Jan Hofer bei seiner Lieblingsbeschäftigung. Was kann er noch?

Jan Hofer bei seiner Lieblingsbeschäftigung. Was kann er noch?

Pünktlich im Zyklus der Bundestagswahlen machen sich die Verantwortungsbewussten der Republik wieder Sorgen. Sie sorgen sich um die Nichtwähler. Besonders um die jungen Nichtwähler.

Dazu lassen pol-di.net und die probone Fernsehproduktion im Netz einen Spot kursieren, in dem Prominente das Nicht-Wählen empfehlen. Anne-Sophie Mutter, Buddy Ogün, Jan Hofer, Rapper Massiv, Sascha Lobo und andere fordern auf: „Geh nicht hin“. Im Verlauf – Überraschung – dreht sich der Spot. Es ist ein Werk der Aufklärung, das doch auffordert, wählen zu gehen. Mit Ironie eben.

Der Spot richtet sich in seiner Machart an junge Leute und ist eine Nachahmung des amerikanischen „Five Friends“-Spots aus dem letzten Jahr, der drüben seinen Zweck gut erfüllte. Die Fressen des Original-Spots werden die Kids hierzulande, im Gegensatz zu mancher aus der deutschen Kopie, sicher kennen.

Kommunikationswissenschaftler und Feuilletonisten debattieren bereits darüber, ob der Spot geeignet ist, junge Wähler an die Urnen zu führen.

Junge Menschen sollen also wählen gehen. Doch wie sollen jungen Leute entscheiden, wen sie wählen, wenn sie sich die letzten vier Jahre nicht für Politik interessiert haben? Wenn sie nicht ermuntert werden, sich für Politik zu interessieren? Durch die Distinktion der Politik sogar ferngehalten wurden. Ist es nicht fahrlässig, sie un- oder halbinformiert an die Wahlurnen zu schicken? Wie können sie das für sie geeignete wählen, wenn sie wenig von der Politik wissen? Sollen sie auf die nichtssagenden Wahlplakate schielen, die uns aktuell umgeben (bei uns in NRW ist es gerade die Kommunalwahl)? Sollen sie den klassischen Wahlkampfmanövern der Zeit vor der Wahl in die Fänge gehen?

Die Politik weigert sich, den Wähler dort abzuholen, wo er gerade steht. Sie liebt es, hoch oben auf einem Sockel zu stehen und wichtig zu tun. Die da unten zuverlässig mit markigen Parolen zu beliefern. Sie sieht die Bringschuld alleine beim Wähler.

Von Politikverdrossenheit spricht man seit jenen Tagen Helmut Kohls, in dem die Regierung nahezu jedes anstehende Problem schlicht aussaß. Politikverdrossenheit war eine Verdrossenheit der Politiker und wurde damals schon von der Politik (und den Medien) einseitig dem Wähler angelastet.

Wer nur schwätzt, ohne etwas zu sagen, wer das wenige, das er zugibt, nur verklausuliert ausdrückt, wer nur zu dem spricht, der zu einer ausgiebigen Textexegese in der Lage ist, wird viele Menschen nicht erreichen. Wer dann so unverschämt ist, am Wahltag eine Beteiligung der zuvor monatelang und jahrelang Verschmähten zu fordern, hat sich von einem Kerngedanken der Demokratie längst verabschiedet.

Politiker entscheiden über, wenden sich aber während der Legislaturperiode nicht an junge Leute. Nur als Zählvolk werden sie saisonal umworben. Weil eine geringe Wahlbeteiligung das Image der Politik ankratzt. Weil manche Partei jenseits der CDU annehmen kann, dass sich unter den Nichtwählern ihr Klientel verbirgt. Weil mangelnde Legitimation das Letzte ist, was Politiker sich nachsagen lassen wollen.

Den Mitwirkenden in diesem Spot kann man nur ehrenwerte Absichten unterstellen. Leider fordern sie nur, ohne zu handeln. Denn auch sie hätten das Jahr über Zeit gehabt, sich einfach und verständlich an die Bildungsschichten und Altersgruppen zu wenden, denen sie nun fehlenden demokratischen Geist unterstellen. Jan Hofer sagt in dem Spot: „Ich lese fast jeden Tag die Meldungen, dass Menschen ihr Leben geben würden, um wählen gehen zu können.“

Den Jungwählern ist nicht zum Vorwurf zu machen, dass sie in keinem totalitären Staat aufgewachsen sind. Was sie in den Jahren des Heranwachsens als Lusttöter von der Politik rezipiert haben, all die „abtörnenden“ Signale, geht alleine zu Lasten der Politik. Die Schuld am schlechten Ansehen der Politiker lässt sich nicht auf die Nichtwähler zurückwerfen.

Doch haben die Medien das ihre getan, die Vorgänge in der Republik allen transparent zu machen? Hat Jan Hofer jemals die Nachrichten für die 17-, 18-, 19-jährigen gelesen? Für den Malocher? Für den Sozialhilfeempfänger ohne Schulabschluss? Fernsehnachrichten und Politprogramm verweigern sich seit der Erfindung des Fernsehens bestimmten Bildungsschichten. Fernsehnachrichten sind nichts für Anfänger.

Letztlich verschleiert die „Geh-nicht-hin“-Kampagne die Lustlosigkeit der Politik auf die jungen Menschen in diesem Land. Verschleiert also das eigentliche Problem.

Macht den jungen Wählern lieber Lust auf Politik. Dann gehen sie vielleicht von selbst wählen.

Zukünftige Spots sollten sich die Politiker wenden und die ganze Legislaturperiode über „senden“. Sie könnten „Ignorier-sie-einfach“ heißen.

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