Philip K. Dick und das Kino in Hollywood

In den Neunzigern war Philip K. Dick (zumindest hierzulande) noch ein Geheimtipp, weshalb es niemanden hinter dem Ofen hervorlockte, wenn Videothekenfutter wie „Screamers“ mit seinem Namen Werbung machten. Das sollte sich jedoch ändern.

Steven Spielberg verfilmte 2002 mit „Minority Report“ mit Tom Cruise in der Hauptrolle wieder eine Kurzgeschichte um eine hellseherische Polizei-Einheit, die Morde in der Zukunft voraus sieht um diese zu verhindern. Ähnlich wie bei Blade Runner gab man sich hier viel Mühe eine glaubhafte Zukunftswelt zu gestalten und auch die Vorlage ist durchaus noch zu erkennen: allerdings wurde sie durch die übliche Schicht Spielbergschen Zuckergusses ziemlich verwässert.

Nach dem Erfolg von „Minority Report“ war der Damm gebrochen und es setzte ein wahrer Run auf Dick-Lizenzen ein. Es folgten die B-Produktion „Impostor“, „Paycheck“ von John Woo, und „Next“ von Lee Tamahori. Dabei zeigte sich die Schattenseite des Erfolgs, denn diese Filme benutzten ihre Vorlagen als Entschuldigung für glatte Action-Filme, die  nur noch wenig mit Dicks Werk zu tun hatten. John Woo entledigte sich in „Paycheck“ aller SF-Elemente und ließ Ben Affleck stylish aussehen – aber nicht viel mehr. „Next“  ist im Grunde ein ärgerlicher Etikettenschwindel denn an dem Nic Cage-Vehikel erinnert bis auf die Grundidee faktisch nichts mehr an die Vorlage „The Golden Man“.

Hier zeigte sich auch warum Dicks Kurzgeschichten bei Produzenten so beliebt sind. Denn diese sind meist recht einfach aufgebaut und um eine starke Grundidee herumkonzipiert. Diese lässt sich recht leicht herausschneiden um in jeden gewünschten Kontext eingesetzt zu werden. An Dicks Romane hingegen traute sich nach Blade Runner lange niemand heran.

Bis 2006 Richard Linklater „A Scanner Darkly“ verfilmte, einen stark autobiographisch gefärbten Roman aus Dicks Spät-Phase.  Das einzige SF-Element des Romans und des Films ist die fiktive Droge Substanz T, die schwere Hirnschäden hervorruft. Keanu Reeves spielte  hier den verdeckten Ermittler Bob Arctor, der im Milieu der Drogenabhängigen nach den Hintermänner fahnden soll. Arctor kommt jedoch kaum dazu zu ermitteln bei den Mengen an Pillen die er sich einschmeißt.

Die Situation wird komplizierter, als er von seinen Vorgesetzten – die seine eigentliche Identität nicht kennen – den Befehl bekommt, er solle Bob Arctor überwachen.  Er fängt also an, sich selbst am Bildschirm zu beschatten, bis sein von Drogen überlastetes Hirn nicht mehr in der Lage ist festzustellen, dass er es selbst ist, den er dort beobachtet.

Linklater hat mit „A Scanner darkly“  die bisher einzige weitgehend werkgetreue Dick-Adaption gedreht, die auch durch ihren einzigartigen Look der Rotoskopie heraussticht: Die Szenen wurden in real gedreht um später digital übermalt zu werden um einen entrückten Cartoon-Loock zu erreichen. Dies erwies sich als probates Mittel um etwa die bizarre Komik des Lebens und Sterbens als Junkie darzustellen.

Auf der anderen Seite gelang es Linklater auch, Bilder für die Schwermut zu finden, die in Arctors fortschreitender Isolation und dem Zerfall der Wirklichkeit liegen. Denn auch im Roman hatte Dick trotz einer schonungslosen Demontage der Gegenkultur seiner Tage deutliches Mitgefühl für seine Figuren die alle auf persönlichen Freundschaften basierten.

Mit „Der Plan“ ist dieser Tage wieder eine Adaption einer Kurzgeschichte im Kino angelaufen. Dieses Mal wurde die Dicksche Grundidee in eine romantische Dramödie injiziert, was nun wirklich eine recht wunderliche Kombination ist.  Mögen da die Hardcore-Fans auch Zetern und Toben, den Produzenten ficht es nicht an, er studiert lieber die Ergebnisse des Startwochenendes.

Doch es gibt Hoffnung  dass aus dem Dickschen  Werk  noch mehr entstehen könnte als fade Kassenseife. Denn Michel Gondry hat angekündigt, eines der zentralen Werke Dicks verfilmen zu wollen, nämlich „Ubik“. Dem Regisseurs des inoffiziellen Dick-Films „Eternal sunshine of the spotless mind“ ist eine ambitionierte Umsetzung dieses vertrackten Romans durchaus zuzutrauen.

Was der Meister selbst zu den verschiedenen Interpretationen gesagt hätte, werden wir nicht mehr erfahren: Er hat seinen späten Erfolg nicht mehr miterlebt.  Wenige Wochen vor der Premiere von Blade Runner starb er an den Folgen eines Schlaganfalls,  einer Altlast aus der Zeit seiner Drogeneskapaden. Ihm zu Ehren haben Fans seinen Kopf als Animatronic modelliert, der für eine Ausstellung gedacht war, inzwischen jedoch auf mysteriös Weise verschwunden ist. Vielleicht hätte er uns ja sagen können, ob er jetzt von elektrischen Schafen träumt.