Wer bist Du da auf der Leinwand? Ein Spiegelbild von jemand anderem oder von mir?

Wer bist Du da auf der Leinwand? Ein Spiegelbild von jemand anderem oder von mir?

Ich sitze im Kino und gucke mir einen Lang-Film an, der einen 3D-Eindruck vermittelt. Das ist verführerisch. Während ich weitergucke, schweifen meine Gedanken ab, und ich imaginiere, ich würde abhängig sein vom 3D-Filmegucken. Ich hätte keinen Fernseher mehr in dem Sinne, sondern alle Wände in meinem Zuhause wären Projektionsflächen.

Ich kann durch die Wohnung gehen, ausgestattet mit Kontaktlinsen,

die mir den dreidimensionalen Look erschaffen, und wo ich gehe und stehe, kann ich mit Avataren sprechen oder ich kann so tun, als spielte ich in dem Film, der gerade in meiner Wohnung spielt. Aber noch viel mehr: Der ist nämlich gleichzeitig ein Game. Ja, ich bin Teil der Handlung. Ich kann rumballern. Ich bin allein, aber so merke ich das nicht.

Tatsächlich stelle ich mir diese Dinge nur vor.
Physikalisch sitze ich gerade im Kino und gucke einen langen Film in 3D über einen Menschen, der mittels einer beeindruckenden Zukunftstechnologie in den Körper eines außerirdischen Wesens wechseln kann, eine Art pragmatische Seelenwanderung auf Kommando. Das außerirdische Wesen verliebt sich in eine Eingeborene und vor allem auch in diese Welt, die man sich so als Paradies hätte vorstellen können.

Aber ich spüre noch etwas Anderes:

Diese Figur dort – dieses überlebensgroße, blaue, heldenhafte Wesen – ist mein Stellvertreter, mein Avatar. Er spielt für mich in einem Kinofilm, damit ich mein jämmerliches Leben besser ertragen kann. Er kämpft für mich Kämpfe, er liebt für mich. Er ist mein Stellvertreter in einer Welt, die ich trotz allem Ungemach herbeisehnen würde, wenn ich nur die kleinste Chance hätte, sie jemals besuchen zu dürfen.

So darf ich sie nur anschauen,
mich an ihrer täuschenden Quasi-Echtheit begeistern. Darf mich an einem Stellvertreter erfreuen, der mir vorspielt, er hätte einen Stellvertreter. Aber das ist nur der Film. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Er ist ich, er allein ist der wahre Stellvertreter meiner selbst. Sein Stellvertreter wiederum ist die perfekte Tarnung. Ich wanke getäuscht aus dem Lichtspielhaus. Ich bin blau. Mir wird schwarz vor Augen.