Die Geschichte von David Lynch, dem Regisseur und Miterfinder der Serie Twin Peaks, die zwischen 1990 und 1991 Kultstatus errungen hatte (und mit einer Fortsetzung Anfang 2016 neu erscheinen soll), ist schnell erzählt.

Es ist die Geschichte eines Künstlers, in dem die Filmindustrie Kommerzielles witterte. Die Geschichte eines Mannes, der daran sowohl scheiterte als auch wuchs. Lynch hatte Eraserhead (1977) gedreht, einen expressionistisch-surrealen Schwarz-weiß-Film, der so eigenständig geraten war, dass er mit keinem anderen Film vergleichbar ist. Am ehesten kann man ihn als einen mit modernen Mitteln gedrehten Stummfilm ansehen. Mit einem Minibudget von 20.000 US-Dollar gedreht, spielte der Film 7 Millionen Dollar ein.

Erste kommerzielle Erfolge

So etwas gefällt Hollywood. Lynch hatte das Wesentliche – Regie, Buch, Produktion – an Eraserhead selbst gemacht. Auch sein nächster Film, Der Elefantenmensch (1980), ebenfalls in Schwarz-weiß, sehr klassisch und sehr akribisch gedreht, kostete 5 Millionen US-Dollar und spielte 26 Millionen ein. So etwas gefällt von der Tendenz her Hollywood noch mehr.

Retrofilm „Elefantenmensch“

Tatsächlich bezieht sich der Spielfilm auf historische Ereignisse um die Person Joseph Carey (John) Merrick. Der Elefantenmensch hat keine postmodernen Elemente, im Gegenteil, er ist ein Retrofilm – zutiefst menschlich und handwerklich bestechend altmeisterlich gedreht. Von allen Lynch-Filmen ist es derjenige, der am eindringlichsten wirkt. Es ist ein Film, wie es ihn so ähnlich auch 30 oder 40 Jahre zuvor hätte geben können, ein Film, dem man sich nicht entziehen kann. Die Filmwelt hatte gesehen, dass da ein neuer Regisseur mit einer eigenen starken visuellen Sprache die Bühne betreten hatte, der auch noch seine Brötchen verdiente und dann noch mit Der Elefantenmensch achtfach für den Oscar nominiert war. David Lynch war Anfang der 1980er-Jahre der Mann der Stunde in der Filmwelt. Er war neu, er war aufregend, er war visionär – und einmalig war sein Stil sowieso.

Der Wüstenplanet von David Lynch

Mit Dune – Der Wüstenplanet (1984) änderte sich für Lynch aber alles. Er hatte ein Riesenbudget für einen Blockbuster erhalten, um einen berühmten Science-Fiction-Roman (Der Wüstenplanet von Frank Herbert) zu verfilmen und scheiterte damit nicht nur kommerziell sondern auch künstlerisch. Er hatte sich mit dem Mega-Filmprojekt übernommen.

„Blue Velvet“ und „Wild at Heart“

Noch einmal kehrte Lynch kurz danach zu einem relativ klassisch erzählten und gedrehten Film zurück: Blue Velvet (1986). Dieser wie auch der postmoderner gedrehte Wild at Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula (1990) spielten ihre Kosten wieder ein und warfen vergleichsweise kleinere Gewinne ab. Ab Twin Peaks – Der Film (1992) war das nicht mehr der Fall. Die Filme von Lynch wurden zusehends künstlerischer und surrealer und erschlossen sich einem Massenpublikum nicht mehr.

Lost Highway und Mulholland Drive

Dabei wurden Lynchs künstlerische Meisterwerke Lost Highway (1997) und Mulholland Drive (2001). Eine wahre Geschichte – The Straight Story (1999) war fast ohne die Lynchsche Verfremdung ausgekommen, das eher halbfertige und improvisierte Inland Empire (2006) paraphrasierte, was in Lost Highway und Mulholland Drive asynchron-erzählerisch geleistet wurde und zur kreativen Blüte getrieben worden war.

Deformation und Realismus

Demjenigen, dem sich die künstlerischen Welten von David Lynch nicht erschließen, die mustergültig mit Eraserhead begannen und mit Mulholland Drive endeten, wird der vergleichsweise normale Film Der Elefantenmensch in Erinnerung bleiben. Hinter der Verfilmung steht das reale Schicksal eines krankhaft deformierten Menschen. Lynch hat damals mit viel Detailtreue und ohne Effekthascherei anrührend ein menschliches Schicksal auf die Leinwand gebracht.