spiralnebelDas Wort von der Künstlichen Intelligenz (KI) – nicht mehr als Theoriemodell sondern als konkrete Anwendung – macht zunehmend die Runde. Die großen Software- und Internetkonzerne, allen voran Google und Facebook, aber auch Apple und Microsoft wollen intelligente Systeme einführen, die mit dem Menschen via Sprache kommunizieren können.

KI-Sprache lernen

Damit ein KI-System das kann, muss es die menschliche Sprache und die kommunikativen Zusammenhänge, in denen gesprochen wird, erfassen und lernen können. Je mehr ein System die Interaktion mit Sprache übt, desto besser kann es als Beantworter von Fragen werden. Lernen formt die Intelligenz und Leistungsfähigkeit des Systems, Lernen hat aber auch einen Nebeneffekt.

Inhalt und Form der sozialen Worte

Der besteht darin, dass für das Lernen von Sprache zunächst das Erfassen der Inhalte, die durch Sprache vermittelt werden, zentral ist. Es geht weiterhin darum, nicht nur die Form der Worte, ihre Artikulation und Aussprache zu kennen, sondern auch ihre Eingebundenheit in das soziale zwischenmenschliche System. Erst wenn die Maschine somit Inhalte bewerten und sozial einordnen kann, kann sie ein richtiges Gespräch mit einem Menschen führen und kompetente Antworten auf seine Fragen geben. Was das Wort Schimmel bedeutet, ob Pferd oder Pilz, erschliesst sich erst im syntaktischen Zusammenhang.

Sozialisation durch Sprache

Denn das soll die künstliche Intelligenz zunehmend können: Auskunft geben. Auch bei Suchmaschinen geht es zunehmend um die Beantwortung von Fragen und nicht mehr nur darum, Webseiten mit Themen zu finden. In gewisser Weise wird eine lernende Künstliche Intelligenz ähnlich einem heranwachsenden Kind durch die Sprachinhalte und Sprachzusammenhänge sozialisiert. Sie lernt, ein angemessenes Volkabular in bestimmten sozial geprägten Situationen zu gebrauchen. Dazu gehören beispielsweise Worte und Verhaltensmaßregeln der Freundlichkeit in der Kundenansprache.

Linguistische Fachbereichsdefinition

Nun kann man sich denken, dass das Lernen eines KI-Systems dann besonders einfach ist, wenn es klar definiert und eingegrenzt ist. Das heisst, Künstliche Intelligenz ist dann besonders gut im Umgang mit menschlichen Fragestellern, wenn das Fachgebiet definiert ist. Denkbar ist, das KI kompetent Telefonnummern heraussucht oder mitteilt, wie man an ein antiquarisches Buch gelangt oder über Versicherungsmöglichkeiten Auskunft gibt. Jedesmal geht es um ein bestimmtes Thema, zu dem eine endliche Anzahl potenzieller Fragen und Antworten gehört.

KI-Romantik

Werden zu den Themenbereichen besonders exotische Fragen gestellt, die das KI-System nicht kennen kann, oder werden sinnlose Fragen gestellt, auf die es keine Antwort geben kann, kann die Künstliche Intelligenz sich einen Vorrat an allgemeinen weiterführenden Fragen zulegen. Soweit, so gut. Das scheint ein Happy End zu werden.

Die Internet-Lernmaschine

Doch das Lernen eines technisch intelligenten Systems ist hier bisher auch nur technisch beschrieben. Letztlich hat es die Künstliche Intelligenz nicht nur mit menschlicher Sprache zu tun, sondern mit Menschen als sozialen Wesen, die diese Sprache anwenden. Mit Menschen und ihren Gepflogenheiten, Marotten, Macken, mit ihren Weltbildern und Weltanschauungen, mit ihren Haltungen und Meinungen sowie mit ihrem Verhalten und ihren Umgangsformen auch in den Sozialen Medien und im Internet.

Microsofts Tay am Abgrund

So geschehen mit einer Künstlichen Intelligenz, die Microsoft Tay genannt und unter anderem als Chat-Partner auf Twitter-User losgelassen hat, womit das System an die Interaktion zwischen Menschen herangeführt werden sollte. Das Ergebnis war so niederschmetternd, dass Microsoft Tay wieder zurückgepfiffen hat, denn sie wurde durch die Interaktion mit den Menschen nach nur einem Tag rassistisch: das System benutzte von Menschen sozialisiert antisemitische Aussagen oder z.B. den Begriff Nigger. Dabei ist interessant, dass Tay retweetet hat, also Nachrichten anderer Nutzer weitergeleitet aber auch eigene Inhalte veröffentlicht hat, die ebenfalls rassistisch waren.

Die Web-Sozialisations-Maschine

Die Social-Media-Sozialisation der Software Tay hat innerhalb eines Tages zu deren Verrohung geführt – ein weiterer Beleg dafür, wieviel Einfluß gebündelte Internetkommunikation, die immer wieder einem verbalen Overkill gleichkommt, haben kann. Was das für einen Menschen und seine Sozialisation durch das Internet bedeutet, steht auf einem anderen Blatt.