. Er erzäht, dass er auch gerne Schach spielt. Diese Art von Spiele beinhalten für ihn viel. Es fängt damit an, dass man jemanden haben muss, mit dem bzw. gegen den man spielt. Es geht um Freundschaft, Komplexität, Ungeduld, Aggressivität, man tötet den anderen, ohne im weh zu machen und man lässt sich töten, ohne böse zu werden.