Urheberraecher

Es ist gut, kein Experte zu sein, weil man dann nicht betriebsblind ist und so den Gegenstand der Betrachtung unvoreingenommen beurteilen kann. Es ist aber schlecht, wenn man von einem Thema so weit entfernt ist, dass man nur oberflächlich gucken kann, etwa weil man nicht in der Lage ist, das Internet als Kulturtechnologie zu verstehen bzw. noch verstehen zu wollen, denn das würde für manchen nicht-versierten EU-Abgeordneten einen Kraftakt des Dazulernens bedeuten.

Man mag unterstellen, dass aus diesen und anderen Gründen wie der lobbygesteuerten Willfährigkeit mancher EU-Politiker sie nie eine wirkliche Ahnung vom Thema „Internet“ haben werden aber trotzdem Gesetze erlassen, deren Auswirkungen weitreichend und zum Teil nicht absehbar sind. Übrigens sind in letzter Minute die Bezeichnungen der Artikel zur Abstimmung im EU-Parlament geändert worden, und zwar wie folgt:

  • Der bisherige Artikel 11 ist nun Artikel 15,
  • der bisherige Artikel 12 ist nun Artikel 16 und
  • der bisherige Artikel 13 ist nun Artikel 17.

Die Geschichte des Urheberrechtes in Deutschland

Der CDU-Europaparlament-Abgeordnete Axel Voss will seit Jahren das Internet reformieren. Ja, tatsächlich: das Internet. Sein Ansatzpunkt ist das Urheberrecht. Es gibt ein Urheberrecht für unsere normale, nicht virtuelle Welt, das seinen Ursprung in den 1950er-Jahren hat:

  • 1901 wurde in Deutschland das „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst“ verabschiedet.
  • 1907 trat in Deutschland das „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie“ in Kraft.
  • 1952 wurde das weltweit relevante „Welturheberrechtsabkommen“ formuliert, das die Grundlage nationaler Rechte wurde.
  • 1965 hat Deutschland das „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“ eingeführt, das heute noch Gültigkeit hat.

Neuland Internet und das Urheberrecht

Ein Urheberrecht schützt geistiges Eigentum, dessen Ausgestaltung durch Bundesgesetze geregelt ist. Zwischen den 1950er-Jahren und der Jetztzeit entstand das Neuland Internet, eine virtuelle weltumspannende Plattform. Auch sie unterliegt den Gesetzen, die das Urheberrecht regeln. Nur funktioniert dieses Neuland nach anderen Regeln, und selbst wenn das nicht so wäre: es fehlen eine Handhabe und also die Instrumente, um diese Urheberrechtslage auch durchzusetzen. Nun jedenfalls soll in der EU letztgültig über eine Neuregelung des Urheberrechts abgestimmt werden. Dies stellt nach Verabschiedung einen Rechtsrahmen dar, der von den Ländern ausgestaltet werden soll.

Urheberrecht und MP3-Dateien

Man erinnert sich an das Aufkommen von Musikdateien im MP3-Format, die es ermöglichten, Musik an den Profiten der großen Plattenfirmen vorbei zu teilen, zu verschicken und zu tauschen. Die damalige MP3-Musikplattform „Napster“ nutzte eine zeitlang die Gesetzeslücke, die dem Umstand digital transportierbarer Dateien noch keine explizite Rechnung tragen konnte, um die Musikindustrie umzukrempeln. Schließlich kam Steve Jobs mit seinem iTunes-Vertriebsmodell und wandelte die illegale Geschäftsidee in eine tragfähige profitorientierte um. Später folgten Google Play, Amazon Music, Spotify oder Apple Music als Streamingplattformen, die das Business noch einmal umgekrempelt haben. Vorher aber schrie die Musikindustrie Zeter und Mordio und wollte einen Großteil der Menschheit in Straftäter verwandeln, weil die unrechtmäßig Musikdateien hin- und her-schickten. Auf die Idee, die neue Technik gewinnbringend und urheberrechtskonform für alle anzuwenden, kam sie letztlich nicht. Da musste erst ein Steve Jobs disruptiv-kameradschaftlich und nachhaltig den Hebel des neu Durchdaten ansetzen.

Lobbyismus für Großverlage

Das Umwandeln eines grenzwertigen oder illegalen Geschäftsmodelles in ein profitorientiert-urheberrechtskonformes ist also die eine Möglichkeit. Eine andere ist es, neue Spielregeln für die Handhabung von Urheberrechtsverletzungen festzulegen. Gerade eben vollzieht sich das im EU-Parlament, und es ist schrecklich mit anzusehen, wie korrupt dieser Prozess abläuft. Plötzlich zeigt die EU ihre hässliche Fratze und will in Bürgerfreiheiten eingreifen, um Unternehmen wie dem Axel-Springer-Verlag gefällig zu sein. Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die eigentlich behauptet, sachlichen Journalismus zu betreiben, verlässt einen neutralen, wohl überlegten Standpunkt und verunglimpft in der Sache mit falschen Behauptungen ihre vermeintlichen politischen Gegner. Da wird behauptet, es gäbe vor allem von Google gesteuerte Nutzer oder keine Nutzer im menschlichen Sinne sondern nur Software-Bots, die gegen das Gesetz seien. Bei Demonstrationen konnte man allerdings sehen, dass diese Menschen tatsächlich existierten. (Oder die Bottechnologie hat einen Quantensprung gemacht.)

Verdrängungswettbewerb durch Google, Facebook und Co.

Den großen Rahmen dieses Ablaufes bildet der disruptive und brutale Verdrängungswettbewerb im Internet. Dort teilen einige wenige amerikanische Konzerne große Teile des Webs und die entsprechenden Gewinne unter sich auf. Da ist Google mit seiner marktbeherrschenden Suchmaschine, Facebook als marktbeherrschendes Soziales Netzwerk, das sich zudem WhatsApp und Instagram einverleibt hat und mit seiner Datenbrutalität vor keinem Aspekt der Privatsphäre mehr Halt macht. Gerade eben ist nach einer Reihe zahlreicher Daten-Skandale bekannt geworden, dass Facebook die Passwörter seiner Nutzer unverschlüsselt abspeichert. Wer darauf Zugriff hat? Niemand scheint es zu wissen. Kein normaler Programmierer würde sein System so gestalten, dass Passwörter unverschlüsselt gespeichert werden. Dann ist da Amazon, der größte Onlinehändler der Welt, Apple als eingene Welt aus Hardware und Software im hochpreisigen Digitalsegment und nicht zuletzt Microsoft, das so sagenhaft viel Geld verdient hat und verdient, dass es sich ohne rechte Innovationen als alter Konzern immer noch unter den wertvollsten Unternehmen des Planeten tummelt.

Milliardenumsätze durch Werbeeinnahmen

Was tun diese Konzerne? Sie graben deutschen und Verlagen in aller Welt das Wasser ab. Facebook und Google leben vom milliardenschweren Online-Anzeigengeschäft, Amazon hat diesen Geschäftszweig ebenfalls für sich entdeckt. Es sind Milliardenumsätze, die zum Beispiel deutschen Verlegern entgehen. So kam es zum sogenannten „Pressesterben“. Immer mehr Print-Redaktionen müssen dicht machen, selbst die Onlineableger haben es schwer, und die großen amerikanischen Konzerne sind die Nutznießer. Aber ganz so einfach ist es doch nicht. Denn Facebook und Google sind neben anderen Social-Media-Plattformen wie Twitter oder Instagram die Traffic-Knotenpunkte der Welt. Von ihnen aus gelangen Millionen Nutzer über Links auf Webseiten. Ohne sie können die deutschen Verlage nicht. Denn diese Kanäle bringen Leser. Es ist ein fatales Spiel: Die amerikanischen Milliardenunternehmen nehmen den deutschen Verlegern die Umsätze, andererseits bringen sie ihnen auch wieder Leser und damit Umsätze.

Das Ende des seriösen Journalismus?

Aber: Wer heutzutage Presseverleger oder Journalist ist, hat die Faust in der Tasche, denn die goldenen Zeiten sind vorbei. Redaktionen werden verkleinert, klassischer nach Wahrheit strebender Journalismus wird immer weniger honoriert, Effizienz in der Redaktionen bedeutet, lieber abzuschreiben als aufwendig zu recherchieren. Man kann es so sehen, dass Konzerne wie Facebook und Google die deutsche Presse zerstören und damit auch der Pressefreiheit und ihrer regulativen Funktion in der demokratischen Gesellschaft einen Schlag versetzen. Das ist der allgemeine Hintergrund der neuen Urheberrechtsregelung der EU. Man hat im marktbeherrschenden Streben von Apple, Google und Co. eine Gefahr erkannt – zunächst eine wirtschaftliche, die aber auch zur politischen geworden ist. Denn Facebooks Alleinstellung hat Fakenews salonfähig gemacht.

Steuerspartricks der Mega-Internetkonzerne

Der dem noch übergeordnete atmosphärisch wirkende Grund für diesen und andere rechtliche Vorstöße ist, dass viele Entscheider in der EU genug von der Trickserei amerikanischer Megakonzerne haben, die alles tun, um direkt oder indirekt in der EU kaum oder gar keine Steuern zu zahlen – und so wiederum den Wirtschaftsraum, in dem sie auch tätig sind, schädigen. Die großen Internetkonzerne verschieben Milliarden in Steuerparadise aber die Problemlage ist auch hier vielschichtig.

  • Amazon hat zum Beispiel ein Problem mit chinesischen Lieferanten, die widerrechtlich in Deutschland keine Umsatzsteuer zahlen
  • WhatsApp ist inzwischen von einem Gericht für illegal befunden worden, weil es ungefragt auf die Telefondaten von Millionen Deutscher zugreift.
  • Facebooks Datenskandale sind inzwischen Legende. Für seine Milliardengewinne und zur Zufriedenheit seiner Aktionäre, die Rendite sehen wollen, kennt der Konzern bezüglich der Nutzerdaten offenbar keine Hemmungen.
  • Apple hat 2016 rund 25 Millionen Euro Steuern in Deutschland gezahlt, geschätzt sind das nur 0,2 Prozent seiner Steuerlast weltweit. Obwohl der Konzern hier geschätzt rund 10 Milliarden Umsatz gemacht hat.
  • Google beeinträchtigt wie Facebook die deutsche Verlagslandschaft, indem es immer mehr Werbeeinnahmen auf sich konzentriert, hat aber auch Versuche gemacht, mit europäischen und deutschen Verlegern Kooperationen zu schließen.

Apple wiedersprach dem und verwies auf seine Steuerlast in den USA aber auch aus Anhörungen vor dem amerikanischen Kongress und nach diversen Recherchen ist längst bekannt, dass Apple wie viele andere Großkonzerne Schlupflöcher im System nutzt, um möglichst wenig Steuern zu zahlen, man könnte auch sagen: unfair wenig Steuern. Dass sich manch ein Konzern dabei außerhalb der Legalität bewegt, ist ebenfalls längst bekannt.

Fazit zum Hintergrund der Urheberrechtsreform

Die Reform des Urheberrechts, das Verhängen von hohen Kartellstrafen etwa gegen Google, die Auseinandersetzung mit Facebook auf EU-Ebene, all dies ist im großen Zusammenhang mit dem disruptiven, also Branchen zerstörenden, Einfluss all der amerikanischen Geschäftsmodelle zu sehen. Deutschen Politikern und EU-Politikern ist dies allgemein unheimlich, andererseits sind viele Branchen hierzulande in Gefahr. Dazu gehört aktuell beispielsweise die Verlagsbranche oder demnächst die Autobranche. Dass Gesetze angepasst werden müssen und den Erfordernissen des Internet Rechnung tragen müssen, ist keine Frage. Dass dies aber so ausgestaltet wird, dass der Nutzer Einschränkungen hinnehmen muss und der Bürger teils seiner Freiheiten beraubt wird, ist typisch für Abgeordnete wie den deutschen CDU-Mann Axel Voss, der sich in der Materie nicht genügend auskennt und vorrangig nicht Nutzerinteressen berücksichtigt sondern Interessen von Unternehmen. Das entspricht dem Klischeebild, das man sich von der CDU macht. Zusätzlich erweist sich das EU-Parlament einen Bärendienst.