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Redewendungen und Begriffe: Die drei Kategorien der Jugendsprache

Gesichter

Die Jugendsprache ist vielfältig und bringt ständig neue Begriffe und Ausdrucksarten. Kaum ein Bereich der deutschen Sprache ist so variantenreich, auch weil die Jugendsprache eine Schnittstelle zu anderen Sprachen ist. Und das sind gerade über den Einfluß der Rap-Musik auf die Jugendkultur mehr Sprachen, als man meinen mag.

Doch man kann sie kategorisieren und für den Ursprung von Begrifflichkeiten der Jugendsprache neben der Nutzung bestehender Worte aus der Alltagssprache drei Bereiche unterscheiden:

Kategorie 1: Wort-Import – „Judgen“

Worte werden gerne aus anderen Sprachen entlehnt. Zum Beispiel „judgen“ für „(ver)urteilen“, „negativ beurteilen“ oder „richten“. Es kommt vom Englischen „to judge“. Ins Deutsche gelangen vermehrt Worte aus dem Englischen oder Türkischen. Man beachte dabei aber, dass gerade Rap-Musiker in Deutschland Begriffe aus unterschiedlichen Sprachen verwenden und diese kombinieren. Der Rapper „Haftbefehl“ etwa nutzt in seinem Song „Chabos wissen wer der Babo ist“ Begriffe aus sieben verschiedenen Sprachen.

Kategorie 2: Wort-Bedeutungsänderung – „Babo“

„Babo“, steht im deutsch-türkischen Rap-Slang für eine „besondere Person“, eine „Persönlichkeit“, einen „Chef“, „Boss“, „Anführer“ oder allgemein für eine „Respektsperson“. Damit ist „Babo“ ein importierter Begriff mit veränderer Bedeutung. Zum Teil wird seine Bedeutung im Straßenslang so unscharf verwendet, dass „babo“ zum adjektivischen Aufwertungsbegriff wurde, der alles bezeichnet, was als besonders oder außergewöhnlich empfunden wird. „Das ist baba“ bedeutet: „es ist etwas Besonderes“. Wobei der Begriff oft eine maskulin-dominante Konotation hat und damit Ausdruck einer Autoritätszuweisung ist. Das kommt nicht von ungefähr: Das verwandte „Baba“ wird im Orient unter anderem für „Vater“ oder „Großvater“ aber auch für „Großmutter“ verwendet. Im Türkischen ist „Baba“ die Ehrenbezeichnung für einen Geistlichen. „Babo“ war 2013 das Jugendwort des Jahres und hat seinen Ursprung wohl in der Sprache „Romani“ der Roma im Balkan und der iranischen Zaza-Sprache, die oft als kurdisch(-türkisch)er Dialekt bezeichnet wird. Begriffe aus dem Romani pflanzten sich zum Teil über die sogenannte Gaunersprache, als dessen deutsche Variante das Rotwelsch gilt, in die Straßensprache fort. Größere Verbreitung erhielt der Begriff „Babo“, weil er vom Rapper Haftbefehl = Aykut Anhan über dessen Lied „Chabos wissen wer der Babo ist“ im Zeitraum 2012/2013 Verbreitung fand. Mit Chabo ist hier „Junge“ oder „Bruder“ gemeint. Haftbefehls Vater hat übrigens zazaisch-kurdische Wurzeln und stammt aus der Osttürkei.

Kategorie 3: Wort-Neuschöpfung – „Fernschimmeln“

Wortneuschöpfungen werden oft aus mehreren Wortteilen vorhandener Begriffe zusammengesetzt und abgewandelt. Dazu zählt zum Beispiel „fernschimmeln“: Wenn ein Lebensmittel zu lange herumliegt, fängt es an zu schimmeln, und wenn jemand nicht dort, wo er sonst ist, abhängt, chillt, ausruht, schläft oder pennt, betreibt er „fernschimmeln“ – ein augenzwinkernder, metaphorischer Begriff, der assoziativ auch mitteilt, dass jemand woanders ist als sonst, auf Achse und unterwegs, dass er etwas unternimmt, bei jemandem ist. Auch aus „rumhängen“ oder „woanders abhängen“ kann so „fernschimmeln“ werden – wobei man mit einer klanglichen Anleihe auch ganz leicht „fernchillen“ draus machen könnte. Die Kreativität liegt in der witzigen Metaphorik.

Ein anderer Begriff wie „Napflixen“ bezieht sich auf den Marktführer für das Filmstreamen, „Netflix“, und wandelt ihn mit der klangähnlichen englischen Vorsilbe „Nap“ ab, die übersetzt für „Kurzschlaf“, „Schläfchen“ oder „Nickerchen“ steht. Denn „Komaglotzen“ (= „Binge Watching“, das heißt Folgen einer Fernsehserie hintereinander weg schauen) und „Napflixen“ gehören wie Faust auf’s Auge. Übrigens bedeutete „Faust auf Auge“ ursprünglich, dass etwas gar nicht zueinander passte, inzwischen, durch die ständige Wiederholung der Redensart und einen Gewöhnungseffekt, hat sich seine Bedeutung ins Gegenteil verkehrt. Die richtige Bedeutung erschließt sich nur über den Sprachkontext, den Sinnzusammenhang.

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