Buchmesse

Ich habe bezüglich der Buchmesse 2017 in Frankfurt zwei Begriffe im Kopf: „Literatur“ und „Buchkultur“. Die Buchmesse ist jedoch schon vom Ansatz her gespalten. An den ersten drei Tagen, vom 11.-13. Oktober, ist sie eine Fachmesse, an den letzten zwei Tagen, 14.-15. Oktober, eine Publukumsmesse. Erst geht es ums Business dann um Menschenmassen und Schlange stehen, kurz: ums Publikum, um die Menschen, die die Bücher lesen. Immer mit der Frage verbunden: Wie werden sie nach den Händlern auf die neuen Titel reagieren?

Literatur ist gut fürs Image, bei all den Kinderbüchern und all dem, das der Belletristik zuzuordnen ist, den Unterhaltungsbüchern, ist Literatur mit Anspruch businessmäßig nicht mehr als eine Nische.

Monetärer und ideeller Erfolg

In allen Bereichen der Kultur gibt es einen roten Faden: Produkte für den Massenmarkt, der den Verlagen das Geld bringt, und Bücher fernab der gelernten Klischees, die in die Tiefe gehen, den Geistesmenschen ansprechen und den Verlagen die Anerkennung bringen – jene Werke also, die in den Feuilletons, vor allem der großen Tageszeitungen und Wochenmagazine und ihrer Onlineableger, das Thema sind und oft nur eine relativ kleine Leserschaft haben. Es sei denn, sie sind so klassisch geschrieben und thematisch so interessant, dass sie Anspruch mit Verständlichkeit verbinden.

  • „Das Parfüm“ von Patrick Süskind (1985 im Diogenes-Verlag veröffentlicht) war so ein Buch,
  • „Mein Herz so weiß“ von Javier Marías (1996 bei Klett-Cotta veröffentlicht) oder
  • „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann (2005 im Rowohlt Verlag erschienen).
  • Diese drei Romane und andere wie „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink (1995 im Diogenes-Verlag publiziert) sind in viele Sprachen übersetzt und haben hohe Auflagen erreicht. Dennoch bleiben sie mit ihrem auch kommerziellen Erfolg die Ausnahme.

Salman Rushdie und die Fatwa

Was die Buchmesse im Bereich der Romane dominiert, ist die Belletristik, die Unterhaltungsliteratur. Nur hier geht es permanent um Big Business. Und wenn es einmal anders ist, wie beispielsweise im Falle Salman Rushdies, dann hat das oft einen Grund. Rushdie hat auf der Buchmesse 2017 in Frankfurt für sein gerade eben erschienenes Buch „Golden House“ (veröffentlicht bei C. Bertelsmann) Promotion gemacht. Aber ihm haftet die besondere Geschichte um die Fatwa (=Todesstrafe) an: diese hatte wegen seines Buches „Die Satanischen Verse“ das iranische Staatsoberhaupt Ruhollah Chomeini, bei uns in der Regel Ajatollah Khomeini genannt, 1989 ausgesprochen. Inzwischen sind 4 Millionen Dollar auf den Kopf Rushdies ausgesetzt. Diese Begleitumstände seines literarischen Wirkens haben ihn berühmt gemacht, weit über die literarischen Zirkel hinaus. Salman Rushdie schreibt nicht nur hochliterarische Werke, er ist durch seine Verfolgung politisiert und eine Person des öffentlichen Lebens geworden. Seine Bücher lassen sich auf dieser Grundlage gut verkaufen. Buchkultur in Form echter Literatur, wie Rushdie oder Kehlmann sie auf dieser Buchmesse in Form neuer Werke präsentiert haben, braucht eine Geschichte oder ein zur Zeit passendes Thema, um ein Verkaufserfolg zu werden.

Buchmesse Frankfurt

Form und Inhalt: Buchproduktion zwischen Design und Technik

Buchkultur zeigt sich auf der Frankfurter Buchmesse aber nicht nur bei den literarischen Neuerscheinungen sondern in besonderer Weise auch produktionstechnisch. Im französischen Pavillion, am Stand der schönsten Bücher des Jahres der Stiftung Buchkunst und an vielen anderen Ständen konnte man sehen, was zwischen neuen Produktionstechnologien und buchgestalterischer Kreativität möglich ist: filigrane Laserstanzungen, interessante Popups, ungewöhnliche Formen, Formate und Materialien. Das Buch ist aus dieser Perspektive betrachtet Ergebnis von Design und Papieringenieurskunst. Im besten Falle geht dies zusammen. Dennoch mag man sich die Frage stellen, wie groß zukünftig das Marktsegment derjenigen sein wird, denen vor allem der ungestaltete Inhalt wichtig ist und nicht die Form, die den Inhalt im ersten Augenblick dominiert und manchmal bleibend über ihn hinwegtäuscht.

Rechte Verlage und Krawalle auf der Buchmesse

Und wo sind die neuen Inhalte? Dort, wo Politiklosigkeit herrscht, holt die Politik die Literatur ein und vielleicht vom Sockel. Dass eine Buchmesse kein Elfenbeinturm ist, hat nicht zuletzt der Auftritt rechts gerichteter Verlage gezeigt. Wo sie in Erscheinung treten, wird die Buchmesse zum Propagandainstrument. Die Messeleitung hat dazu aufgerufen, sich im Rahmen von Demokratie und Meinungsfreiheit auseinanderzusetzen. Letztlich wurden die diesbezüglichen Ereignisse die Nachricht über die Frankfurter Buchmesse 2017 schlechthin. Die AfD ist auch hier ein medialer Hingucker, der Aufmerksamkeit auf sich zieht, obwohl sie politisch bisher nicht mehr als eine Randerscheinung ist. Verkaufen ist alles.

Literatur und Buchkultur, Politik und Streitkultur

Zu den Begriffen „Literatur“ und „Buchkultur“ gesellen sich die Begriffe „Politik“ und „Streitkultur“. Die Messe zeigt, dass Literatur und Kultur Aspekte sind, die der Veranstaltung ihren Sinn geben, Verkaufen und Geschäft jedoch sind ihr Zweck und Anlaß. Wenn man über die Buchmesse schlendert, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Visuelles und das Äußere von Büchern ebenfalls sehr wichtig geworden sind – nicht erst auf dieser Messe aber unter all den Neuerscheinungen werden auch hier sehr geballt Aufmerksamkeitswerte durch Äußerlichkeiten erzeugt, wieder eine Analogie zur AfD. Schlechte Zeiten für neue Inhalte?