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Hot Bertaa: Philippe Starcks Küchen-Alien

Philippe Starck, der französische Überdesigner, bringt alles Denkbare in dankbare Formen.

Vor kurzem gab mein schöner Wasserkessel berufsbedingt den Geist auf. „Berufsbedingt“ bedeutet: Ich war nachts im Arbeitszimmer während erst das Wasser und dann der Kessel ohne Wasser stundenlang vor sich hinkochte.

War er also dahin. Ich ging los, um mir einen neuen Wasserkessel zu kaufen. Ich gebe zu, ich habe ein paar Ansprüche daran: Er soll nicht zu groß sein, am besten komplett aus Metall, gut aussehen, schnell erhitzen. Mein bisheriger Kessel sieht übrigens so aus:

Mein alter Wasserkessel: Ganzmetall, kompakte Form, gutes Design, die Griffe werden nicht heiß aber die Flöte hat zu schnell nicht mehr geflötet.

Kesselnotstand: Wasserkocher killt Wasserkessel

Ich fand in mehreren Städten nur einen Kessel, den ich annehmbar fand. Der war allerdings zu groß und zu teuer. Eine kleinere Version hätte erst bestellt werden müssen. Ich war erstaunt, dass die Auswahl so gering ist. Offensichtlich ist der Wasserkessel als Problemlöser vom Wasserkocher längst überholt worden, dessen Auswahl und Preisvarianz inzwischen erheblich größer ist. Der erhitzt das Wasser auch schneller. Ein klarer Produktvorteil.

Die Rettung: „Hot Bertaa

Zuhause angekommen kam mir der Zufall zu Hilfe. Ich hatte mir vor Jahren „Hot Bertaa“ gekauft, ein Design-Teil, das ich aber nie benutzt hatte. Der stand jetzt in der Küche auf dem Schrank, und ich hatte komplett vergessen, was er eigentlich war: Ein Wasserkessel. Man sieht es ihm zwar nicht an, aber er verkörpert eine komplexe Auseinandersetzung mit dem Thema „Erhitzung von Wasser“. An dieser Stelle müßte ich noch hinzufügen: Er war seiner Zeit weit voraus. Er hat in jedem Falle ein einprägsames Äußeres:

Hot Bertaa: Wirkt japanisch oder sonstwie fernöstlich, verkörpert eine reduzierte Formensprache und erhitzt auch noch Wasser.

Doch keine Rettung: Der Aluminiumkessel lag wie Blei im Regal

Von dem puristisch-futuristischen Kessel wurden zwischen 1990 und 1991 nur 25.000 Stück hergestellt, dann wurde die Produktion eingestellt, ein Mißerfolg. Entworfen hat das gute Stück Philippe Starck, ein prägendsten Objektdesigner vor allem der 80er und 90er Jahre. Auftraggeber war Alberto Alessi gewesen, und der alte Fuchs verkauft den Mißerfolg grandios. Im „Brand 1“-Interview macht er aus der Niederlage einen Gewinn, indem er es für überlebenswichtig erachtet, auch Mißerfolge zu haben, weil nur die ein Unternehmen immer wieder aufrüttelten.

Der kleine Unterschied: Vom Prototyp zur Serie

Er schiebt diesen Mißerfolg darauf, dass die Planung vorsah, dass beim Kochen kein heißer Wasserdampf austreten sollte, was eine Innovation gewesen wäre. Bei den Prototypen hätte das auch noch funktioniert, nicht aber in der Serienproduktion. Es ist die Frage, ob es eine Käuferschaft vergräzt, wenn der neue Kessel wie alle anderen Wasserdampf ausstößt. Alessi sagt aber auch, die Käufer wollten keinen Kessel, für den man eine Gebrauchsanweisung brauche. Das trifft ins Schwarze. In der Tat habe ich ziemlich lange gebraucht, herauszufinden, wie ich den Kessel mit Wasser befüllen kann.

Dieser Wasserkessel macht eine gute Figur: Hot Bertaa erhitzt nicht nur sondern sieht auch heiß aus.

Geheime Verschlußsache: Der Rollerball-Mechanismus

Der Corpus ist komplett geschlossen. Das kurze Ende links im Bild ist der Ausgießer, befüllt wird der Wasserkessel durch das breite Rohr rechts, das gleichzeitig auch der Anfasser ist. Will man Wasser ausgießen, neigt man den Kessel so weit, dass das Rohr relativ senkrecht steht. Dies ist aber auch die Position, in der man den Kessel erst mit Wasser befüllen kann. Die Logik legt es einem aber nahe, dass so das Wasser wieder herauslaufen müsste – was aber nicht der Fall ist, weil ein Kugelmechanismus zwischen diesen beiden Teilstücken den Ausgießer verschließt.

Der Grund für den Mißerfolg mag vielschichtig sein:

Zum einen kauft man vermutlich nichts gerne, was nicht so aussieht, als hätte es die ihm zugeschriebene Funktion. Soll heißen: Ein Wasserkessel sollte aussehen wie ein Wasserkessel. „Hot Bertaa“ tut das aber gar nicht. Dann habe ich es gerne, wenn ich in den Kessel hineingucken kann. „Hot Bertaas“-Corpus jedoch ist vollständig geschlossen, es kann auch nichts abgeschraubt werden, was Einblick gewähren würde. Nimmt man noch hinzu, dass man den Kessel sehr ungewohnt in die Hand nehmen muß und dass ergonomisch unklar ist, wie er zu befüllen wäre, fehlt nur noch ein Argument: Das Material ist unter Umständen nicht klar definierbar. Der Cropus besteht aus Aluminium, am Anfang dachte ich, es könnte auch ein Hartkunststoff sein. Den jedoch auf eine hohe Temperatur zu erhitzen, läßt sch ebenfalls schwer vorstellen.

Fazit: Das Ding funktioniert

So bleibt dieses Wunderwerk an Kessel, das gut funktioniert, wenn man einmal weiß, wie’s geht, gerade am Anfang etwas geheimnisvoll. Ich habe den Kessel seit ein paar Tagen im Gebrauch, es funktioniert alles einwandfrei. Hat allerdings 10 Jahre gedauert, solange stand er unbenutzt irgendwo bei mir herum. Ein Fremdkörper, der nur gut aussieht, ist der Wasserkessel nun nicht mehr.

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