TrauerWer unbelastet davon, was Kunst sein kann, an Kunst denkt, bezieht sich meist auf das Endprodukt, das Ergebnis des künstlerischen Prozesses – er denkt an das Kunstwerk ansich. Es steht im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, und es ist naheliegend, dass das so ist, weil der Gegenstand der Betrachtung dieses bisher materiell vorhandene Kunstwerk ist.

Wäre es nicht vorhanden, wäre es nicht wahrnehmbar. Und wenn es nicht wahrnehmbar wäre, wäre ein Diskurs über Kunst nicht möglich. Doch ist ebenso klar, dass das Kunstwerk als Endergebnis Wichtigkeit erzielt, weil es das Ergebnis eines inneren Prozesses ist, der mit einer Sichtweise mit Weltbezug verbunden ist.

Gedankliche Grundlagen der Kunst

Diese Sichtweise findet ihrem Ausdruck ganz konkret in einem Resultat in Form des Kunstwerkes aber darüber hinaus möglicherweise durch ein übergeordnetes Konzept, das sich aus einer Theorie herleiten mag – etwa darüber wo Gesellschaft oder die augenblickliche Kunst stehen, und was über sie hinausgehen könnte oder auszudrücken wäre.

Kunst und Weltanschauung

Beispielsweise müssen zahlreiche Kunstschaffende des 19. Jahrhunderts sehr deutlich wahrgenommen haben, dass vorhandene Formensprachen und Ästhetiken die Wirklichkeit und die Wirklichkeit vor allem der eigenen Wahrnehmung nur unzureichend wiedergeben können. Es war dies die Zeit eines sich ändernden Menschenbildes und auch Weltbildes, die Zeit, in denen sich die Vorläufer von Psychologie und Psychoanalyse zu verdichten begannen, wie sich auch in der Physik viel tat, das später zur Relativitätstheorie und zur Quantenmechanik führen sollte.

Kunst als mentaler Prozess

Der innere Prozess hinter dem Kunstwerk, der oft schon bestehen mag, bevor die Kunst materiell geschaffen ist, ist mit dem Kunstwerk als Ergebnis verschränkt. Er ist einmal ausgedrückt und so manifestiert, nicht vom Kunstwerk zu trennen. Aber was ist der innere Prozess? Es ist die Theorie, der Unterbau, ein Gedankengeflecht wie das eines Pilzes: Das eigentliche Lebewesen ist ein Geflecht im Boden und das, das wir als Pilz kennen, ist nicht das Wesentliche sondern lediglich dessen oberflächlicher Körper.

Inneres und Äußeres in der Kunst

Das Ideelle als Basis des Kunstwerkes kann ein Gedankenprozess sein, ein intuitives Fühlen, das zu einer Philosophie ausgebaut wird, oder nur ein Gedanke, der sich auf die Kunst und ihre Wirkung bezieht und in einen direkten oder indirekten Diskurs mit der bisherig vorherrschenden Kunst eintritt. Die eigentliche Arbeit des Künstlers ist das In-Bezug-setzen zur Welt oder das Verhältnis zwischen eigenem Sein und eigener Wahrnehmung und der Welt und der sie abbildenden Kunst als Kommunikations-Möglichkeit. Nicht von ungefähr legt das, was ein Künstler etwa als Manifest oder schriftliche Betrachtung seiner Kunst hinzufügt, Zeugnis der gedanklichen oder intuitiv vollzogenen theoretischen Vorarbeit ab.