Dialektrikum laude

Manchmal begegnen mir Worte, die ich nicht kenne. „Dielektrikum“ ist so ein Wort. Es ist Bestandteil einer Fachsprache, die man als Laie der Halbleitertechnologie – und dort der Hardware von Smartphones bzw. von Touchscreens – nicht kennen muss. Kein Ding also.

„Dielektrikum“ ist ein Trennmedium zwischen Elektroden im Touchscreen-Display, die dafür sorgen, dass es berührungsempfindlich ist und man es drucksensitiv steuern kann. Kapazitive Touchpads werden mit der Elektrizität des Hautwiderstandes aktiviert. Das Touchpad basiert auf einer Elektrodenmatrix aus Zeilen und Spalten, ähnlich wie bei einer Tabelle. Die Elektroden müssen voneinander isoliert werden, damit alles genau funktionieren kann – eben durch das Dielektrikum. Dielektrika sind nicht neu, sie wurden zum Beispiel schon in den Kondensatoren alter Röhrenradios eingesetzt.

Die semantische Diffusion des Gattungsbegriffes „Dielektrikum“

Klingt eigentlich ganz einfach aber es geht noch weiter und es wird etwas komplizierter: als „Dielektrikum“ bezeichnet man eigentlich alles oder nichts, denn es kann jeden Aggregatzustand haben: gasförmig, flüssig oder fest. Die Hauptsache ist, es leitet nicht, und trennt die Elektroden mit ihren Spannungen voneinander, damit sich das Touch-Display exakt steuern lässt. „Dielektrikum“ ist also nicht die ganz konkrete Bezeichnung für etwas eng Umrissenes, es ist im Gegenteil ein allgemeiner, diffuser Begriff, der als Gattung all das bezeichnet, was elektrische Ströme voneinander trennt.

Begriffe jenseits der Alltagssprache

Warum gibt es so viele Worte, die nicht Teil des sprachlichen Alltags sind? Die Sprache ist dazu da, sich zu verständigen. Warum also soviel Unverständnis durch Worte, deren Bedeutung sich den meisten, die sie hören oder lesen, nicht erschließt? Die Antwort darauf ist, dass das Wissen um die Welt, die Vorgänge darin und vor allem auch die Menge an Informationen einhergehend mit der theoretischen Durchdringung der Beschaffenheit der Welt sich explosionsartig erweitert haben.

Unüberschaubarkeit des Wissens und Heimlichtuerei

Das heißt: Wissen und Informationen sind nach menschlichem Ermessen unendlich groß geworden. Deshalb gehört zur Verwaltung dieses Wissens eine Segmentierung in Teilbereiche mit dazugehörigen Fachtermini und Fachsprachen. Mit anderen Worten: Es redet nicht jeder mit jedem, sondern es reden zunehmend intern Zirkel von Fachleuten miteinander. Gerade wenn es um High-Tech-Themen geht, um Wissenschaft aber auch um politische Weichenstellungen. Anhand der Diskussionen um den amerikanischen Geheimdienst NSA, der nichts weniger tut, als die gesamte Telekommunikation der Welt zu überwachen, sieht man, dass wichtige Themen zudem noch zur Geheimsache erklärt und nur hinter verschlossenen Türen von einigen wenigen diskutiert werden.

Fachsprachen segmentieren die Menschheit

Es existierten immer Fachsprachen und auch Unterschiede in der Sprache zwischen Menschengruppen, die Ausdruck einer sehr unterschiedlichen Wahrnehmung und Durchdringung der Welt waren. Die Frage ist, inwiefern man sich dennoch miteinander verständigen kann oder inwiefern einzelne Begriffe oder Fachsprachen Wortziegel im neuen Turmbau zu Babel sind.

Die Schönheit von „Permittivität“ und „Suszeptibilität“

Eigentlich wäre es noch wichtig, über solch schöne Begriffe wie „Permittivität“ zu schreiben, das die Durchlässigkeit von Materie bezüglich elektrischer Felder bezeichnet und mit der Effektivität des Dielektrikum zusammenhängt. Materie kann aber auch eine unterschiedliche Fähigkeit haben, sich bei Felddurchdringung zu polarisieren, das nennt man dann „Suszeptibilität“. Es gibt noch viel zu entdecken…