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Rückblick auf das Jahr 2017 (3): Das denkende Smartphone als Ich-Prothese

Nachdem das Smartphone immer neue Funktionen über die Apps zur Verfügung gestellt hat, stellte sich irgendwann die Frage, was das Smartphone zukünftig denn noch sein könnte. Natürlich gibt es Apps für 1.001 Anwendungen. Aber die Frage ist, welche grundsätzlich relevanten neuen Funktionalitäten für den durchschnittlichen Smartphonenutzer zu erwarten sind. In 2017 hat sich diesbezüglich etwas Interessantes offenbart.

Das Smartphone war 2017 seit 10 Jahren Mädchen für alles Mögliche. Dazu gehörten folgende Hauptfunktionen:

Smartphone: Hassgerät und Unmittelbarkeitsmaschine

Das Smartphone hat businessmäßig Schnelligkeit und Standortunabhängigkeit gebracht. Es war im Privaten schon immer das verlängerte Ich oder sogar eine Krücke des Ichs, vor allem ein Hassgerät, mit dem manche selbst unterwegs hemmungslos darstellen konnten, wie bedenklich der eigene Gemütszustand daherkommt. Einsamkeit und Hass, früher im stillen Kämmerlein kultiviert, erblickten nun das Licht der Öffentlichkeit. Institutionalisiert wurde dieser Hass, bei dem die Internetkultur und das Smartphone eine große Rolle spielen, in Deutschland durch das Erstarken der AfD. Das Smartphone ist kommunikativ gesehen eine Unmittelbarkeitsmaschine. Wo es früher gesellschaftliche Filtersysteme gab, die Zugang zu Massenkommunikation in den Händen Privilegierter beließen, überschwemmen nun Hater gerade in Deutschland konsequenzlos das Internet mit Schwachsinn. Das reicht von Verschwörungstheorien über krude Weltanschauungen und endet beim Hasskommentar im sozialen Netzwerk. Mobilität und ständige Vernetzung haben aus dem Wunderwerk Smartphone gerade in den sogenannten sozialen Netzwerken zu noch mehr Hemmungslosigkeit geführt.

Ein neues Zeitalter mit Apples iPhone 10 und Googles Pixel 2

In Echtzeit und just in time technisch möglich gemacht hat das das flächendeckende Internet, auch das mobile Internet per Smartphone, das sich vernetzende Kommunikation überall ermöglicht hat. Als Apple in 2017 sein Jubiläums-iPhone „iPhone X“ herausgebracht hatte, drang weithin noch einmal ins Bewusstsein, dass das heutige Smartphone-Konzept in seiner massentauglichen Ausführung gerade einmal 10 Jahre alt ist. Zwischendurch hatte man jedoch ein paar Jahre lang und dann immer mal wieder den Eindruck, als hätte das Smartphone als Gerätetyp seine technischen Möglichkeiten weitestgehend ausgereizt und alles, was noch kommen würde, wäre Detailarbeit oder die Verbesserung von Funktionen, die nicht mehr der große, alles verändernde Wurf sein würden. Mit dem iPhone X oder Googles Pixel 2-Smartphone hat sich einiges geändert. Warum das Smartphone als persönlicher digitaler Assistent eine aus heutiger Sicht nicht endende Renaissance erleben wird, wurde daran klar. Wobei man den Begriff „Smartphone“ überdenken sollte.

Die Gadgets der Zukunft

Denn das, was wir heute Smartphone nennen, könnte seine Form grundlegend ändern. Während in der kurzen Geschichte des Smartphones seine grundsätzliche Form sich nicht sehr geändert hat, sind den Visionen keine Grenzen gesetzt. Bisher entfaltet sich mobil vernetztes Internet vor allem über den kleinen Bildschirm-Computer „Smartphone“. Seit Ende 2016 habe ich eine Mütze, in der der Kopfhörer unauffällig integriert ist. In der Mütze ist auch ein wieder aufladbarer Akku mit USB-Aufladeanschluss enthalten, ausserdem sind die Kopfhörer Bluetooth-fähig. Ich kann die Mütze also völlig problemlos mit meinem Smartphone koppeln und drahtlos Musik hören. Dabei ist diese Mütze kein teures High-End-Produkt: sie ist von Tchibo vertrieben worden.

Smart Fashion: Wird sich das Smartphone überleben?

Das Smartphone ist heutzutage ein hochgradig mobiler digitaler Helfer. Die Betonung liegt auf „mobil“. „Mobilität“ ist aber gleichzusetzen mit „Alltagsintegration“. Sollen mobile Internetfunktionalitäten noch mobiler werden, müssen sie noch stärker in den Alltag des Nutzers integriert werden. Denkbar wäre deshalb, dass die Funktion des digitalen Helfers verschiedene andere Gadgets übernehmen, ob Brille, Kontaktlinse, Ring, Ohrring, Halskette, Armband, Uhr, Handschuh oder der smarte Helfer als integrativer Bestandteil in und von Kleidung. Etwa integriert in Ärmel oder Kragen. „Smart Fashion“ ist in der Entwicklung, bald wird Kleidung durch die weitergehende Miniaturisierung etwa von Chips, Akkus, Mikrofonen und Lautsprechern per Mikrointegration noch mehr zum Bestandteil von Kleidung. Man benennt diese neue Art körpernaher Produkte, die das mobil vernetzte Internet noch näher und selbstverständlicher an den menschlichen Körper bringen mit Begriffen wie

Das kann Alltagskleidung sein aber auch Spezialkleidung zum Beispiel für bestimmte Sportarten. Bedenkt man, dass die moderne LED-Technik sogar die Forschung bezüglich Bildschirmen aus Stoff vorantreibt, sieht man, wie weitreichend die Entwicklung sein kann. Dabei würden Funktionen des jetzigen Smartphones durch andere weniger sichtbare und noch kleinere Gadgets ersetzt oder ergänzt werden. Wird das Smartphone also verschwinden, obwohl in 2017 zum ersten Mal eine neue Generation mit integrierter Künstlicher Intelligenz vorgestellt wurde?

Das Smartphone: Ein Auslaufmodell?

Aus heutiger Sicht ist es schwer vorstellbar aber wenn Funktionen wie das Telefonieren vom Smartphone weg verlagert werden, könnte es funktional entwertet werden. Andererseits ist das Smartphone als miniaturisiertes Bildschirmgerät visueller Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Amazons Alexa oder Google Home zeigen, dass sich die Kommunikation über das Internet über Audio vom Smartphone weg verlagern kann. Doch auch Wearables setzen auf die Sammlung und Darstellung von Daten – und der Ort dafür ist bis jetzt das Smartphone. Wird es also das Smartphone in seiner jetzigen Form nicht mehr geben? Einerseits ist denkbar, dass durch die weitere Miniaturisierung und die Weiterentwicklung der Akkutechnologie der Alltag allerorten und in Form von zahlreichen Helferlein durchdrungen sein könnte, andererseits ist ein Bildschirm in einer bestimmten Größe für das Tippen, für Notizen, E-Mail oder die Fotografie kaum wegzudenken. Für viele Funktionen ist ein Bildschirm zwischen 4 und 6 Zoll praktisch. Selbst wenn das Tippen durch das Einsprechen von Nachrichten (wie bei Microsofts Assistentin Cortana, Apples Siri, Amazons Alexa oder Googles Home) ersetzbar ist, wird die Schriftsprache deshalb nicht wegfallen. Es geht wie stets darum, den Überblick zu behalten. Das geht auf Bildschirmen bestimmter Größe besser. Dennoch kann es sein, dass die Fixierung auf ein Gadget zukünftig ersetzt wird durch eine Vielzahl wie selbstverständlich in den Alltag integrierter Gadgets in Kleidung oder verschiedensten Gegenständen – die Miniaturisierung macht’s möglich.

Wann und wie hat sich die Smartphone-Technologie entwickelt?

Wo kam die Smartphonetechnologie her und wie hat sie sich entwickelt? Ein kurzer Blick in die Geschichte der intelligenten Handys, die rasch immer leistungsfähiger wurden: Als 1999 das Unternehmen RIM (Research in Motion) sein Produkt Blackberry 850 als „Inter@active Pager“ auf den Markt gebracht hatte, wurde damit das Zeitalter der Datenmobilität und mobilen Kommunikation eingeläutet. Das war 8 Jahre, bevor Apple mit seinem iPhone neue Standards setzen sollte. Der Blackberry war dazu in der Lage, E-Mails mobil zu nutzen, auch die Termine konnten drahtlos verwaltet und synchronisiert werden. Ab 2002 war in das Blackberry 5810 mobiles Telefonieren integriert, allerdings nur per Ohrstecker. Bis 2007 das erste iPhone das Licht der Welt erblickt hatte, galt der Blackberry ab 2003 mit eigenem Browser und Internetfähigkeit, kleinem Bildschirm und physikalischer Tastatur und vor allem mit seinen Sicherheitsstandards, die bis heute unübertroffen sind, als das Businesshandy schlechthin und war technologisch State of the Art. Einen drucksensitiven Bildschirm, eine virtuelle Tastatur und einen Browser, der Internetseiten besser darstellen konnte, brachte aber erst das iPhone. Der Browser des Blackberry war in vielerlei Hinsicht für die fehlerfreie Darstellung von Webseiten noch nicht gerüstet.

KI, AI, VR und AR: Smartphones der Zukunft

Seit Jahren ist von „Künstlicher Intelligenz“ die Rede. Nun hat sie 2017 in die Smartphones Einzug gehalten. Künstliche Intelligenz hat dabei als Haupteigenschaft Fähigkeiten des Selbstlernens. Ein KI-System optimiert und erweitert sich also selbst und passt sich damit im besten Fall den Nutzergewohnheiten, seinen Ansprüchen und seinem Verhalten an. Smartphones neueren Zuschnitts verfügen so über erweiterte und intelligentere Funktionen. Dies bezieht sich auf einen höheren Informationsgehalt, der Bekanntem hinzugefügt wird. Man erhält etwa mehr Informationen über den Ort, an dem man sich befindet oder allgemein über das, was man durch seine Smartphone-Fotolinse sehen kann. Das iPhone nutzt sie beispielsweise für die Gesichtserkennung seines Nutzers. Beim Pixel-Smartphone von Google ist die „Lens“-Funktion enthalten. Sie teilt als Neuinterpretation der alten „Goggles“-Funktion mit, was auf dem Motiv, das man gerade anvisiert, zu sehen ist. Dabei werden zum Beispiel bekannte Gebäude ermittelt, Filme oder Bücher. Informationen wie E-Mail-Adressen oder Webadressen, die ins Blickfeld geraten, werden verlinkt. Aber auch jenseits des Smartphones wirkt sich Künstliche Intelligenz aus. Die „Voicematch“-Funktion von Google Home etwa erkennt die Stimme des Nutzers. Nutzen verschiedene Menschen Google Home, lassen sich so getrennte Nutzersphären einrichten, beispielsweise auch für Kinder. Drei Begriffe sind für die Zukunft des Smartphones und der mobilen Technologie wichtig:

Anwendungen der Künstlichen Intelligenz

Der virtuellen Realität tragen Smartphones insofern am längsten Rechnung, als es bereits diverse Datenbrillen gibt, bei denen man das Handy in die Brille integriert und so vor allem damit spielen kann. Mit dem iPhone X, dem Pixel 2 und dem Huawei Mate 10 sind 2017 erstmals Smartphones erschienen, die Künstliche intelligenz nutzen, um zum Beispiel Fotos zu optimieren und das Fotoergebnis qualitativ zu steigern. Auch hier gibt es eine funktionale Erweiterung der Möglichkeiten. Beispielsweise trennt die KI Vordergrund vom Hintergrund und kann so den Hintergrund unscharf stellen, während der Vordergrund scharf bleibt. Auch die Gesichtserkennung des iPhone X basiert auf KI, denn die Software lernt das Gesicht des Nutzers mit Länge der Nutzungsdauer zunehmend besser kennen. Für die Augmented Reality gibt es seit längerem Browser, die dem mit der Smartphone-Kamera Gesehenen vertiefende Informationen hinzufügen, dazu gehört etwa Wikitude.

Fazit: 2017, das Jahr der ersten Smartphone-KI-Schritte

Eigentlich stand 2017 der „Amazon Echo“ als smarter interaktiver Lautsprecher mit seiner Sprachassistentin „Alexa“ im Zentrum der Aufmerksamkeit und damit das Web im audiogesteuerten Smart-Home. Ebenso faszinierten die Möglichkeiten der Augmented Reality, die über unsere Welt eine weitere informationelle Folie legen wird. Während Alexa bereits real existiert und funktioniert, werden die Konzepte Künstlicher Intelligenz und von Augmented Reality die Möglichkeiten der mobilen Technik erweitern. Das Smarthone ist tot aber es lebe das Smartphone: Die genannten Entwicklungen zeigen, dass ein Ende dieser neuen Möglichkeiten nicht abzusehen ist. Das Smartphone steht im Zentrum einer informationellen Wertschöpfung, von der sich diverse andere Entwicklungen ableiten. Ob SmartWatch, SmartHome oder SmartFashion, noch wird die Rechnung nicht ohne den Mini-Bildschirm-Computer gemacht, der Daten sichtbar macht. Dabei steht in einem seltsamen Mißverhältnis, wie die Technologie fortschreitet und nun langsam jahrzehntealte technische Visionen (der Begriff der Künstlichen Intelligenz stammt aus dem Jahr 1957) umsetzt, während viele Nutzer an der sozialen Umsetzung einer vernetzten Gesellschaft scheitern.

Jahresrückblick 2017

Folge 1: Politik als Storytelling
Folge 2: Populismus als Kultursimplizität

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