Wie wirken Prominente ganz privat?

Wir alle führen ein ganz normales Leben fernab der öffentlichen Medien-Aufmerksamkeit und -Wahrnehmung. Doch manchmal, oft durch Zufall, begegnet man einem Promi: Im Zug, am Flughafen, in der Disko oder am Telefon als fragender Hörer in einer Radiosendung. Hier kommt eine kleine Liste der Prominenten, die ich so ganz unspektakulär kennengelernt habe.

Franz Beckenbauer ist doch schlagbar

Bei der Aktion „Stellen Sie Franz Beckenbauer Ihre Frage“ der Tageszeitung „WAZ“ war ich nach zigmal wählen endlich durchgekommen. Ich hatte feuchte Finger und war ziemlich nervös. Nach vielem hin- und her war ich endlich zurückgerufen worden. Dann die gottgleiche Stimme von Kaiser Franz an meinem Ohr. Er hatte nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft in seiner Funktion als Teamchef 1990 in Italien mit 1:0 gegen Argentinien öffentlich gesagt, dass nun die deutsche Nationalmannschaft auf Jahre hinaus unschlagbar wäre. Vor dem Hintergrund der Wiedervereinigung und der Eingliederung neuer Spieler in Bundesliga und Nationalmannschaft hatte die Aussage von Franz Beckenbauer etwas Bedenkliches. Ich persönlich habe mich darüber sehr aufgeregt. 4 Jahre danach, hatte ich Gelegenheit ihn am Telefon persönlich zu fragen, warum er das damals so gesagt und damit die Latte für den neuen Bundestrainer denkbar hoch gelegt hatte. Seine lange Antwort hatte in den Worten gemündet: „Ja, gut, äh, dann rutscht einem sowas in der Euphorie mal raus!“ (Gedächtnisprotokoll.) Enttäuscht folgte darauf meine eigentliche Frage, welcher Titel ihm mehr bedeutete: Weltmeister als Spieler oder als Trainer? Er tendierte zunächst mehr zu Franz Beckenbauer dem Spieler, dann relativierte er aber mit einem glasklaren „Ja, gut, äh…!“

Manuel Neuer auf einer Privat-Fete

Eine private Geburtstagsfeier, ich wundere mich über Sicherheitskräfte an der Tür, die mich zunächst nicht reinlassen wollten. Wer sind Sie und wo wollen Sie hin? Geburtstag feiern, anwortete ich. Direkt nachdem ich durchgelassen worden war, wurde mir Manuel Neuer vorgestellt. Ich war zunächst verdutzt über seine Körpergröße. Ich konnte mich offiziell von ihm mit den Worten verabschieden, dass ich mit Franz Beckenbauer gesprochen habe. Ob Manuel Neuer dann gefragt hat, wer Franz Beckenbauer war, kann ich nicht mehr mit Sicherheit sagen. Vielleicht habe ich es geträumt.

Peter Kraus flüchtet vor uns

D. und ich am Flughafen Düsseldorf. Die Arrivals-Tür geht auf und Ex-Rock’n’Roller, Schauspieler und Sänger Peter Krauss kommt heraus, grüßt uns allgemein-freundlich, weil wir ihn wiedererkennend angucken und läuft schnellen Schrittes weg, während D. ihm „A wop babaloo bop balop bam boom“ hüftschwingend hinterherrief und weitere Rock’n’Roll-Bewegungen vollführte. Wir haben uns totgelacht. Für einen Star sicher der Alptraum schlechthin. Die Freude vor den Fans weicht manchmal der Angst. Wie nah doch das Schöne und das Schreckliche beieinander liegen können.

Hans-Jochen Vogel grüßt professionell

Wieder Flughafen Düsseldorf, wieder Arrivals-Eingang. Heraus kommt Hans-Jochen Vogel, ehemaliger SPD-Kanzlerkandidat und damalig MdB. Fast genauso wie Peter Krauss kommt er strammes Schrittes aus der Tür und grüßt uns, wie man als Mensch der öffentlichen Wahrnehmung eben so allgemein jeden, der einen ansieht, mal grüßt. Er verschwand mit seiner Aktentasche in der Hand in Windeseile. So flüchtig wie ein politischer Beitrag im Fernsehen: Kaum hat man etwas begriffen, ist er auch schon wieder weg. Denn es könnte ja zum Gespräch kommen und das vermeiden Politiker, die freundlich grüßen. Der freundliche Gruß ist eher so etwas wie ein Abstandshalter.

DJ Mal Sandock macht CDU-Pofalla Beine

DJ Mal Sondock, ein Schwergewicht der deutschen Plattenaufleger, hatte von 1973-1980 im WDR-Hörfunk die angesagte Sendung „Radiothek“, in der er abends Hitparadenmusik spielte. Bei Jugendlichen war das schwer angesagt. Mitte der 80er Jahre sah ich ihn auf der CDU-Wahlparty von Ronald Pofalla, heutiger Generalsekretär der CDU. Es war Landtagswahl oder Bundestagswahl, keine Ahnung. Mal Sondock hat an diesem Abend immer wieder mit Liedwunschaktionen versucht, die Leute auf die Tanzfläche zu bringen. Als sich nur einige wenige getraut hatten, sah sich Ronald Pofalla gezwungen, selbst auf die Tanzfläche zu gehen, damit das ganze nicht zu traurig und eher wie ein Reinfall wirkte. Er schwang etwas unbeholfen in lockerer Freizeitkleidung mit umgelegten Pulover das Tanzbein. Wir fanden das lustig und mussten laut lachen, begannen wohl etwas zu laut zu grölen, weswegen sich der Sicherheitsdienst in unsere Nähe begab. Das wirkte wie ein Schalldämpfer. Mal Sondock trafen wir Jahre später noch mal auf der Düsseldorfer HiFi-Messe. Sondock traf mehrere Stunden zu spät zu einer Messeveranstaltung gegen Ende des Messetages ein und versuchte jemanden dazu zu bewegen auf die Bühne zu kommen, damit der an der Verlosung für einen Videorekorder teilnehmen sollte. Aber keiner hat sich getraut.

Der feine Zug des Jürgen W. Möllemann

Es war eine Zugfahrt. Ich ging durch den Zug auf das Bordrestaurant zu, da öffnete sich vor mir eine Tür und vor mir stand für den Teil einer Sekunde Jürgen W. Möllemann, sehr viel kleiner von Statur, als ich erwartet hatte, tendenziell sogar eher ein Zwerg. Er war damals FDP-Vorsitzender, der, nachdem er Stimmen am rechten Rand für die FDP besorgt hatte und nach vielen unschönen parteiinternen Querelen, per Fallschirmsprung Selbstmord begangen hatte. Als er im Zug auf mich traf, sah er mich etwas zu lange an. Er war der eitel-suchende Blick eines prominenten Menschen, der im Gesicht des anderen sehen will, dass der ihn erkennt. Ich habe durch ihn hindurch gesehen, weil mir das zuwider war und bin weitergegangen. Wie sehr sind Menschen, die im Rampenlicht der Medienöffentlichkeit stehen, doch von der öffentlichen Aufmerksamkeit abhängig sind. Geradezu wie Junkies.

Farin Urlaub nimmt nie Urlaub von sich selbst

Hamburg vor irgendeiner Konzerthalle. Ich weiß nicht mehr, wer da gespielt hat. Draußen vorm Kartenverkauf lange Menschenschlangen. Mittendrin Farin Urlaub als Privatmann, der sich die ganz Zeit exaltiert mit einem Typen unterhielt und dabei wie verrückt immer wieder um sich blickt, um zu sehen, ob ihn jemand erkennt. Das wirkte sehr skuril. Denn niemand hat sich um ihn gekümmert. Er wirkte fast so als wollte er sagen: „Ich bin der Sänger der besten Band der Welt. Bettelt mich nach Autogrammen an.“ Doch die Leute, die da waren, standen wohl auf ganz andere Musik. Manche schienen ihn als den Sänger einer unmaßgeblichen Teenieband demonstrativ nicht zu beachten. Aber ich denke, außer mir hat ihn einfach niemand erkannt, weil alle deutlich über volljährig waren.

Hat Thomas Gottschalk den Schalk im Nacken?

Auf einer Messe in Düsseldorf. Überall nur Leute im dunklen Zweireiher, alle austauschbar. Ich wollte irgendwo hin, lief auf eine andere Messehalle zu. Direkt vor mir bog Thomas Gottschalk um die Ecke, wir wären fast zusammengestoßen. Viel größer als ich gedacht habe, in einem seiner bunten Outfits, und auch körperlich ganz anders proportioniert als ich gedacht hätte. Im Fernsehen wirkt er vorteilhafter. Er hat nicht gegrüßt, nicht angehalten, nicht geguckt. Er ging einfach dorthin, wohin er wollte. Der Promi sah ganz professionell durch mich hindurch. Konsequent jedenfalls.

Franz-Josef Strauß spricht 1980 als Kanzlerkandidat

Franz-Josef Strauß, Ministerpräsident und als solcher König von Bayern, wollte 1980 Kanzler werden. Strauß kam nach Gelsenkirchen, um eine Wahlkamp-Rede zu halten. Die Menschen im Ruhrpott konnten ihn nicht leiden. Es musste ein Fiasko werden. Das Gelsenkirchener Polizei-Orchester blies den bayrischen Defiliermasch. Alleine die Musik sorgte schon für allgemeine Erheiterung. Er selbst wirkte wie die Verkörperung eines südländischen ein Bierschinkens. Später in Essen musste er per Regenschirm vor fliegenden Tomaten und Eiern geschützt werden und bemühte gegen die Werfenden einen Goebbelsvergleich. Der durchschnittliche Ruhrpottler hat sich darüber nicht gewundert, galt Strauß doch als extrem intimer Kenner des Rechtsradikalismus. Viermal war Strauß Mitglied der Bundesregierung, zwischen 1953 und 1969 war er Bundesminister für besondere Aufgaben, für Atomfragen, der Verteidigung und für Finanzen. Ab 1978 war er 10 Jahre lang Bayerischer Ministerpräsident. Bundeskanzler wurde 1980 aber Helmut Schmidt für die SPD. Im Ruhrgebiet hat damals, was sein Wirken in der Bundespolitik anbelangt, sein Stündchen geschlagen. Schön, diesen historischen Moment im renitenten Publikum zu erleben.

Werner Hansch floh auf den Flohmarkt

Der WDR-Fernseh-Sportmoderator Werner Hansch kommt aus dem Ruhgebiet und scheint ein bodenständiger Mensch zu sein. Typisch für den Menschenschlag hier. Ich hab ihn auf dem Flohmarkt an der Trabrennbahn in Gelsenkirchen gesehen. Er ist da rum gegangen wie jeder, in betont sportlichen Klamotten. Ein paar Leute haben geflüstert: Werner Hansch! Der da, das isser. Isser das? Tatsächlich. Das isser.

Thomas Ohrner kommt es aus den Ohren raus

In einer Disco in den 1980ern Jahren. Tommi Ohrner war da, ein Schauspieler und Mädchenschwarm. Einer von den Jungs sagt zu mir: „Ey, da unten steht dieser Tim-Thaler-Typ, lass uns mal runtergehn, das ist ein echter Schauspieler.“ Wir gehen hin. Der sieht uns auch sofort und ist total genervt. Denn der kennt das natürlich: Promigucken ist für uns lustig, wir lachen auch, als wir ihn sehen, er findet das scheiße. Er guckt weg, hat sich belästigt gefühlt und wir belustigt. Solche Situationen hängen ihm aus dem Hals raus. Irgendwo hingehen und einfach er sein, kann er nicht mehr. Er ist wie ein Bild im Museum, ein Tier im Zoo, das alle angaffen.

Mach uns die Helga, Helge Schneider

Vor ein paar Tagen im Motorradladen in Bochum. Wir wollen gerade eine neue Maschine kaufen, da hören wir die wohl akzentuierte und zugleich durchdringende Stimme von Komiker Helge Schneider. Der steht da in auffallend gepflegter Designer-Kleidung. Um ihn herum mehrere Verkäufer. Schneider ist seltsamerweise gar nicht witzig. Er ist ganz ernst und läßt sich beraten. Ein ernster Clown. Die ganz großen, extrem witzigen Clowns, sollen ja ernste Menschen sein, zur Depression neigen, zumindest aber Tiefgang haben. Im tiefsten Ernst die Wahrheit der Welt erkennen: Wow, haben wir von gehört, aber so noch nie live gesehen.