Chicsaal. In der Popmusikkultur gibt es einige Künstler, die es vermochten, Genre-Grenzen zu überwinden und einen Einfluss auf unterschiedliche Musikstile und -Arten zu nehmen. Die Gruppe Chic war so ein Phänomen. Chic ist eine Discoband gewesen, 1976 gegründet und bis 1983, dem Niedergang der weltweiten Discomusikwelle, aktiv. Die Band hatte mit Dance Dance Dance, Le Freak und Good Times innerhalb kurzer Zeit Welthits. Was aber fast noch wichtiger war, war, dass die musikalischen Köpfe der Band, der Gitarrist  Nile Rodgers und der Bassist Bernhard Edwards ein Songschreiber- und Produzenten-Duo bildeten, das zahlreiche weitere Hits für andere Künstler schuf. Darunter Sister Sledge mit Stücken wie Lost in Music oder We are Family sowie Diana Ross mit I’m Coming Out.

Das führte dazu, dass der Chic-Sound sowohl parallel zum Erfolg von Chic als auch lange nach Wirken der Band allgegenwärtig war, zumal die Chic-Musiker kompetent und kreativ gleichermaßen waren. Als Instrumentalisten waren sie gleichermaßen Könner wie auch Innovatoren: Das typische Gitarrenspiel von Nile Rodgers, die Basslinien von Bernhard Edwards, das akzentuierte Schlagzeug von Tony Thompson und der Gesang von Luci Martin und Alfa Anderson wirkten wie die Blaupause populär-tanzbarer Musik in den 1980er Jahren. So ließ sich beispielsweise die Rockband Queen (Another One Bites The Durst) von ihnen inspirieren. Später sollte Nile Rodgers ein äußerst umtriebiger Produzent und Studio-Musiker werden, der solche Acts wie Duran Duran oder Inxs zum Megaerfolg führte, für Madonna (Like a Virgin) und Mick Jagger von den Rolling Stones (She’s the Boss) arbeitete und David Bowie (Let’s Dance) zu seinem durchschlagenden Comeback verhalf.

Partner Bernhard Edwards verstarb 1996, nachdem Chic sich 1992 noch einmal neu formiert und die Platte Chic Mystique eingespielt hatte. Drummer Tony Thompson starb 2003 an einem Krebsleiden. Die musikalische Chic-Welt zerfiel, auch wenn sich die Wege von Rodgers und Edwards lange vorher verlaufen hatten. Chic hatten anspruchsvolle Musik gespielt, die im Disco verortet war, mit dieser kurzen Welle berühmt wurde und mit ihrem Verebben wieder genauso schnell wie sie gekommen war, in der Versenkung verschwand. Musikalisch synthetisierten Chic Soul und Jazz, so wie auch in R&B und z.T. Rockmusik. Die Band war in ihrer Musikalität, in ihrer Unverwechselbarkeit und in ihrem Schaffen einer neuen Art von Pop-Musik Vorbild für viele Musiker unterschiedlichster Stilrichtungen zwischen Soul, Funk und Rock.

Wie sich später herausstellen sollte, kam das ambitioniert-Stilsichere von Chic in nicht unerheblichem Maß durch den Einfluss des Bassisten Bernhard Edwards, denn Nile Rodgers, so fähig er als Songschreiber, Gitarrist und Produzent auch ist, hat alleine immer mal wieder geschmacksmäßig daneben gegriffen – mit Edwards zusammen aber nie. Auf Rodgers zweitem Soloalbum stehen feinsinnige neben plumpen Stücken. Auch was er all die Jahre in Remixes und in Liveauftritten aus dem alten Chic-Stil gemacht hat, ist nicht immer stilsicher. Rodgers scheint die Auseinandersetzung mit einem musikalischen Partner zu brauchen – so geschehen wieder bei den Arbeiten mit Daft Punk am Album Random Access Memory, für das Rodgers mehrere Stücke beisteuerte, unter anderem das sehr erfolgreiche Get Lucky.

Rodgers tourte gerade in der letzten Zeit mit einer neu zusammengestellten Liveband. Er war an Krebs erkrankt, hatte lange Zeit den Tod als Option vor Augen und gab als Livemusiker nochmal alles. Schließlich wurde er wider Erwarten geheilt, es kam der große Erfolg mit Get Lucky – und Nile Rodgers war wieder in aller Munde. Nach der Kolloboration mit Daft Punk war Rodgers euphorisch und kündigte Überlegungen an, mit den beiden Machern von Daft Punk ein neues Chic-Album aus der Taufe zu heben.

Am 20.03.2015 soll die neue Chic-Single I’ll be there erscheinen, die oben im Video kurz angespielt wird und im Juni das Album – das erste Chicalbum seit 1992, seit ganzen 23 Jahren. Ein Kreis schließt sich. Während Edwards und Rodgers früher hinter bekannten Namen verschwanden, als die maßgeblichen Drahtzieher im Hintergrund, die in der Öffentlichkeit aber niemand kannte, ist Rodgers immer mehr dazu übergegangen, seinen Namen als Marke zu etablieren. So nennt sich Chic jetzt Chic featuring Nile Rodgers. Auf dem neuen Album soll Nicky Romero mit dabei sein, so wie auch seine DJ-Kumpel Avicii und David Guetta. Einen Vorgeschmack auf das neue musikalische Schaffen mag der neue Nile-Rodgers-Song Do What You Wanna Do geben, der im letzten Jahr als Solo-Single erschienen ist, nicht als Chic-Stück. Ein poppig anmutendes Stück, nicht ganz stilsicher arrangiert. ;-) Nachfolgend kann man reinhören. Kommentieren.