Abgeordneter in der EU

Das Urheberrecht an der Demokratie, um es bildhaft auszudrücken, haben die Bürger. Sie bilden ihr Rückgrat. Nicht die Politiker oder ihre in Selbstkonflikte verstrickten Parteien sind die Basis der Demokratie. Die Demokratie ist als wesentliches Element einer pluralistischen Grundordnung bestimmt durch den Willen des Volkes. Anlässlich der unsäglichen Vorgänge rund um die Abstimmung des EU-Parlaments zur neuen Urheberrechts-Richtlinie hat nun vor allem die CDU gezeigt, was sie vom Wählerdialog und vom Internet hält: garnichts.

Da wir in einer repräsentativen Demokratie leben, bringt die Repräsentanz des Wählerwillens ein hohes Maß an Verantwortung mit sich. Die CDU und die FDP haben im EU-Parlament am 26.03.2019 für eine Reform des Urheberrechts gestimmt und dabei eklatante Fehler gemacht. Denn sie haben vielleicht einmal zuviel nur das getan, was ihnen Lobbyisten eingeflüstert haben. Damit haben sie der Europäischen Union fast schon autokratische Züge verliehen. Es geht dabei aber nicht nur um die konkrete Ausgestaltung der Urheberrechtsrichtlinie, es geht vor allem um den Umgang mit dem EU-Bürger. Dabei sind drei Ebenen zu unterscheiden:

Ebene 1: Die Notwendigkeit von Urheberrechts-Richtlinien

Dass das Internet Regularien und Gesetzte braucht, die das Urheberrecht im virtuellen Raum abbilden, ist bei einer Mehrheit der Wähler vermutlich unumstritten. Das ist allerdings schwieriger, als es scheint. Denn die Übertragung 1:1 ist nicht möglich. Es kommt darauf an, wie Nutzer im Internet mit Daten umgehen und wie gerade marktbeherrschende Großunternehmen ihre Geschäftsmodelle ausgestalten und wie sie mit dem Nutzer interagieren. Hier ist Expertenwissen notwendig, das offenbar kein für das Gesetz Verantwortlicher deutscher CDU-Politiker hatte. Axel Voss, der zuständige CDU-Mann im Europäischen Parlament für die Berichterstattung zum Gesetz, ist Rechtsanwalt und damit Experte für die rechtliche Seite. Man mag bei einem Politiker zusätzlich davon ausgehen, dass er Experte für Verhandlungen ist, also für den Ausgleich von Interessen. Dieses Verhandlungswissen, das gerade in der EU entscheidend ist, sollte mit einschließen, dass der Wählerwille berücksichtigt und abgeglichen wird. Es schließt mit ein, dass man den Bürger/Wähler ernst nimmt und ihn nicht verunglimpft oder ignoriert. Ein seriöser Bürgerdialog ausgehend von den Parteien, die die Urheberrechts-Richtlinie durchgedrückt haben, hat in der Sache nicht stattgefunden.

Ebene 2: Die Ausgestaltung der Richtlinien

Dafür sind Gesetze notwendig, die sowohl Unternehmen als auch Nutzer berücksichtigen. Da Nutzer keine Lobbyisten haben, Unternehmen aber schon, sind überwiegend kommerzielle Aspekte berücksichtigt worden. Alex Voss hat auch zugegeben, dass wer nicht in der EU als Lobbyist der Politik gegenüber seine Interessen formuliert, selbst Schuld wäre. Der Wähler fällt damit durchs Raster. Interessant ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel, dass es keine Fair-Use-Regelung wie bisher in den USA gibt, bei der unkommerzielle Nutzung von urheberrechtlich geschützten Material kostenlos möglich ist.

Ebene 3: Die Richtlinie als Ergebnis eines Dialogs mit dem Bürger

Wie wird die Willensbildung betrieben? Die Entwicklung der EU-Richtlinien zum Urheberrecht war ein Geheimprojekt, der Bürger wurde bewusst ausgeschlossen und sollte nicht mitdiskutieren. Hätte nicht Julia Reda, die Abgeordnete der Piratenpartei, die Richtlinien-Entwürfe zugänglich gemacht, wären sie beschlossen worden, ohne dass ein Bürger Zugang dazu gehabt hätte. Ein Gebahren, dass man schon vom gescheiterten Freihandelsabkommen kennt. Kommunikation und ein inhaltlicher Dialog mit dem Wähler war von der CDU nicht gewünscht. Sie hat sich darauf beschränkt mit all den Lobbyisten aus dem Musik-, dem Film- und dem Verlagsbusiness zu kommunizieren. Was ist das für eine Auffassung von Demokratie? Anstatt dessen hätte man die Kanäle im Internet nutzen können, um Ideen abzuwägen und neue Impulse zu erhalten.

Verunglimpfung der Wähler durch die CDU

Einmal mehr hat vor allem die CDU klar gemacht, dass sie deutsche Bürger mit EU-Interessen, gerade jüngere, nicht ernst nimmt. Sie hat sie erst als Computer-„Bots“ bezeichnet, indem sie unterstellt hat, Stellungnahmen gegen das Urheberrecht im Internet kämen nicht von Menschen. Als sich auf Demonstrationen allerdings gezeigt hat, dass tatsächlich 200.000 Menschen gegen die geplante Reform des Urheberrechts auf die Straße gingen, also keine Software-Bots sein konnten, wurden sie als gekauft denunziert. (Außerdem gab es eine EU-weite Petion, bei der über 5 Millionen Menschen unterschrieben haben). Zwischendurch wurde behauptet, dass nicht deutsche Bürger sondern Google selbst E-Mails an die Abgeordneten geschickt hatte, weil die Stellungnahmen gegen die Richtlinien so zahlreich waren. Beweise für all ihre vorgebrachten Behauptungen hatte die CDU nicht. Letztlich wurde sogar im Parlament von der CDU die Falschaussage verbreitet, man habe den Abstimmungstermin nicht vorverlegen wollen. Das nämlich war von der CDU angeregt worden, wohl um die geplanten Demonstrationen zu unterlaufen. In Diskussionen betonten CDU-Politiker wie der thematisch federführende Axel Voss, dass alles falsch wäre, was Kritiker sagten, sie hätten das Gesetz nicht gelesen. Als Beispiel dafür führte er an, das Wort „Uploadfilter“ stünde nicht im Richtlinien-Entwurf. Denn Uploadfilter werden von Kritikern als Gefahr angesehen. Richtig ist, dass der Begriff in der Richtlinie nicht genannt wird, aber ohne Uploadfilter lässt sich die Richtlinie von großen Anbietern nicht umsetzen. Das musste er später einräumen, andere taten es auch. Es gibt niemanden, der noch behaupten würde, eine Umsetzung der Richtlinie etwa von Google oder Facebook sei ohne Uploadfilter möglich. Also war die Kritik, dass die Richtlinie zu Uploadfiltern führen werde, richtig. Die Kritiker hatten offenbar die Richtlinie genauer gelesen als Axel Voss selbst. Und das, obwohl er Mitautor der Urheberrechtsrichtlinie war.

Wahlergebnis im EU-Parlament

Die Europaabgeordneten haben mit großer Mehrheit die Richtlinien zum neuen Urheberrecht verabschiedet. 348 Abgeordnete des Europaparlaments stimmten für die Reform des Urheberrechts, 274 dagegen und 36 Abgeordnete enthielten sich. Es gab noch einen Antrag auf Änderung, der mit 5 Stimmen knapp scheiterte. Hinterher sagten 10 Angeordnete, sie hätten sich bei dem Änderungsantrag vertan, also für die Änderung gestimmt. Das hätte, hätten sie so gewählt, wie sie es angeblich gewollt hätten, zu einer Änderung der Richtlinie führen können. So aber hatte das im Nachhinein keine Auswirkung mehr auf das Endergebnis. Bei der Abstimmung ein Jahr zuvor sah es so aus.

Fazit: Die Demokratie frisst ihre Wähler

Das Verhalten der CDU hat zu dem Hashtag #nieMehrCDU geführt. Die CDU hat mit der FDP gerade dem jungen Wähler gezeigt, dass sie an einem Austausch mit ihm nicht interessiert ist. Zudem hat sie das Signal gesetzt, dass die EU umstrittene Vorhaben wenn möglich nur hinter verschlossenen Türen mit Interessensvertretern und Lobbyisten führen will. Was das über den Zustand der EU aussagt, ist eindeutig. Sie scheint nun dazu zu tendieren, autoritärer und undemokratischer zu werden. Dabei geht es nicht um das Ergebnis, dass also eine Richtlinie durchkam, die viele nicht wollten. Es geht um zwei andere Punkte: Dass wie beim Freihandelsabkommen der Wählerwille nicht berücksichtigt wurde und dass zum zweiten Kritiker verunglimpft wurden, anstatt sich mit ihnen seriös auseinanderzusetzen. Die CDU ist damit in den kommunikativen Niederungen von Donald Trump angekommen. Wie er hat sie Argumente ignoriert und sie als „Fake-News“ bezeichnet. Auf diesem Wege lässt sie die Staatengemeinschaft der Europäischen Union wie eine Fake-EU erscheinen. Inzwischen kann man zu dem Ergebnis kommen, dass nicht nur die neuen rechten Parteien der EU gefährlich werden sondern vielmehr Abgeordnete, denen es zu mühevoll erscheint, sich in sinnvollen Diskussionen mit dem Bürger frühzeitig über Themen auszutauschen. Einmal mehr hat auch die SPD bewiesen, dass sie über kein eigenes Profil verfügt. Sie hätte einen deutlichen Kontrapunkt setzen können und hat dies versäumt. Auch so konnte das EU-Parlament eine Urheberrechtsverletzung an ihrem demokratischen Auftrag begehen.