Kopfgeburt

Haben Barak Obama und Donald Trump irgendetwas gemeinsam? Eigentlich nicht, aber beide sind Präsidenten, die das Internet als Kommunikations-Tool für ihre Präsidentschaft nutzen bzw. genutzt haben. Obama hat über das Internet für sich geworben, eine Wählerbindung hergestellt und viele Kleinst-Spenden eingesammelt. Wie kein anderer Präsident vor ihm hat sein Team das Netz und seine Möglichkeiten für die Wähleransprache genutzt.

Trump twittert seine Fake News hinaus in die Welt, nutzt so das Web, um seine Anhängerschaft zu erreichen und seine Botarmee geschmeidig zu halten (denn viele seiner Twitter-Follower sind erwiesenermaßen keine Menschen sondern Bots). Der amerikanische Präsident hat durch seine Kurz-Kommunikation auf Twitter klassische Pressemitteilungen oder gar ganze Pressekonferenzen ersetzt, und er hat Tweets zu einem populistischen Werkzeug umfunktioniert, um tradierte regierungskritische Medienstrukturen zu unterlaufen.

Internetöffentlichkeit gegen „Mainstream“-Medien

Wenn die Printmedien und das Fernsehen die sogenannten „Mainstreammedien“ sind, hat Trump mit geringstem Aufwand eine alternative „Independent“-Medienöffentlichkeit geschaffen. Obama war ein Vorreiter für Netzkommunikation, Trump hat dieses präsidiale Nutzerverhalten in seinem Sinne vereinfacht. Das Netz hat es möglich gemacht, dass der einzelne Nutzer, ob Student oder Präsident, selbst Öffentlichkeit über Plattformen wie Facebook, Twitter, YouTube oder über Podcasts zur Verbreitung seiner Botschaften herstellen kann. Er braucht nicht mehr die klassischen Medien als Mittler. Damit ist die sogenannte „Vierte Gewalt“, die Publzistik, mit Presse, Fernsehen und Rundfunk umgangen. Sie gilt als informelle wichtige demokratische Instanz neben Exekutive (die Gesetze vollziehende Regierung und Verwaltung), Legislative (Gesetzgebung) und Judikative (Rechtsprechung). Jeder Internetnutzer kann heutzutage Journalist oder Fotograf sein, jeder ein Kolumnist oder etwas ganz Neues. In jedem Fall kann man mit subjektiven Beiträgen zur Meinungsbildung beitragen. Das ist für die alte Politik schwer verständlich weil schwer kalkulierbar und beeinflussbar. Auch die alten Medien sind dadurch verunsichert, dass etwa YouTuber nicht nur gleiche Reichweiten erzielen sondern gerade in jüngeren Zielgruppen sogar weit darüber hinausgehen – was man an Ereignissen wie dem Rezo-Video zur EU-Wahl 2019 sehen kann. Medieneinfluss hat auch etwas mit Macht zu tun. Die Medienmacher der alten Medien sind verstimmt über die geänderten Verhältnisse, ebenso alte politische Parteien.

Regierungspolitik im Web 3.0?

Gibt es konservative Politiker in Deutschland oder Europa, die technologisch-kommunikativ nicht hinterm Mond sind? Offenbar fällt es der älteren Generation schwer, über Twitter hinaus das Web und im speziellen Social Media zu bedienen. Interessant auch, dass gerade CDU-Politiker in jüngster Vergangenheit „Social Media“-Kanäle für eine polarisierende Kommunikation und die Verbreitung von Falschmeldungen genutzt haben, etwa bei den Diskussionen um das neue Urheberrecht in Europa. Man befindet sich in „guter“ Gesellschaft: Spitzenreiter in der quantitativen Nutzung etwa von Facebook ist die AfD, die so unter anderem Hassbotschaften und Fake News teilt. Aber es gibt im deutschsprachigen Raum zwei Prototypen neuen konservativen Zuschnitts, die aus anderen Gründen als ihre Parteigenossen aufmerken lassen und Webkommunikation konstruktiv für ihre Ziele praktizieren.

Philipp Amthor, der rechtskonservative CDU-Netizen

Der eine ist Philipp Amthor, ein sechsunzwanzigjähriger deutscher Rechtsanwalt und CDU-Politiker. Allenthalben machen sich Webbewohner über ihn lustig, weil er als jüngster CDU-Abgeordneter so aussieht, wie man sich einen jungen sehr konservativen CDU-Abgeordneten vorstellen könnte: korrekt gekleidet wie die Politiker-Vätergeneration mit sehr gradem Seitenscheitel, und die große Brille lässt ihn eher wirken wie einen Penäler. Tatsächlich ist er in Gesprächen oft freundlich und zeigt Humor, doch der Mann ist weniger brav, als er aussieht und sein Ehrgeiz und seine Einsatzbereitschaft könnten ihn in der CDU weit bringen. Das kann man ganz gut sehen, wenn man sich anschaut, wie eloquent er im Bundestag argumentiert.

Philipp Amthor in der Rezo-Video-Auseinandersetzung

Philipp Amthor, der seit 2017 im Bundestag sitzt, denkt schnell, argumentiert gut, ist geschliffen wortgewandt und meist gut vorbereitet. Andererseits kann er aber auch improvisieren, denn aus de Stegreif zu kommunizieren ist sein Metier. Als einer der wenigen in der CDU versteht er, wie das Web und Social Media funktionieren. Im Konflikt um das Rezo-Video „Die Zerstörung der CDU“ war er derjenige, der schnell ein Reaction-Video drehte, das aber nicht veröffentlicht wurde. Die Alten in der CDU haben die kommunikative Mechanik nicht verinnerlicht und blockieren die Fremdkörper „Social Media“ und „Video“, weil die sich bisher ihrem Einfluss entziehen. Die Freiheit des Internet ist bezogen auf Medienmacht oder Medienhoheit inzwischen ein Politikum geworden. So war das Mittel der Wahl gegen das Rez-Video bei der CDU eine Retro-PDF-Datei mit Gegenthesen. Amthor war auch derjenige, der auf YouTube verschiedenen Fragenden Rede und Antwort stand und im Rezo-Video-Konflikt so etwas wie das junge Aushängeschild der CDU wurde. Allerdings ist der kulturell-politische Hintergrund der CDU nicht unbedingt kompatibel mit dem lockeren Geist von Social Media. Dennoch hat Amthor prototypisch vorgemacht, wie es gehen könnte, dass die angestaubte CDU ihre meist jugendfernen Inhalte an jüngere Zielgruppen verkauft. So locker und netzaffin, wie es nötig wäre, wird Amthor nicht sein aber er wagt sich in die Höhle des Löwen des medienkulturell Andersartigen.

Sebastian Kurz, der FPÖ-Koalitionär

Ein nur ein paar Jahre älterer Politiker, der österreichische Kanzler Sebastian Kurz, Jahrgang 1986, nun also 32 Jahre alt. Er ist ähnlich wortgewandt und selbstsicher wie Amthor. Seine unheilige Allianz mit der FPÖ machte ihn in linken Kreisen zur Hassfigur, nur kann man ihm nicht absprechen, dass er trotz Abwahl als Bundeskanzler nicht wie ein Verlierer wirkt. Der relativ hohe Wahlerfolg bei der EU-Wahl 2019 für seine konservative Partei ÖVP stützt ihn als Hoffnungsträger seiner Partei auch für die Neuwahl im September. Die Ergebnisse für Österreich bei der EU-Wahl waren:

  • ÖVP: 34,6%
  • SPÖ: 23,9%
  • FPÖ: 17,2%
  • Grüne: 14,1%
  • Neos: 8,4%

Der medienwirksame Selfie-Präsident

Am liebsten wäre es Kurz, er könnte bei der nächsten Wahl eine Koalition mit den liberalen Neos realisieren. Die nächsten Monate bis zur Wahl wird sich Kurz auf seinen medienwirksamen Wahlkampf konzentrieren. Wie bisher wird er die Sozialen Medien nutzen und sich wie ein Star per Selfie von Fans, um in der Social-Media-Welt präsent zu sein, fotografieren lassen. Seinem Bekanntheitsgrad in der jungen Zielgruppe tut das gut. Aber auch analog ist er unterwegs, macht sich ganz volksnah im T-Shirt mit Österreicher/innen auf zur gemeinschaftlichen Bergwanderung. Amthor hat in seinem Wahrkreis „Mecklenburgische Seenplatte I, Vorpommern-Greifswald II“ seine Handynummer plakatiert und konnte von jedem Wähler oder interessierten Bürger persönlich und direkt angerufen werden.

Was haben Amthor und Kurz gemein?

Was sind die Gemeinsamkeiten der beiden Politiker? Beide sind konservativ, volksnah und umtriebig. Man kann ihnen großen Ehrgeiz unterstellen, etwas zu bewegen zu wollen und erfolgreich zu sein. Das junge aktive Auftreten ist kontrastiert mit einem recht konservativen Erscheinungsbild. Amthor ist etwa gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, gegen eine grünere CDU, er bedauert, dass beim Drohnenkrieg Zivilisten umkämen, aber das müsse man in Kauf nehmen. Er ist gegen eine explizite Förderung der Gleichstellung der Geschlechter (also gegen das sogenannte Gender-Mainstreaming), für Massentierhaltung, gegen eine Mietpreisbremse und sogar für den § 219a, der Ärzten die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft verbietet und damit Personen, die lediglich darüber informieren, kriminalisiert. Auch die Legalisierung von Canabis will er nicht, sieht in der Teillegalisierung für medizinische Zwecke schon einen großen Schritt.

FPÖ und ÖVP: Rechts, rechter, neoliberal

Der Sündenfall des österreichische Ex-Bundeskanzlers Sebastian Kurz ist die Koalition mit der FPÖ, einer in Teilen polulistisch-rechtsextremen Partei mit stark antidemokratischen Zügen. Selbst nach seiner jetzigen Abwahl hat er eine erneute Koalition mit der FPÖ nicht ausgeschlossen. Man kann beide Politiker als selbst innerhalb ihrer konservativen Parteien CDU und FPÖ als rechts stehend einordnen, wobei Kurz einen neoliberalen Kurs einschlägt, der Steuern für Wohlhabende vermeidet und Asylanten schlechter stellt als bisher, sich aber auf die Fahnen schreibt, illegle Einwanderung zu unterbinden. Kurz wirkt wie ein adretter Posterboy, Amthor wie dem Titel eines Madheftes entsprungen. Beide sind hoch intelligent, strategisch gut und man kann ihnen zutrauen, dass sie aktiv sehr viel tun, um ihre Ziele zu erreichen. Wenn alles in seinem Sinne gut geht, hat sich Kurz jetzt der FPÖ, der traditionsreichsten rechtspopulistischen Kraft in Europa, entledigt, auch wenn eine Koalition mit der FPÖ bei der Wahl im September denkbar wäre. Er hat die FPÖ in der skandalbegleiteten Koalition geschwächt, hat sie im Innenministerium als Partei für die Drecksarbeiten agieren lassen, was manche Österreicher bejubelt haben, während andere entsetzt waren. In der Polarisierung des Geschehens wirkte dann die ÖVP fast schon wie ein optimaler Kompromiss zwischen Härte und Menschlichkeit. Kurz kann der FPÖ alles, was politisch menschenverachtend gelaufen ist, in die Schuhe schieben, wobei Kurz selbst die rechte Asylpolitik mitträgt. Über allem Handeln thront das Filmstar-Äußere unter Kurz’s zurückgekämmten Haaren. Damit profitiert er von seinem Social-Media-kompatiblen Äußeren, lässt sich durch nichts aus der Ruhe bringen und schärft, je länger er politisch arbeitet, sein Profil.

Kommunikatve Kompetenz als Faktor der Selbstdarstellung

Ein Punkt verbindet den deutschen und den österreichischen Politiker: Ihre Redekompetenz und analytische Stärke – ihre Gewandheit im persönlichen Gespräch nutzen sie im Rahmen von Sachlichkeit und klassischer Argumentations-Stärke. Das erinnert an amerikanische konservative Polit-Aktivisten wie Ben Shapiro, die oft schlagfertiger und schneller im Denken sind als ihr Gegenüber und so Gesprächssituationen dominieren, obwohl ihre Botschaften Inhalte der Großvätergeneration wiederkäuen. Kurz redet selten über den politischen Gegner oder kommentiert oft noch nicht einmal dessen Taten, er stellt nur seine eigenen Vorteile und Sichtweisen in den Vordergrund. Amthor wirkt sympathisch-witzig, ist aber kommunikativ klar und verbindlich in der Sache. Seine Stärke ist, sich nicht zu politisch zu verstecken oder zu verkleiden, sein erzkonservatives Programm klar zu benennen und sich darüber zu positionieren. Einen Rat an seine Partei, nicht einfach so grüne Positionen zu adaptieren sondern das eigene Profil zu schärfen, zeigt ihn als Markentechniker.

Retro-Inhalte von anno dazumal

Was zu denken gibt, ist, dass zwei für den Politikerbetrieb junge Menschen Inhalte vertreten, die aus der Vergangenheit stammen. Der § 219a, den Amthor unterstützt,  verkörpert einen Geschlechterbegriff wie vor hundert Jahren, als Frauen nicht selbst über ihren Körper und darüber, ob sie gebähren wollen oder nicht, bestimmen durften. Der Paragraph ist eng verbunden mit einem hierarchischen Verständnis des Umgangs der Geschlechter untereinander. Sebastian Kurz propagiert ähnlich wie es in Deutschlang geschehen ist, das Ende der Staatsneuverschuldung. Das hat einerseits etwas Positives im Sinne eines „Nicht-über-seine-Verhältnisse-leben“, andererseits reduziert diese gesetzlich verordnete Schuldenbremse die Mittel für einen ökonomisch-sozialen Ausgleich bleibend. Kurz kaschiert das in seinem politischen Bauchladen der Angebote an verschiedene Zielgruppen, indem er Gelder für soziale Leistungen erhöht. Doch unterm Strich schafft er einen Staat gemäß eines Weltbildes, in dem sich alles der Ökonomie unterordnet und die ökonomischen Gewinner überproportional bevorzugt werden, während die gesellschaftlichen Verlierer langfristig weiter absteigen werden. Ein klassich neoliberales Staatsmodell, das die Ökonomie als Nutzensystem für einige wenige Begünstigte über den Bürger in der ökonomisch darbenden Masse stellt. Klarer ausgedrückt: Neoliberalismus ist ein Selbstbedienungssystem für Wohlhabende. Die Schuldenbremse hat auch die Wirkung, die Schere zwischen Arm und Reich weiter zu spreizen, weil es weniger Flexibilität der Budgets zur Folge hat. Aber: Keiner in der jüngsten Zeit hat hat diese eigentlich sehr bittere Kröte besser verkauft als Sebastian Kurz und ihr ein Gewand aus Zuckerguss verpasst. Er ist ein Kanzler gwesen, der die Ökonomie auf Kosten der Solidargemeinschaft stärkt.

Politik-Botschaften und Social Media

Beide Politiker verkörpern jeder auf seine Weise einen Politikertypus neuen konservativen Zuschnitts. Sie wissen um die Möglichkeiten der webbasierten Social-Media-Kommunikation, konzentrieren sich auf ihre Stärken und meiden keine Konflikte. Denn in der sachlichen Auseinandersetzung sehen sie die Chance, gestärkt daraus hervorzugehen. In gewisser Weise sind sie die wertkonservative Antwort auf den Populismus. Während der undemokratische Populismus unsachlich mit Falschmeldungen agiert und im eigentlichen Sinne keine Problemlösungen anstrebt, erscheinen Amthor und Kurz als Fachleute für klare Inhalte. Dass ihre Inhalte wenig Neues bieten, übersieht der Wähler dabei leicht, weil die professionelle Art ihrer Kommunikation und auch ihr äußeres Erscheinungsbild das überdecken.

„Stabilität“ als Wahlversprechen

Die konservative Meta-Botschaft ist seit jeher durch Begriffe wie „Beständigkeit“, „Verlässlichkeit“, „Zuverlässigkeit“ und „Stabilität“ geprägt. Die Relevanz der Begriffe hat sich im Laufe der Jahrzehnte gewandelt. Spätestens seit der letzten Weltwirtschaftskrise aber haben sie Renaissance, weil sie einem Heilsversprechen in unsicheren Zeiten gleichkommen. Man mag annehmen, das diese Stratgie langfristig verfangen und Wähler überzeugen könnte. Während Amthor auch bei kritischen Fragen der alten und neuen Medien, bei denen seine Parteioberen aus der Haut geraten würden, ganz Herr der Lage ist, vermeidet Kurz vor allem, den politischen Gegner zu schmähen und kommuniziert in Gesprächen nur das, was ihn selbst profiliert. Mit seinem „Team Kurz“ hat er sich schon in seinem damaligen Wahlkampf als Marke über seine eigene Partei gestellt und dafür Social Media genutzt. Das und seine relative Jugendlichkeit kommt gut an bei der jüngeren Zielgruppe, sein konservatives Auftreten und seine Besetzung von für die Außenkommunikation wichtigen Begriffen bei den älteren Zielgruppe. So hat er nach dem Scheitern der Koalition mit der FPÖ den Begriff der „Stabilität“ gebetsmühlenartig für sich besetzt. Nach seiner Abwahl als Kanzler hat er nun das Schreckgespenst einer vermeintlichen Union von FPÖ und SPÖ verbreitet, was strategisch einen guter Hebel für ihn ist, da sich beide Konkurrenzparteien durch Skandale unbeliebt gemacht haben und Kurz den Zweifel an ihrer Verlässlichkeit im Sinne der von ihm penetrierten „Stabilität“ nähren wird.

Straches Videoaffäre und die SPÖ-Silberstein-Affäre

Heinz-Christian Strache von der FPÖ war als Koalitionspartner und Vizekanzler über eine Videoaffäre gestolpert, in der er als korrupt entlarvt worden war, was zu seinem Rücktritt und dem Bruch der Koalition geführt hatte. Die SPÖ hatte in der österreichischen Nationalratswahl 2017 den Politikberater Tal Silberstein enagiert um mit unlauteren Mitteln wie Fake-Social-Media-Accounts versucht, Kurz in eine rechtsextreme Ecke zu stellen. Die Aktion flog auf, ging als „Silberstein-Affäre“ in die politische Geschichte Österreichs ein und führte in der Folge dazu, dass der dann gewählte Bundeskanzler Kurz mit der FPÖ koalierte. Inzwischen hat die ÖVP Kurz als ihren Parteiobmann wieder zum Spitzenkandidaten für die Nationalratswahl im September ausgerufen.

Inhalte, Themenfelder und Antworten auf drängende Fragen

Was haben die neuen Konservativen eigentlich inhaltlich zu drängenden Fragen zu sagen? Reagieren sie auf Neues? Einige neue Thematiken sind um Beispiel:

  • Maßnahmen gegen den Klimawandel
  • Digitalisierung und ihre sozialen Auswirkungen insbesondere unter Berücksichtigung ihrer Wirkung auf Arbeitsmarkt und den Begriff von Arbeit
  • Umsetzung und Implementierung der Gleichberechtigung
  • Sexuelle Identitäten jenseits des Heterosexuellen
  • Die neue Medienlandschaft und ihre Rolle in der Demokratie
  • Einschränkung der Bürger-Freiheiten durch Urheberrechtsgesetzgebung
  • Neue Infrastrukturkonzepte

Es gibt gesellschaftliche Trends, die sich um sexuelle Individualität drehen, das fing vor Jahrzehnten im politischen Deutschland mit der noch eher versteckten Debatte über Homosexualität an und ist im politischen konservativen Mainstream angekommen. Heute geht es also um gesellschaftliche Gleichstellung und um neue Fragen der sexuellen Identität. Das sind Gegebenheiten, die neue Fragen aufwerfen. Was sind die Antworten der konservativen Politik? Philipp Amthor und Sebastian Kurz haben hier erstaunlich wenig zu bieten. Kurz betrachtet das Staatsgebilde offenbar grundsätzlich wie ein Unternehmen, das gelenkt und optimiert werden muss. „Weiche“ Faktoren wie Soziales, beispielsweise in Form der Stärkung der Frauenrechte, kommen zu kurz. Auch Amthor bietet nichts Richtungsweisendes, er ist einfach gegen die rechtliche Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Man möchte meinen: Typisch konservativ. Das Gespür für gesellschaftliche Realitäten ist unterbelichtet, der typische Konservative scheint seit jeher in seiner Filterblase fortwährender Unabänderlichkeit gefangen zu sein. Das gewinnt gerade dann an Dramatik, wenn der Entscheider jung ist aber keine neuen Rezepte vorweisen kann sondern lediglich Lösungen anbietet, die vor Jahrzehnten up to date waren. Der Umgang der CDU mit YouTube-Videos ist da nur ein Indiz für die Hilflosigkeit gegenüber den Erfordernissen der Gegenwart. Politik tut gut daran, nicht zu kurzfristig und zu hektisch zu entscheiden, aber eine Politik, die neue Themenfelder ignoriert, handelt nicht im Sinne der Gesellschaft. Das mögliche Vorurteil, dass jüngere konservative Entscheider neue Themenfelder besetzen und innovativ vorantreiben, findet sich nicht bestätigt. Amthor und Kurz können mit ihren Konzepten maximal mit Beständigkeit punkten, drängende gesellschaftliche Fragen blenden sie aber aus wie ihre Vorgänger.