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Hochglanz-Oberflächen können rutschig sein: Suizid oder das Ende von Gunter Sachs‘ Flucht vor seinem Medienstigma

Gunter Sachs wollte lieber sterben, als ein Alzheimerkranker zu sein, der nicht mehr über sich selbst bestimmen kann. Was hat er in den spiegelglatten Lackierungen seiner Sportwagen gesehen?

Der Multi-Millionär Gunter Sachs hat sich am 7. Mai 2011 das Leben genommen. Sachs war Sproß einer Groß-Industriellen-Familie (und schon sein Vater hatte sich selbst gerichtet). Der auch noch im hohen Alter als „Playboy“ Titulierte hatte Angst gehabt, ein Leben als Alzheimer-Kranker führen zu müssen und sich deshalb erschossen.

Hinter der der Fassade des Lebemanns, des Playboys und Frauen-Verstehers verbarg sich ein Depressiver. Wie viele andere, die auf die Welt gekommen sind und schon finanziell ausgesorgt haben, hat Sachs nachdem er seine Aktien zu Geld gemacht hatte, nach Beschäftigung und Tätigkeit – dies „Arbeit“ zu nennen, wäre zu hoch gegriffen – gesucht, die seinem materiell sorgenfreien Leben einen Sinn geben sollten. Natürlich war das hoffnungslos.

Multi-Millionär, Medien-Liebling, Kunstkenner

Sachs führte früh ein Leben in der Öffentlichkeit, wurde zur Medienfigur und war zu Zeiten, als es den Begriff „Paparazzi“ in seiner heutigen Form noch nicht gab, ein gefundenes Fressen für Yellowpress, Männer-Magazine und allgemein die Medien-Berichterstattung als einer der Stellvertreter der High Society, so etwas wie der Vorläufer der heutigen Medien-Produkte, deren pure Existenz schon Nachrichten erschafft. Offenbar konnte er deshalb auch nicht anders, als zum wiederkehrenden Hauptmotiv seiner Fotografien die Physis der Frau zu machen. Schließlich war Gunter Sachs, nicht zuletzt wegen der dreijährigen Ehe mit Brigitte Bardot, der Inbegriff des sogenannten „Playboys“. Viele öffentliche Auftritte auch im Fernsehen waren dieser Positionierung geschuldet.

Depressiv im Medien-Rummel

Bitter mag es für einen Menschen sein, dass durch seine eigene Selbst-Stilisierung die eigentliche Persönlichkeit in der Öffentlichkeit zweitrangig wird. Der Mensch verschwindet hinter dem Image – bis zur Unkenntlichkeit. Gunter Sachs hat sich gegen diese oberflächliche Wahrnehmung durch seinen Hang zur Kunst gewehrt. Er wurde als Fotograf und auch als Dokumentarfilmer anerkannt, dabei standen die formalen Aspekte seiner Arbeiten im Mittelpunkt, ein stilbildendes Schwergewicht war er aber nicht. Man mag sein Leben der materiellen Fülle als Suche danach sehen, etwas zu finden, um dem Überfluß, der die geistige Leere beflügelt, zu entkommen. Am Ende standen aber wohl Depression und Lebensüberdruß.

Gunter Sachs: Ein Leben für die Kunst

Im Akt des Selbstmordes stellte Gunter Sachs am Ende noch einmal die Selbst-Bestimmung über sein fast 80jähriges Leben in den Mittelpunkt – etwas, das ihm letztlich wegen der Eigen-Dynamiken der Medienwelt, deren Produkt er war, und der Mehrfachspiegelung zwischen Fremd- und Selbstbild, verwehrt blieb. Er schrieb in seinem Abschiedsbrief, dass er nicht leben wolle, wenn er Gefahr laufe, seinen Verstand zu verlieren. In seinem Wirken für die Kunst, für Ausstellungen, Museums- und Galerie-Tätigkeit hat er einen anderen Gunter Sachs formulieren wollen, als den, der „Playboy“ genannt wird. Ganz entkommen wollte er seiner Eitelkeit aber wohl auch nicht, sie war Teil von ihm. Der Freitod ist ein Bruch im Medienbild, das denen, die den Menschen hinter der Figur vergessen hatten, zu denken geben sollte.

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