Auf dem Weg zum Matriachat: Nach Angela Merkel als Bundeskanzlerin wird Hannelore Kraft Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes - sofern sie es sich nicht anders überlegt

"Kramerkel" auf dem Weg zum Matriachat: Nach Angela Merkel als Bundeskanzlerin wird Hannelore Kraft Ministerpräsidentin des bevölkerungsreichsten Bundeslandes - sofern sie es sich nicht anders überlegt

Was hat man nicht alles erlebt im NRW-Wahlkampf und in den darauf folgenden Versuchen, eine Regierung zu bilden? Die diversen Verhandlungen von SPD und „Bündnis90/Die Grünen“, um Mitstreiter zu finden, erst „Die Linke“, dann die CDU, dann wieder die FDP, die sich zwischenzeitlich geziert hatte, um schließlich vorgestern zu sagen: Die SPD ginge in die Opposition, um Landesvater Jürgen Rüttgers und seiner CDU das Regieren schwer zu machen. Das dies der einzig seelig machende Schritt sein könne, wurde auch dezidiert begründet.

„Bündnis90/Die Grünen“ war enttäuscht, wegen mangelnder Absprache, die SPD-Basis fand’s mutig und die Bundes-SPD fand es nicht so gut, weil damit die Mehrheit der CDU/CSU/FDP im Bundestag bestehen bliebe. Mit negativen Konsequenten für das Bildungssystem, das zu einem der Hauptthemen des Wahlkampfes geworden war, und die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke – um nur zwei drängende aktuelle Beispiele zu nennen.

Gestern Nachmittag dann die x-te neue Wendung:
SPD-Chefin Hannelore Kraft tritt vor die Presse und sagt, sie würde nun doch eine rot-grüne Minderheitsregierung anstreben. Diese müsste, um einigermaßen regieren zu können, Stimmen von „Die Linke“ bekommen (oder vielleicht auch die eine oder andere von der FDP?). Die Gründe für diese Umorientierung? Vermutlich Gespräche mit dem Bundesvorstand der SPD mit Blick auf den Bundesrat. Hier würde die schwarz-gelbe Mehrheit nämlich kippen, wenn die SPD regieren würde, selbst wenn es nur mit ach und krach möglich ist.

Angela Merkel hatte sich eingeschaltet, Jürgen Rüttgers die Entscheidung Hannelore Krafts nicht sehr staatsmännisch kommentiert und nun ist die politische Welt in NRW aus den Fugen geraten.

Angela Merkel hatte sich eingeschaltet, Jürgen Rüttgers die Entscheidung Hannelore Krafts nicht sehr staatsmännisch kommentiert und nun ist die politische Welt in NRW aus den Fugen geraten.

Eine saubere Lösung?
Es scheint, als hätte Hannelore Kraft eine im weitesten Sinne saubere Lösung gewollt, nun könnte es zu einer langwierigen Schlammschlacht kommen, weil die Mehrheitsverhältnisse zu knapp sind und das politische Kalkül unter Umständen zu fragil. Die Lösung, Rüttgers weiter regieren zu lassen und ihm alle politischen Entscheidungen aus der Hand zu nehmen, hätte wohl relativ schnell zu Neuwahlen geführt – zumindest sagt das die bisherige Erfahrung. Die jetzige Lösung könnte für das positive Image, das Hannelore Kraft als gefühlte Siegerin der Wahl hatte, gefährlich werden. Aber: Parteiräson steht vor persönlichem politischen Interesse.

Kurzfristige Entscheidung contra nachhaltiger Positionierung?
Die SPD hat sich für eine Lösung entschieden, die kurzfristige Interessen bedient. Ob das wohl eine Entscheidung war, die politisch nachhaltig war und den politischen Wechsel, die die Mehrheit der Wähler wollte, adäquat umsetzen kann? Und wird die SPD, die in NRW wieder im Aufwind war, auch wenn das Wahlergebnis im Verhältnis zur Vergangenheit eher bescheiden ausfiel, ihrer Aufwärtstrend gegenüber der CDU fortsetzen können? Alles auch eine Image-Sache. Darüber, wie sie ihre Neuorientierung der Bildung einer Minderheitsregierung begründet, dass nämlich die FDP die Regierungskoalition für beendet erklärt hätte, kann man nur lächeln: Ein Versuch in den chaotischen Kaffesatz der politischen Wahlverwandtschaften und Konstellationen so etwas wie Sinnhaftigkeit hineinzudeuten.

Artikel nach der Wahl:
NRW-Koaltion: SPD im parlamentarischen Schmollwinkel und die Kanzlerin greift ein
NRW-Koalition: Aussitzen für Fortgeschrittene
NRW-Koalition: Es hat sich ausge(h)ampelt
NRW-Wahl: Rot-grün-rote Gespräche gescheitert und was passiert jetzt?
NRW-Wahl: Koalitionsverhandlungen als Hütchenspiel im Poker-Schach
Linke: Lafontaine’s Rostocker Abschiedsrede
Bundespolitik: Das Ende der Regierbarkeit
NRW-Wahl: Welche Koalition denn nun?
NRW-Wahl: Wer kann was am besten?
NRW-Wahl: Der Koalitions-Polit-Tanz (Video)
NRW-Wahl: Die Top-Koalitionspartner (Video)

Artikel vor der Wahl:
NRW-Wahlkampf (1): Die CDU malt Rüttgers in Schwarzweiß
NRW-Wahlkampf (2): Die SPD mit echt fetten Aussagen
NRW-Wahlkampf (3): „Die Linke“ mit Gysi in Recklinghausen
NRW-Wahlkampf (4): „Die Linke“ mit Lafontaine in Essen
NRW-Wahlkampf (5): Die CDU und die Doppelbödigkeit der Politik
NRW-Wahlkampf (6): Die FDP und die Untiefen der Politikverdrossenheit