Wenn das Öl versiegt: Deutschland 1973

In den 50er und 60er Jahren war die Angst vor der Bombe allumfassend und beherrschend, angesichts von Ereignissen wie der Kuba-Krise auch gar nicht so ungerechtfertigt. Abgesehen vom kalten Krieg wiegte man sich aber ziemlich in schnuckliger Sicherheit,  schließlich ging es mit dem Wohlstand steil bergauf und mit der Arbeitslosigkeit runter,  der technische Fortschritt war allmächtig und versprach in wenigen Jahrzehnten fliegende Autos für alle.

In den 70er Jahren wuchsen dann allerdings neben dem nuklearen Schreckgespenst weitere gefühlte Bedrohungen heran. So war es 1971 in „Der Omega-Mann“ schon nicht mehr die Bombe, sondern die biologische Kriegsführung, die die Erde mittels einer Seuche entvölkert und die meisten Überlebenden in vampirartige Wesen verwandelt. Erste Krisenanzeichen des fordistischen Wirtschaftssystems, wie die Ölkrise von 1973,  führten den Industrienationen vor Augen, wie fragil ihre Lebensform war und dass diese von Ressourcen abhing, die irgendwann versiegen könnten.

1973 war dann auch das Jahr, in dem „Soylent Green“ das Licht der Leinwand erblickte. Ein Jahr nach dem der Club of Rome  seinen Bericht über die Grenzen des Wachstums veröffentlicht hatte, war dies einer der ersten Stoffe, der die Katastrophe in einem ökologischen Kollaps verortet: Wegen massiver Überbevölkerung ist in New York praktisch jeder Quadratmeter mit Mensch angefüllt, die einzige noch frei verfügbare Nahrung ist das angeblich aus Algen hergestellte Soylent Grün. Am Ende kommt jedoch raus, dass Soylent Green aus der einzigen Ressource besteht, die es auf der Erde noch im Überfluss gibt: Menschenfleisch. Die Evolution frisst ihre Kinder.

Von 1975 stammt A Boy and his Dog, der die bekannten Elemente des Weltendes ins Groteske übersteigerte. Hier ist die Zivilisation so weit verfallen, dass die Überlebenden an der verbrannten Oberfläche ausschließlich triebgesteuert sind. Das einzige Ziel des Protagonisten Vic im ganzen Film ist es, eine Frau zu finden und sie zu vergewaltigen, wobei ihm sein telepathisch begabter Hund Blood behilflich ist.  Als ihm schließlich eine Frau über den Weg läuft, lockt diese ihn zu den „Unterirdischen“: Einer Gruppe von Überlebenden, die in einem riesigen Gewölbe eine Disney-Version einer Kleinstadt aufgebaut haben und mit weißgeschminkten Gesichtern so tun, als wäre alles noch so wie vor dem Krieg. Klar, dass sich so etwas nur mit totalitären Mitteln aufrecht erhalten lässt.  In einer berüchtigten Endszene steht Vic vor der Wahl, mit der Frau in den Sonnenuntergang zu reiten oder seinem Hund das Leben zu retten. Soviel sei gesagt: Er entscheidet sich für den Hund.

Im öffentlichen Bewusstsein ließen inzwischen die Ölquellen, der Versiegen inzwischen absehbar geworden war, die Sorgenfalten tiefer werden. Dies nahm man in einer  Filmreihe zum Anlass die Welt vor die Hunde gehen zu lassen, deren Held zum Posterboy des Endzeitgenres werden sollte: Mad Max. Hier sind es marodierende Banden, die für den Sprit für ihre aufgemotzten Karren über  Leichen gehen. Die Mad Max-Filme standen für eine Tendenz,  dem Endzeitszenario seinen Schrecken zu nehmen, und es stattdessen als Hintergrund  für actionreiche Wildwest-Stories zu verwenden.  Mit dieser Formel fand die Reihe in den 80ern eine Flut von Nachahmern. Vor allem der zweite Teil „Road Warrior“ von 1982  prägte mit seinen Schrottautos und punkigen Drag Queen-Kostümen das Bild postapokalyptischer Billig-Produktionen.

Der Look des zweiten Teils von Mad Max drückte dem Genre seinen Stempel auf

Neben dieser trivialisierten Entwicklung stand entstand in den frühen 80ern auch der Trend, den Atomkrieg wieder realistisch und kompromissslos zu inszenieren; denn imWeißen Haus war der Erzrepublikaner Reagan eingezogen und auch in Moskau war die Falken-Fraktion am Drücker: Der kalte Krieg war wieder ein paar Grad kälter geworden. Die TV-Produktion „The Day after“ und „Das letzte Testament“ lassen  die Apokalypse mit beklemmenden Bildern über den Durchschnittsbürger herein brechen  Die sowjetische Produktion „Briefe eines Toten“ von 1986 zeigte, dass man sich auch auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs Sorgen machte:  In den in Brom- und Sepia-Tönen gehaltenen Bildern, die an Tarkowkis „Stalker“ erinnern, ist die Gegenwart des Todes allgegenwärtig. Während sie auf den Tod warten, sitzen ein paar Intellektuelle in der Ruine eines Museums und philosophieren über die Fähigkeit des Menschen gerettet zu werden:

Etwas mehr für sich steht der neuseeländische Film „The Quiet Earth“, der ein Paradebeispiel für das Motiv des „letzten Menschen auf Erden“  darstellt. Hier wacht der Protagonist in einer äußerlich intakten Welt auf, in der  sich wegen eines mysteriösen Experiments, an dem er beteiligt war, alle Menschen außer ihm in Luft aufgelöst haben.  Die ersten Hälfte verwendet der Film vor allem darauf, die zunehmende psychische Verwahrlosung des Protagonisten in seiner Isolation zu verfolgen. Dann aber trifft er zwei weitere Überlebende und das ungünstige Geschlechterverhältnis sorgt dafür, dass die Sache nicht langweilig wird.

Nach dem Ende der Welt findet sich der Protagonist in einer neuen Welt wieder: The Quiet Earth

Das Endzeit-Genre stand also in voller Blüte, als etwas vollkommen  unerwartetes passierte: Der kalte Krieg ging zuende. Das „Gute“ (Der Westen) hatte gewonnen, das Ende der Geschichte war erreicht, auch ohne globale Zerstörung. Das nahm den Propheten des Untergang dann doch ein wenig den Wind aus den Segeln. Aber nicht besonders lange.