Frau mit Herz

Eigentlich ist es Allgemeinwissen, dass das Web eine Beobachtungs- und Ausforschungsmaschinerie ist. Das hat nicht nur politische Dimensionen sondern auch ökonomische, die wiederum zum Politikum geworden sind.

Allerdings sollte man das, was in der Vergangenheit an unrechtmäßigem Verhalten von Facebook, Google, Amazon, Microsoft und anderen an den Tag gelegt wurde, wenn es um die Ausforschung seiner Nutzer geht, nur als einen Anfang betrachten. Bisher lebten die Internetkonzerne, die mit Daten Geld machen, trotz visionärem Denken noch schwerpunktmäßig in der Gegenwart.

Der Mensch als Datensatz

Klar ist, dass, wer dauernd etwas beobachtet, leicht statistische Daten z.B. über Gewohnheiten und Verhaltenshäufigkeiten erheben kann. Google etwa dringt dabei weiter in den Privatraum seiner Nutzer vor:

  • Waymo: Über das selbstfahrende vernetzte Auto Waymo, begleitet Google den Nutzer im Straßenverkehr, von Wohnung zum Arbeitsplatz und zurück, zum Geliebten oder der Geliebten, es lernt die Fahr- und Wahrnehmungsleistung des Fahrers kennen und kann diese mit in die Höhe der Versicherungsbeiträge einfließen lassen.
  • Nest: Über sein Investment in Nest, einen Produzenten von Haustechnikkomponenten, die ebenfalls über das Web miteinander vernetzt sind, kann Google weitere intime Daten erheben. Wie lange brennt das Licht? Wann geht es aus oder an? Das und anderes gibt Auskunft über den Bio- und Lebensrhythmus oder etwa darüber, wer einer geregelten Arbeit nachgeht.
  • Google Home: Der in Lautsprecherboxen, Lichtanlagen und weiteren Komponenten des täglichen Lebens integrierte Sprachassistent hört bei allem zu, weiß alles über die Gewohnheiten des Nutzers.
  • Android: Das Smartphone als körpernaher ständiger Begleiter lauscht, beobachtet Chatverläufe und Webaktivitäten, verfolgt jede Bewegung des Nutzers selbst in Häusern, kennt sexuelle Vorlieben, politische Ansichten und unter Umständen weitere gehütete Geheimnisse des Nutzers. Auch Familienmitglieder, Freunde und Bekannte sind dem Smartphone bekannt.

Big Brother is watching you!

Auch andere Konzerne wie Facebook, Amazon (nicht nur über Alexa) und Microsoft leben direkt oder indirekt von den Daten ihrer Nutzer. Alle diese Konzerne geben ihre Daten an Geheimdienste wie die NSA weiter, selbst privateste Mails und Chats können mitgelesen und von der NSA und anderen Geheimdiensten gespeichert werden.

Orakel „Künstliche Intelligenz“

Inzwischen geht es aber nicht mehr nur darum, was der einzelne in seinem Leben getan hat oder aktuell tut, zunehmend soll eingeschätzt werden, was er tun wird. Das ist für die Prognose seines Kaufverhaltens wichtig. Es geht also darum, genauer zu planen, was jemand kaufen wird, was er wie und wie oft nutzen wird, wann etwa auch eine Werbebotschaft in seiner Zukunft besonders gut verfangen könnte. Es geht um Zukunftsmärkte für angenommenes Verhalten, auch um Produkte und Dienstleistungen, deren Parameter besser vorhersagbar sein sollen. Dabei ist das Entscheidende die Analysefähigkeit der gigantischen Datenströme durch Künstliche Intelligenz. Diese wird dadurch zukünftig eine Art Orakelfunktion in der Gesellschaft und der Wirtschaft innehaben.

Quantifizierung der Welt

Die Harvard-Professorin für Ökonomie, Shoshana Zuboff nennt in ihrem Buch „Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus“ den Begriff des „Vorhersageproduktes“. Wo also bisher Produkte den Nutzer-Bedürfnissen, die sie nur annehmen konnten, hinterhergelaufen sind, sollen zukünftig Produkte, ihre Eigenschaften, ihre Erfolgsaussichten und ihre Vermarktungspotentiale berechnet werden. Dies auf der Grundlage der Analyse bisherigen Nutzerverhaltens, das eine exaktere Prognose für zukünftiges Verhalten ermöglichen soll. Insgesamt basiert dieser Ansatz darauf, dass die Welt wie wir sie kennen, analysefähig quantifiziert wird. Quantifiziert werden kann sie aber nur, wenn die Überwachung, also die Beobachtung des Verhaltens möglichst aller Menschen, zunehmend flächendeckend und lückenlos erfolgt. Die Theorie: Wenn ich weiß, was ein Mensch tut und denkt, kann ich daraus zukünftige Absichten ermitteln. Wenn ich etwa weiß, dass ein Paar jene Anzahl von Jahren zusammen ist, nach der statistisch gesehen die meisten Paare heiraten, kann ich ihm in diesem Zeitraum vermehrt Hochzeitskleider und Hochzeitsaccessoires in der personalisierten Werbung ausspielen. Je mehr Privatheit die Analysedaten mit einschließen, desto näher komme ich dem Menschen und seinen zukünftigen Absichten.

Daten für Business und Politik

Was die Werbeabsicht so perfektioniert, kann zunehmend auch politisch eingesetzt werden. Der Facebook-Skandal um Daten von Facebooknutzern, die durch Cambridge Analytica genutzt wurden, um potenzielle amerikanische Wähler zu manipulieren, Donald Trump zu wählen, sprechen eine deutliche Sprache. Da weltweit der Populismus auf dem Vormarsch ist, ist die Frage, was mit den gesammelten Daten im Digitalfaschismus passieren würde. Erste Hinweise darauf bietet das chinesische Überwachungs- und Sozial-Sanktionsmodell.