Doppelspieglung
Es ist einiges darüber zu lesen, wie sehr die menschliche Wahrnehmung bzw. die Verarbeitung, Interpretation und Gewichtung der wahrgenommenen Informationen nicht-objektiv ist. Dabei vollzieht sich der Wahrnehmungsprozess in einem Spannungsfeld zwschen objektiven Gegebenheiten und subjektiven Befindlichkeiten.

Einerseits werden objektive Maßgaben wahrgenommen, beispielsweise, dass sich von links ein Auto nähert. Andererseits sind weitere Detaillierungen zu gewichten – auch um die Datenmenge der Informationen soweit zu reduzieren, dass sie auch als Erinnerung handhabbar bleibt. Danach entstehen Fragen wie, welche Form die Scheinwerfer des Autos haben, wieviel Personen darin saßen oder wie sie aussahen.

Kunst als Filterungsprozess

In der Kunst werden die Informationen, die man inspiriert wahrgenommen hat, durch den Menschen, seine Befindlichkeiten, Prägungen, Wahrnehmungsmuster und individuellen Verarbeitungsmechanismen gefiltert und subjektivistisch uminterpretiert. Kunst kann man also als die höchst eigenständige Neuinterpretation und Umgestaltung der Weltwahrnehmung ansehen. Die gewählte Motivik wird durch eine individuell eigene Ästhetik geformt. Dabei geht es nicht nur darum, was der Künstler ästhetisch-handwerklich kann und will, sondern genauso darum, was er nicht darstellen kann, was er handwerklich-technisch nicht beherrscht bzw. was er nicht will.

Subjektivität relativiert Objektivität

Die Wahrnehmung im Spannungsfeld zwischen Objektivität und Subjektivität ist ein von Mensch zu Mensch individueller Prozess. Am Extremfall von Gemütserkrankungen oder Geisteskrankheiten sieht man, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit sogar in Zerrbilder münden kann, die mit der Realität nicht mehr viel gemein haben. Ebenso löst sich der Mensch auch im Traum von seiner an den Maßgaben des Alltags orientierten Wahrnehmung. Im Traum ist sie durchdrungen von unwahrscheinlichen Bildwelten und Ereignissen, die die objektiv empfundenen Welt imitieren oder sich weit von ihr entfernen. Interessant ist, dass die Übergänge zwischen Normalität und Brechung der Normalität fließend sein können.

Primär- und Sekundär-Assoziationen

Allgemein erzeugt Wahrnehmung Assoziationen, die eine zusätzliche Ebene bilden. Denn Assoziationen ergänzen die Wahrnehmung um Eindrücke und Gefühle, die die Wahrnehmung mit Gefühlserweiterungen verschränken. Assoziationen können bei Künstlern so dominant sein, dass sie sogar bedeutender werden als der Ausgangsreiz bzw. gänzlich von ihm weg führen hin zu einer nicht vorhersehbaren Motiven. Als Brückengefühle hin zu weiteren Bildwelten oder Ideen sind Assoziationen auch der Kern der Kreativität. Wer schnell, intensiv und vielfältig assoziiert, kreiert immer neue Bilder und kann sogar mit seinen Primär-Assoziationen weitere Sekundär-Assoziationen evozieren.