Wetter-Guru: Mit Jörg Kachelmann wurde das Wetter heiterer. Welch düsteres Leben er selbst geführt hat, ist eine andere Geschichte.

Wetter-Guru: Mit Jörg Kachelmann wurde das Wetter heiterer. Wie düster das Leben war, das er selbst geführt hat, ist eine andere Geschichte.

Wir alle sind Schauspieler und Lügner. Nur wird es rein technisch unheimlich kompliziert, mehrere Rollen gleichzeitig auszufüllen, mehrere Lügengebäude parallel zu errichten und sich darin komfortabel einzurichten. Das ist wie beim Schachspielen: Man muß die Züge des Gegenüber schon viele Spielebenen im voraus berechnen, um eine entsprechende Gegenstrategie planen zu können. Von Jörg Kachelmann, dem Wetterpropheten, weiß man, dass er zeitgleich sieben verbürgte Lebensgefährtinnen hatte, die alle nicht voneinander wußten.

Der Mensch als Medien-Phänomen
Jörg Kachelmann ist ein seltsames Medienphänomen, oder sagen wir, ein sehr spezielles Medienphänomen, das jetzt zum Medienschicksal mutiert ist. Ein solches hat einen von vornherein begrenzten Lebenszyklus, der von Auferstehung aus dem Nichts und einem unweigerlichen Verfall geprägt ist. Im Erstarken, im großen Erfolg, sind ein langer Blindflug und ein zwangsläufiger, langsamer Niedergang oder aber ein extremer Absturz bereits enthalten. Mit anderen Worten: Die Konstruktion einer erfolgreichen Kunstfiugur, die in der medial verbreiteten Form nicht wirklich existent ist, beinhaltet bereits innerhalb eines Automatismus ihre vollständige Dekonstruktion. Das kann man sich vorstellen wie einen edlen Holzbleistift, der so lange hervorragend schreibt, wie er angespitzt ist. Damit er spitz ist, muß man ihn ständig anspitzen, wodurch er jedoch immer kürzer wird. Man weiß also von Anfang an, dass er irgendwann aufgebraucht ist und nicht mehr da sein wird. So ist das in der Regel auch mit den Fernsehstars und ihrer Halbwertzeit. Ganz ähnlich wie die atomare Strahlung verblasst der Nimbus einer Berühmtheit – nur etwas schneller.

Wetter-Prophet: Jörg Kachelmann, der Regenmacher stand für die Sonne im Herzen der Menschen. Wer aber war er selbst?

Wetter-Prophet: Jörg Kachelmann, der Regenmacher, ließ die Sonne im Herzen der Menschen scheinen. Wer aber ist er selbst?

Die Medien-Nische „Wetterbericht“ als Mammon-Maschine
Jörg Kachelmann, ein Moderator der ARD, der Wetterberichte moderiert und damit ansich nichts Besonderes macht, hat eine Medien-Nische für sich entdeckt und diese geschickt genutzt. Die wichtigsten Dinge im Leben eines Menschen scheinen nämlich vom Glauben dominiert zu sein: Ob es um Sternzeichen und damit um die Vorhersehbarkeit des Lebens geht, oder um das Leben nach dem Tod und damit um Sterblichkeit und um Unsterblichkeit zugleich oder eben: um das Wetter – und damit wieder um die Vorhersehbarkeit von Geschehnissen. Eigentlich wissen wir nichts und glauben alles.

Wetter-Rauschen: Jörg Kachelmann, der Medienmann, von dem niemand wußte, wer er wirklich war.

Wetter-Rauschen: Jörg Kachelmann, der Medienmann, von dem niemand wußte, wer er wirklich war, existiert in mehreren Parallel-Welten gleichzeitig.

Gesprächsthema „Wetterbericht“ als Völkerverständigungs-Element
Der traditionell als Wissenschaft daherkommende Wetterbericht ist vor allem deshalb wichtig, weil er ein Allerwelts-Gesprächsthema ist, das Menschen als Inhalts-Placebo bzw. als Pseudo-Inhalt miteinander verbindet. Redensarten wie „Hast Du das Wetter bestellt?“ oder Äußerungen über die vermeintlich zu lang währende kalte Jahreszeit sind wahrscheinlich die häufigsten Gesprächsthemen der Menschheit, stellen sicher, dass Menschen zumindest ein kulturübergreifendes und Verständnis erzeugendes Thema haben, über das sie miteinander reden können, anstatt etwa rumzupöbeln oder Häuser niederzubrennen. Der Austausch über das Wetter trägt zur Völkerverständigung bei und hat unter Umständen bereits mehrere Atomkriege verhindert, weil Generationen amerikanischer und russischer Präsidenten so wenigstens ein gemeinsames Gesprächsthema hatten, das für beide Seiten nachvollziehbar war. (Nun ist die Frage, ob man sich mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad auch pfleglich über den Wetterwechsel unterhalten kann.)

Wetter-Bericht: Wie es dem Wetter ging, hat davon abgelenkt, wie es der Medienfigur Jörg Kachelmann ging.

Wetter-Bericht: Wie es dem Wetter ging, hat davon abgelenkt, wie es der Medienfigur Jörg Kachelmann ging.

Markt-Nische „Wetter-Prophetie“
Jörg Kachelmann also hat sich des Themas „Wetter als flott moderierter Bericht“ angenommen und aus der drögen und tot-traurigen Wissensvermittlung ein flottes Medienformat gemacht. Er war diesbezüglich in Deutschland der erste, ein Medien-Nischen-Pionier. Man mag dies für unwichtig halten oder dies als besondere Leistung herausstellen – in jedem Falle ist Kachelmann so eine enge assoziative Symbiose mit dem Thema „Wetter“ eingegangen. So wie die Marke „Tempo“ ein Synonym für Papiertaschentücher geworden ist, so ist „Kachelmann“ eine Entspechung für „das Wetter“ bzw. sogar für ein dynamisches und modernes Wetter geworden – was immer das sein mag. Er ist auf diese Weise zum Wetter-Unternehmer geworden, der nicht nur Moderator ist sondern Anteile an einem Unternehmen hält, das die Medien mit Wetterberichten versorgt. Und natürlich hat er es zur Medienprominenz gebracht. Er hat ein bekanntes Gesicht, er ist als menschliche Marke positiv besetzt. Der Mensch dahinter wirkte im Fernsehen stets schnell redend, wenig greifbar – als im Grunde flüchtige Erscheinung. Vielleicht kam in dieser Präsentation seines Images bereits unterschwellig heraus, dass er ein geschickter Konstrukteur von Scheinwelten war, der sich von Scheinwelt zu Scheinwelt hin- und herbewegte, niemals ankam und immer auf der Wanderschaft war – eventuell zudem auf der Flucht vor sich selbst, weil er ein Mensch sein könnte, der sich selbst nicht mag und deshalb auch in einer Beziehung nichts Positives erzeugt.

Wetter-Leuchten: Im Fernsehen sieht die Wirklichkeit anders aus, als sie es tatsächlich ist.

Wetter-Leuchten: Im Fernsehen sieht die Wirklichkeit anders aus, als sie es tatsächlich ist.

Lebenswirklichkeiten: Vom Schein zum Sein
Jörg Kachelmann verkörpert solchermaßen als Kunstfigur das große Menschheitsthema „Vom Sein zum Schein“ oder auch umgekehrt. Eine seiner sieben Lebensgefährtinnen, äußert sich nun in der aktuellen Ausgabe des Magazins „Bunte“. Demnach habe Kachelmann über einige Jahre hinweg mehrere Parallelbeziehungen mit Frauen geführt, denen allen er mehr oder weniger die Ehe versprochen hatte, die alle nichts voneinander wußten. Sein Trick sei gewesen, dass er Normalität vorgespiegelt habe. So habe er explizit die Eltern kennenlernen wollen, habe Familiengeburtstage mit seinen Frauen besucht und die sich in „Bunte“ äußernde Interviewte mit zu seinen Kindern genommen. Um dieses Gespinst der Unwahrheit aufrecht erhalten zu können, habe Kachelmann seine Arbeit und immer wieder offenbar nicht existente, schwere Krankheiten vorgeschoben, die seine jeweilige längere Abwesentheit gerechtfertigt hätten. So gesehen wäre Kachelmann ein Mensch, der in den Medien von sich ein anpackendes, dynamisches und humorvoll-positives Image erzeugt hat, das er unter Umständen irgendwann mit seinem eigentlichen Ich verwechselt hat und die beiden nicht mehr voneinander trennen konnte, um dann womöglich in allmachtsphantastischen Größenwahnvorstellungen der sexuellen Unersättlichkeit unterzugehen.

Wetter-Geschichten: Wer übers Wetter redet, hat immer etwas zu erzählen, unabhängig davon, ob eintritt, worüber man redet.

Wetter-Geschichten: Wer übers Wetter redet, hat immer etwas zu erzählen, unabhängig davon, ob eintritt, worüber man redet.

Vom Amoklauf zum Mediengewitter
Soweit schien das schon seit einer „Stern“-Reportage kurz nach seiner Inhaftierung klar zu sein. Was aber in den Stellungnahmen seiner Ex-Lebensgefährtin neben diesem abgedrehten Scheinleben besondern verwundert, ist, dass sie sagt, sie habe ihn „geliebt“ und er sei „der Mann ihres Lebens“ gewesen, sie ihn aber offensichtlich gar nicht richtig gekannt hat. Mit wem war sie zusammen? Mit Jörg Kachelmann, dem Medien-Image? Dem Moderatoren-Promi und wohlhabenden Regenmacher? Oder mit Jörg Kachelmann, dem Privatier, der offenbar in der Lebenswirklichkeit der Beziehung nur rudimentär existierte? Was fand sie als 30 Jährige an dem über 50-Jährigen gut, der weder besonders schön noch jung noch überhaupt oft anwesend war? Ein bißchen kommt das Gefühl wie bei jedem x-beliebigen Amoklauf auf, wo hinterher alle Familienmitglieder sagen, es wäre aus heiterem Himmel gekommen und hätte sich nicht angekündigt. Soll heißen: Sagt ein angeblich aus heiterem Himmel erfolgter Amoklauf, der sicher nur am Ende eines langen Prozesses in der Entwicklung eines Menschen steht, nur etwas über den Täter aus oder auch über sein Umfeld, das nicht hingesehen und nichts bemerkt hat? Wen also hat die Ex-Lebensgefährtin, die aber nur eine unter vielen Lebensgefährtinnen war, geliebt? Am Ende auch nur ein Abziehbild des originalen Menschen mit getunten Eigenschaften? Ist sie in die Falle der Medienvirtualität getappt? Hat sie sich durch medial-omnipotent überhöhte Eigenschaften blenden lassen? Fragen über Fragen, auf deren Beantwortung wir durch die Medien nicht hoffen dürfen.

Die „Bunte“ als Quanten-Medium
Eines immerhin scheint festzustehen, sofern überhaupt irgendetwas feststeht: Jörg Kachelmann hat in mehreren Paralleluniversen gleichzeitig gelebt und damit indirekt einen Beweis dafür angetreten, dass die moderne (Quanten-)Physik, die behauptet, es gebe mehrere Wirklichkeiten neben der von uns wahrnehmbaren, nicht so falsch liegen kann. So konnte letztlich auch der Beweis verwandschaftlicher Beziehungen zwischen heißen Boulevard-Geschichten und der Sachlichkeit der kühlen Wissenschaften erbracht werden.