Wenn man in Hollywoods Genre-Kino neben Sequels und Prequels, Remakes und Reboots noch etwas finanziert bekommt, dann sind es Verfilmungen von Werken aus der Feder des Science Fiction-Autoren Philip K. Dick. Das ist ein wenig seltsam, denn im Grunde  haben  die 40 Romane und an die 120 Kurzgeschichten des Schriftstellers wenig mit dem durchschnittlichen Ausstoß der Traumfabrik gemein. Grund genug dem ein wenig auf Grund zu gehen.

Philip K. Dick begann seine Karriere im Golden Age der Science Fiction, den Fünfziger Jahren. Die ersten zehn Jahre verbrachte er als unbeachteter Vielschreiber von  Short Storys für Dutzende schmuddeliger Monatshefte, und verbrachte dabei mehr Zeit unter als ober der Armutsgrenze. Dies sollte sich zwar nie entscheidend ändern, doch machte er mit seinem Roman „Das Orakel vom Berge“ 1961 erstmals auch außerhalb der Kreise lichtscheuer SF-Fans von sich reden. Der Roman erzählt von einer alternativen Welt, in der die Nazis und Japan den 2. Weltkrieg gewonnen und die USA unter sich aufgeteilt haben. Beflügelt von diesem Erfolg, erhöhte Dick seinen ohnehin schon erstaunlichen Ausstoß: in den 60er Jahren schrieb er  jedes Jahr 2 Romane und entwickelte ein ausgeprägtes Interesse an Drogen aller Art. Das liest man vielen Arbeiten aus dieser Zeit auch an, gleichzeitig gehören Romane wie „Ubik“ „Die 3 Stigmata des Palmer Eldritch“ und „Warte auf das letzte Jahr“ zum Besten was er je geschrieben hatte. In diesen genresprengenden Texten irren die Figuren hilflos durch die Labyrinthe vorgegaukelter Scheinrealitäten, ohne Aussicht jemals den Ausgang zu finden. Dicks Kernthema kam hier zur vollen Entfaltung: Das Unbehagen und das Misstrauen gegenüber der Realität, und eine  Absage an den einen allgemeingültigen Wahrheitsbegriff.

Lange Zeit schienen seine multiperspektivischen Geschichten zu sperrig für Hollywood. Erst Anfang der 80er machte sich ein junger Filmemacher namens Ridley Scott daran, den Roman „Träumen Roboter von elektrischen Schafen?“ in eine filmische Form zu bringen. Das Ergebnis erblickte im Jahr 1982 unter dem Titel „Blade Runner“ das Licht der Leinwand. Hier spielte Harrison Ford den Kopfgeldjäger Deckard, der Replikanten genannte künstliche Menschen jagt, die sich illegal auf der Erde aufhalten.

Scott veränderte die Handlung des Romans stark, strich die religiösen Untertöne heraus und fügte eine schwülstige Love-Story hinzu. Trotzdessen  atmet der Film den Geist der Vorlage, denn die Grenzen zwischen Mensch und Roboter verschwimmen zusehends: Künstliche Erinnerungen gaukeln den Androiden ein Leben vor, das sie nie geführt haben,  und wer kann schon sagen ob die eigenen Erinnerungen echt sind?  Ist eine falsche Erinnerung weniger wert als eine richtige? Deckard hat am Ende des Films jedenfalls einigen Grund, an der eigenen Menschlichkeit zu zweifeln.

„Blade Runner“  gilt heute als Klassiker nicht nur des Genres, was vor allem an seinem visionären Design einer trostlosen, in der Gegenwart verwurzelten Zukunft liegt, die für Jahrzehnte den Maßstab im Genre setzen sollte.  Damals jedoch ging er  an der Kasse und der Kritik ziemlich unter, und es sollte acht Jahre dauern, bis sich wieder jemand an einen Stoff des Autors wagen sollte.

1990 war es dann soweit: Der Niederländer Paul Verhoeven brachte „Total Recall“  in die Kinos, der auf der Kurzgeschichte „We can remember it for you wholesale“ basierte. Auf dem Höhepunkt von Arnies Popularität wurde der Film vor allem als greller Actionreißer rezipiert, doch unter der ganzen Ballerei und den markigen One-Linern verbirgt sich auch hier die Dicksche Weltsicht:  Der angebliche Bauarbeiter Quaid erfährt, dass er in Wirklichkeit der Geheimagent Hauser ist, der in einen Skandal um Sauerstoffrationierungen in den Marskolonien verwickelt ist. Auch hier ist den eigenen Erinnerungen, dem eigenen Urteilsvermögen nicht zu trauen und mehr als einmal muss Quaid das was er für die Wahrheit hält korrigieren.

„Total Recall“ ließ im Gegensatz zu Blade Runner die Kasse klingeln und Hollywoods Bluthunde begannen, die Fährte aufzunehmen. Denn Verhoevens Film hatte auch gezeigt, dass man in den Dickschen Geschichten herumfuhrwerken konnte, ohne dass sich jemand allzu laut beschwerte. Trotzdem war man in den 1990ern noch vorsichtig, die einzige offizielle Dick-Verfilmung war das B-Movie  „Screamers“ von 1995,  nach der Kurzgeschichte „Variante zwei“. Hier sind es sich selbst reproduzierende Killermaschinen, die gelernt haben, das Äußere der Menschen täuschend echt zu imitieren. Ob James Cameron die Geschichte wohl kannte, als er 1984  den „Terminator“ drehte? Ein Schelm wer böses dabei denkt…

Zum Ende des Jahrzehnts hin begannen Dicks Themen und Motive endgültig in das Bewusstsein vieler Filmemacher einzusickern. Die „Matrix“  der Wachofski-Brüder  mit ihrer titelgebenden Scheinwelt war ein astreines Surrogat der Dickschen Idee von den dunklen Kräften, die hinter den Kulissen der Realität die Fäden ziehen; ebenso „Dark City“ von Alex Proyas. David Cronenberg verneigte sich mit „ExistenZ“ ganz offen vor dem Altmeister der Paranoia. Doch erst 2001 sollte mit „Minority Report“ wieder eine offizielle-Dick-Adaption  produziert werden.