Ein Aushang unter der Brücke, bei der die Loveparade-Katastrophe in Duisburg stattgefunden hat.

Ein Aushang unter der Brücke, bei der die Loveparade-Katastrophe in Duisburg stattgefunden hat.

Das letzte vom Loveoparade-Versdrängungs-Zirkus: Es gibt eine fortwährende Kommunikation zwischen drei Parteien, die eigentlich für die Loveparade-Katastrophe Verantwortung tragen – und sie scheint aussichtslos zu sein, weil niemand die schwere Bürde tragen will und jeder Beweise für die Schuld des jeweils anderen in Händen zu halten glaubt.

Es geht darum, wer die Schuld an den Ereignissen und an 21 Toten trägt. Die drei Akteure sind die Stadtverwaltung Duisburg als Ordnungsbehörde, vertreten durch Oberbürgermeister Adolf Sauerland, der Veranstalter der Loveparade, Lopavent GmbH, vertreten durch Rainer Schaller und die Polizei, nun vertreten durch den neuen nordrhein-westfälischen  Innenminister Ralf Jäger. Die eigentliche Ermittlungs-Behörde in der Sache bleibt jedoch die Staatsanwaltschaft Duisburg.

Verantwortlicher 1: Die Stadt Duisburg
Die Stadt hatte so auch nach der Katastrophe schnell einen Ausschuß gebildet und sich flugs von einer ihr verbundenen Anwaltskanzlei bescheinigen lassen, dass sie keine Schuld trifft. Darüber war hier schon zu lesen und die Publizierung der Fakten im Duisburger Blog xtranews hatte einen Keulenschlag von eben jener Anwaltskanzlei zur Folge. Heute hat die Stadt durch die Kanzlei „Heuking Kühn Lüer Wojtek“ das Abschluß-Gutachten vorlegen lassen, dass sie komplett entlastet. Darin heißt es, nicht die Stadt sei für das Sicherheitskonzept verantwortlich, sondern der Veranstalter müsse es vorlegen und mit Polizei und Feuerwehr abklären. In der abschließenden städtischen Diskussions-Runde zur Loveparade habe niemand mehr Bedenken geäußert.

Verantwortlicher 2: Die Polizei
Ihr zuvorgekommen ist das Innenministerium, das heute ein Papier vorgelegt hat, in dem das drin steht, was eigentlich sowieso klar ist. Nach deutschem Recht trägt der Veranstalter eines Events alleine schon rechtlich die Hauptverantwortung. Das Innenministerium argumentiert darüber hinaus, dass die Stadt Duisburg als Ordnungsbehörde danach verantwortlich für die Überprüfung des Sicherheitskonzeptes sei. Die Polizei ist nach diesem Papier aus dem Schneider. Grundsätzlich ist dies auf organisatorischer Ebene natürlich richtig. Wenn das Sicherheitskonzept lücken- und fehlerhaft war und die Stadt Duisburg dies gebilligt hat, hat sie unter Umständen fahrlässig gehandelt.

Verantwortlicher 3: Der Veranstalter
Der dritte im Bunde, Rainer Schaller als Geschäftsführer von Lopavent, hatte angekündigt, die Überwachungsvideos ins Internet zu stellen und hat dies inzwischen wahrgemacht. Er will anhand der Bilder beweisen, dass die Polizei ursächlich an der Katastrophe beteiligt war.

Wann kommt die ganze Wahrheit ans Licht?
Vermutlich wird sich die Analyse des komplexen Geschehens noch Jahre hinziehen. Beim Düsseldorfer Flughafenbrand hatte dieser Vorgang fünf Jahre verschlungen. Zwei Fragen bleiben: 1. Kann ein dermaßen komplexes Geschehen, an dem zwei Institutionen und ein privatwirtschaftliches Unternehmen beteiligt waren – und zudem viele tausend Besucher – zweifelsfrei entwirrt werden? 2. Wie kann sich der rechtlich weitreichend verantwortliche Veranstalter und die ordnungspolitisch verantwortliche Stadt, die offensichtlich ein unzureichendes Sicherheitskonzept akzeptiert hat, herausreden?

Besucher verlässt angesichts der Rede Sauerlands eine Veranstaltung?
Gestern hat bei einer Veranstaltung, zu der Oberbürgermeister Sauerland eine Rede hielt, Dr. Wolfgang Conradis von der „Duisburger Stiftung für Umwelt, Gesundheit und Soziales“ den Ratssaal demonstrativ verlassen, weil er das Verhalten Sauerlands, zur Tagesordnung überzugehen, nicht richtig fand. Der zähe Oberbürgermeister, der nicht weichen wollte, agiert in einer politisch vergifteten Atmosphäre weiter, ihm schlägt allerorten Argwohn entgegen.

Medienberater verlässt die Stadtverwaltung Duisburg
Der Stachel sitzt tief, auch weil die Stadt Duisburg nicht gerade geschickt agiert. Erst will sie keine Verantwortung übernehmen und mauert am Tag des Unglücks in der Pressekonferenz, die eigentlich keine ist. Dies hat eine Flut an negativen Artikeln und Kommentaren in den Medien zur Folge. Dann verbietet sie einem Duisburger Blog die Veröffentlichung von Loveparade-Dokumenten und erwirkt eine einstweilige Verfügung gegen xtranews.de. Dies führt dazu, dass die Dokumente auf zig anderen Blogs und auch bei Wikileaks veröffentlicht werden. Inzwischen hat die Stadt xtranews ein Vergleichsangebot unterbreitet. Allein dieser Vorgang insgesamt und das spezielle Auftreten des Oberbürgermeisters, der nicht wie die personifizierte Ehrlichkeit wirkt, zeugt weder von Offenheit noch von einem ernsthaften Aufklärungswillen. Dann wird der ehemalige Focus-Mitarbeiter Karl-Heinz Steinkühler als Medienberater der Stadt über die Düsseldorfer Anwalts-Kanzlei „Heuking Kühn Lüer Wojtek“ engagiert. Erst nach einer Welle des Protestes und nachdem auch dieser offenbar der Stadt vorwirft nicht offen genug zu sein, trennt man sich schnell wieder von ihm. Die eigene ernst gemeinte Ehrlichkeit würde jeden Medienberater unnötig machen und könnte Verständnis für die Rolle der Politik wecken. So aber kann man angesichts der Toten nach wie vor nur mit dem Kopf schütteln, wie unwürdig in Duisburg gehandelt bzw. nicht gehandelt wird.