Hast du dir mal vorgestellt, wie es sein würde, könntest du alles machen und dir alles erlauben, wodrauf du Bock hast? Ohne Rücksicht auf Verluste? Wie es etwa wäre, alles, was in einem ist, das man normalerweise zurückhalten würde, zu äußern, nein, nicht zu äußern, sondern herauszubrüllen? Also nicht mehr der schweigenden Mehrheit anzugehören, sondern laut zu schreien, was man empfindet? Und dann noch auf offener Bühne mit Zuhörern? Sodass die Welt es hören kann!
Wie wäre es, dem inneren Kind, das ständig beleidigt ist und mitteilen will, wie schlecht es ihm geht, Raum zu geben? Endlich Aufmerksamkeit zu kriegen, endlich jemanden zu finden, der einen gut findet, obwohl man eine Heulsuse ist? Ein Blick ins Social-Media-Leben von egomanischen Milliardären, die Kinder geblieben sind, offenbart ein entfesseltes Innenleben, das genau das erreicht hat: die Grausamkeit des kleinen Kindes nach außen zu tragen, allerdings etwas zeitverzögert – erst nun im Erwachsenenleben.
Hass als Kommunikationsform
Donald Trump schreibt Postings des Hasses, in denen er Strafverfolgungsbehörden, Ermittler, Ankläger, Richter oder jeden, der etwas gegen ihn hervorbringt, beschimpft. Elon Musk lebt in seiner rechtsextremen Bubble, macht sich gemein mit Ron DeSantis, Andrew Tate und Tucker Carlson. TwiXter ist zur toxischen Spielwiese für alle Arten von Menschen geworden, die all das verkörpern, was krank und hasserfüllt ist. Neonazis starten Umfragen zur Macht der Juden auf der Welt, Tucker Carlson verbreitet seine Lügen- und Verschwörungsgeschichten, Incels und viele, die sich einfach „konservativ“ nennen, sind gegen die Gleichberechtigung der Frau und gegen Frauenrechte an sich. Aus jeder Zeile dieser vermeintlich Benachteiligten dringt, dass sie zu kurz gekommen sind, von der Welt übervorteilt wurden, dass es ihnen schlecht geht – oder, dass sie nicht wollen, dass es anderen gut geht.
Die dunkle Radikalisierung
Jedes Posting eines Elon Musk offenbart tiefgreifende Gekränktheit und Verletztheit, handelt von kompensierten Minderwertigkeitsgefühlen und einer posttraumatischen Belastungsstörung eines Mobbingopfers. Manchmal könnte man meinen, dass solche Figuren in ihrem Leben nichts Anderes haben als die Sucht nach Aufmerksamkeit: Wer aus sich selbst heraus niemand ist, weil er nie erwachsen geworden ist, braucht die Anerkennung vieler, um sich mächtig und gut zu fühlen. Das ist das Star-Syndrom, das schwache Menschen wie den eingeschnappten Elon Musk, den lügenden Donald Trump oder den zornigen Jordan Peterson, der die Geschichte des Mann-Seins als Trauerspiel zelebriert, befallen hat. In ihrer Sucht nach Zuspruch haben sie sich immer weiter radikalisiert und ihr dunkles Innerstes nach außen gekehrt. Tief innen verborgen war das, was jedem Menschen innewohnt: Mißerfolge, Kränkungen, das Gefühl, nichts wert zu sein, keine wirklichen Freunde zu haben, nicht liebenswert zu sein.
Infantile Politik
Der Begriff des sogenannten „Enfant terrible“ (= das „schreckliche Kind“), bezeichnet jemanden, der provoziert, heutzutage im Internet trollen muss, und zügellos Grenzen des Mach- und Sagbaren verschiebt – eigentlich also geht es um einen Menschen, der aneckt, weil er als Erwachsener, der ein kleines Kind geblieben ist, Aufmerksamkeit braucht. Die Öffentlichkeit hat die Funktion eines Mutter- oder Vaterersatzes. In ihrer Selbstwahrnehmung werden sich Elon Musk oder Donald Trump als starke und mächtige Figuren sehen. Beobachtet man Trump, so sieht man in vielen seiner Interviews, in denen er ständig den Satz „I’ve done nothing wrong“ oder „I did nothing wrong“ (= „Ich habe nichts falsch gemacht“), dass er tatsächlich wie ein Kind spricht.
Krankheit „Milliardäritis“
Was also würde man machen, wäre man der reichste Mann der Welt? Früher hätte man sich darauf beschränkt, den Insignien eines Luxuslebens zu frönen: man wäre auf lange Reisen gegangen, hätte vom Kauf schneller Autos oder großer Yachten berichtet oder teuren Schmuck in die Kameras der Boulevard-Presse gehalten. Man hätte sich mit berühmten Leuten umgeben. Heute entäußert sich manch rechtsgerichteter Milliardär auf Social Media und tut, was man eigentlich nicht tun sollte: Man verbreitet Ressentiments und Hass, bläst zur Jagd auf Andersdenkende und Andersartige, gegen die Gleichberechtigung der Frau, gegen andere Ethnien, andere politische Meinungen – Wut als Ablenkungsmanöver von einer Politik, die Freiheiten einschränken oder abschaffen will.