TRafen sich drei Schulfreunde, meint der eine: "Eine feste Burg ist unser Gott, eine gute Wehr und Waffen..."

Trafen sich drei Studienfreunde, meint der eine: "Eine feste Burg ist unser Gott, eine gute Wehr und Waffen..."

Mein Wählertagebuch (5)

Gibt es ihn, den Prototypen des CDUischen?

Mittwoch nach Hause geschlendert. Draußen an den Tischen eines Restaurants mit All you can eat treffe ich auf einen lange nicht mehr gesehenen Kommilitonen, Lutz. Damals CDU. Heute immer noch CDU. Lutz ist Mitglied einer Bezirksvertretung. Lutz hat im Laufe des Abends gerne das Gespräch an sich gerissen, geredet wie ein Wasserfall.

Was lag Lutz, dem Redner, am Herzen?

1. Versorgungslücken im Rettungssystem. Skandalös schlecht ausgestattete Krankenwagen in der Landeshauptstadt. Kaum war ein Patient drin im Rettungswagen, war er praktisch schon tot. Ärzte flohen deshalb aus der Landeshauptstadt. Die genaue Anzahl der in Landeshauptstadt-Krankenwagen verstorbenen in einem bestimmten Zeitraum habe ich vergessen. Wären sie in einem aktuellen Notarzt-Rettungswagen transportiert worden, wären sie heute noch putzmunter. Die Rettungswagen-Antiqitätensituation zu verbessern war seinerzeit Lutzens Motivation, in die Politik zu gehen.

Lutz ist Sammler von Einsatzfahrzeugen aus aller Welt. Modell International. Er wusste auch schon früher verdammt viel über Polizeiwagen aus Amerika und Feuerwehrwagen aus Hawaii. Kaum ist Lutzens Flieger in einer Stadt gelandet, macht er die dortige Feuerwehr unsicher.

2. Burgen. Wo auch immer Lutz hinreist, er besichtigt Burgen. Aber nicht mehr als drei an einem Tag.

3. Fantasy-Filme und Serien. Und Science-Fiction. Lutz kennt sie alle. Sammelt sie. Und besucht Conventions. Allein in den kommenden drei Wochenenden jeweils eine. Conventions sind organisierte Treffen mit anderen Fantasy-Fans. Dort demütigen sich abgehalfterte Stars von in Amerika längst abgesetzten Serien vor den Fans. Lutz besucht alle Conventions. Er besitzt zwei Schwerter, die er sich dann umschnallt. Lutz als großer Max.

Nur auf konkrete Nachfrage erfahre ich etwas über seine Situation als nicht fest angestellter Lehrer. Am meisten Freude hat es ihm bereitet, mir von seiner brillanten Beobachtung zu erzählen, dass Schüler, die auf den Namen „Kevin“ hören, sich grundsätzlich als Nieten herausstellen. „Bildungsferne Schichten“ nannte er das. Es soll auch schon mal drei Kevins in einer einzigen Klasse gegeben haben. (Kevinphobie scheint überhaupt eine Berufskrankheit von Lehrern zu sein.)

Wenn ich das so sortiere, kommt raus:

Entweder beschäftigt sich Lutz damit, die Sicherheit um sich herum zu erhöhen. Jede noch so kleine, unwahrscheinliche Unwägbarkeit durch Maßnahmen zu entrisiken. Auch seine Bemühung um eine Beamtung fällt klar unter das Thema Sicherheit.

Oder er begibt sich in romantische Fluchtsituationen: Burgen, Mittelalter, Fantasy, um gar nicht erst zu viel ihn bedrohende Wirklichkeit abzubekommen. Möglicherweise auch Allmachtsfantasien. Früher hat er immer eine Gaspistole bei sich getragen. Wie das heute ist, habe ich nicht nachgefragt. Lutz‘ Leben kreist unaufhörlich um die Gefahren des Lebens. Sicherheitsmaximierung oder Flucht. Ist das das CDUische im Manne?

Ich hatte die Begegnung schon wieder vergessen, als bescheuerte Jugendliche den Münchner Dominik B. umbrachten. Bei namhaften und weniger namhaften CDU/CSU-Mitgliedern sprang sofort der pawlowsche Reflex an. Ein härteres Jugendstrafrecht müsse her. Mehr Polizei müsse her. Mehr Videoüberwachung. Warum das alles Quatsch ist, lässt sich allenthalben nachlesen. (Siehe hier und hier und auch bei Lobo-Tiedje).

Einem CDUler, der gerade reflexhaft reagiert, braucht man damit nicht zu kommen. Ein einmal ausgelöster Reflex läuft von vorne bis hinten ab wie eine stringente Filmsequenz und kann durch die Medizin „Vernunft“ nicht mehr gestoppt werden.

Jeden von uns, der täglich das Haus verlässt ohne dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt, muss es wundern, dass Lutz am strahlenden Wunder einer erstklassig funktionierenden Stadt-Gemeinschaft vorbeisieht. Dass er nur die Gefahren im Dunkeln, in den Zwischenräumen aufsaugt.

Leicht ließe sich das Prototypische des Christdemokraten abschießend beschreiben, wäre da nicht die Atomkraft. Wir kennen haufenweise Gründe, warum gerade Konservative auf Atomkraft setzen. Herrschaftswissen in der Hand weniger. Unabhängigkeit von fremden Ländern, die nicht unsere Kolonien sind. Und so weiter.

Die Frage die bleibt: Warum hat der CDU-Mensch, eingetaucht in frei flottierende Ängste, keine Angst vor Atomkraftwerken?