Moonlightning

Es war einmal ein Fisch, der in den Tiefen des Meeres lebte, es aber liebte, weit nach oben dem Tageslicht entgegen zu schwimmen. Wenn er tagsüber in die Höhe blickte, erfreute er sich am schönsten Blau. Des Nachts war das Wasser von Schwärze erfüllt. Aber der Fisch sah hoch oben fast immer ein Licht, das der Mond entsandt hatte, um der Nacht des Fisches ein anderes Antlitz zu geben.

Dieses Licht – vom Riff im Meer betrachtet, in dem der Fisch lebte – war das Schönste, das der Fisch kannte. Immer wenn er dort saß und nach oben blickte, sehnte er sich noch mehr danach, diesem Licht näher sein zu können. Der staubige Mond zog seine gewohnten Kreise um die Erde und wurde früh aufmerksam auf das große Wasser. Er hätte sich gerne mit diesem Wasser verbunden, um seine frische Nässe zu spüren. Der Fisch aber betete von seinem Riff aus den Mond an, ohne dass der das jemals hatte hören können. Die unvergleichliche Helligkeit des Mondes hatte es dem Fisch für immer angetan. Jede Nacht um die gleiche Zeit blickte er in den Himmel.

Fischfreund

Der Mond dachte bei sich, „ich bin ein graues, trockenes Etwas, ohne eigenen Charakter, alles, was mich ausmacht, ist, dass ich das Licht eines Anderen reflektiere und von diesem Schein profitiere.“ Auch der Fisch fühlte sich klein und unerheblich. Aus seiner Sicht mußte der Mond so groß und unendlich sein, dass er ihm unbegreiflich erschien. So gingen die Jahre ins Land und beide wünschten sich nichts sehnlicher, als dem jeweils anderen näher kommen zu können. Der Mond wollte die Frische des Wassers spüren und der Fisch wollte den Mond spüren, der ihm unberührbar erschien.

Fischkuss

Eines Nachts – noch im Übergang zwischen Licht und Dunkelheit – war der Fisch sehr nah an die Oberfläche des Meeres gelangt, weil sich dort im Mondlicht kleines Getier tummelte, das er fressen wollte. Da packte ihn ein Seeadler, der dicht über dem Wasser geflogen kam und nach Beute Ausschau gehalten hatte. Der Fisch erschrak und wähnte seinen Tod nahen. Deshalb war er mutig genug zu fragen, ob der Adler einen Umweg fliegen würde. Er sprach einfach drauflos, dass er im Leben nur einen Traum gehabt habe, den, dem Mond zu begegnen.

Hechtsuppe

Der Adler lachte nur darüber und flog seines Weges. Doch er hatte sich in seiner Überheblichkeit auf der Suche nach Nahrung zu weit aufs Meer hinausgewagt. Es war inzwischen dunkel geworden. Der Adler flog und flog mit seiner schweren Beute, konnte aber das Festland nicht mehr erreichen. Er ließ den Fisch zurück ins Wasser fallen, flog noch etwas weiter, bis ihn die Kräfte verlassen hatten und stürzte ins Meer. Der Fisch war ihm gefolgt. Und als der Adler nun so hilflos im Wasser trieb und drohte unterzugehen, stützte der Fisch ihn, sodass er an der Oberfläche bleiben und atmen konnte.

Leuchtfisch

Der Fisch sagte zum Adler, dass er ihm helfen würde zu überleben, wenn er ihm einen Wunsch erfüllte. Andernfalls würde er ihn am Bein packen und in die Tiefe ziehen. Der Adler mußte einwilligen. Der Fisch brachte von weit unten im Meer aus der Kajüte eines untergegangenen Schiffes ein paar Planken hoch, auf denen sich der Adler ausruhen und schlafen konnte. Ein paar Stunden später, als der Adler wieder zu Kräften gekommen war, packte er den Fisch und erhob sich mit ihm hoch in die Lüfte in Richtung des weißen Mondes, der ihnen wie ein unwirklicher Ball aus leuchtenden Wolken entgegenkam.

Fischgunst

Immer höher und höher stieg der Adler, bis sie den Mond riesig und hell vor dem dunklen Sternenhintergrund vor sich sahen. Der Fisch sah, dass der Mond gar nicht selbst strahlte, sondern nur das Sonnenlicht reflektierte. Und er sah auch, dass er dort nicht überleben könnte, weil es kein Wasser gab. Nun, wo der Fisch seinem Traum so nah gekommen war, konnte er es nicht fassen: Der Mond wirkte nicht stolz und erhaben sondern stumpf und schmucklos, ja geradezu tot. Der Mond besah sich den Fisch – und war enttäuscht darüber, wie hilflos das Wasser seine Bewohner machen konnte, wenn sie sich außerhalb ihres Elementes bewegen wollten.

Fischsuppe

Dennoch lächelten sich Fisch und Mond für eine Weile an und der Fisch sagte zum Adler, er solle sich nun lieber wieder zurück zur Erde fallen lassen, bevor ihm die Luft ausginge. Der Adler, der wieder müde geworden war, tat wie ihm geheißen und flog hinab, der Erde und dem Wasser entgegen. Viel schneller als auf dem Hinweg waren sie zurück. Der Fisch plumpste nahe des Festlandes ins Meer und der Adler segelte in Richtung seines Horstes davon. Der Fisch aber konnte seit dem nachts nicht mehr beseelt vom Gefühl der Erhabenheit in den Himmel blicken. Er sah nur noch ein großes Licht, das nicht war, was es schien. Er sehnte sich vielmehr danach, mehr über die Sonne zu erfahren, die so viel heller scheinen konnte, dass ihr Licht bis ans Ende der Welt reichte. Und der Fisch wünschte sich, ihr nah zu sein.

Blauer Mond

Er schwamm öfter dem Land entgegen, um zu sehen, ob er den Adler finden würde. Es vergingen Tage und Wochen, Monate und Jahre. Da, eines Tages, sah er den Adler lautlos über die Wasseroberfläche segeln, steckte schnell seinen Kopf aus dem Wasser und rief nach ihm. Der Adler hörte die Rufe des Fisches, änderte seine Flugbahn und flog in kleinen Schleifen um die Stelle herum, wo der Fisch aus dem Wasser guckte. „Na, mein furchtloser Fisch“, sagte der Adler, „hast Du denn gar keine Angst, dass ich großen Hunger habe und Dich fressen könnte?“ – „Nein, hallo Adler, das hättest Du damals ja schon tun können.“ Und so trug der Fisch eine erneute Bitte vor, ob der Adler ihn nicht zur Sonne bringen könnte. „Das ist“, entgegnete der Adler kopfschüttelnd, „ja noch weiter weg als der Mond. So weit kann ich nicht fliegen. Was willst Du dort?“ – „Hier in meinem Wasser ist es kalt und dunkel, dort oben aber hell und warm. Ich möchte – nur ein einziges Mal in meinem Leben – das wahre Licht sehen.“ Der Adler hielt den Fisch für töricht und wollte davonfliegen. Aber der Fisch gab nicht nach. Er schilderte dem Adler die Sonne in den prächtigsten Farben und behauptete, dass es niemanden auf der Welt gäbe, der das Licht der Sonne von nahem gesehen hätte.

Trauriger Mond

Der Adler wollte nicht einwilligen und flog nachdenklich davon. Er hatte dem Fisch gesagt, er würde es sich überlegen. Nur kurz darauf wurde die Frau des Adlers krank und von Tag zu Tag schwächer. Das letzte, was sie gesagt hatte, bevor sie gestorben war, war: „Ich sehe ein großes Licht.“ Am nächsten Morgen flog der Adler zu der Stelle, an der der Fisch jeden Tag auf ihn hatte warten wollen. „Laß uns fliegen“, sagte er nur. Der Fisch fragte nicht weiter, und so packte der Adler mit seinen kräftigen Krallen den Fisch und flog dem Himmel entgegen.

Mondfischliebe

Der Wunsch des Fisches, der Sonne nah zu sein, hatte sich unter den anderen Fischen herumgesprochen. Als Adler und Fisch losgeflogen waren, kam der Schwarm des Fisches an die Wasseroberfläche und blickte den beiden hinterher. Es war ein seltsames Bild, das sich ihnen dort bot. Sie blickten in den Himmel, bis Adler und Fisch nur noch ein Punkt waren, der immer kleiner wurde, bis er verschwunden war. Das war das letzte, das sie von ihm gesehen hatten. Oft schwammen sie noch zu der Stelle zurück, aber der Fisch und der Adler kehrten nicht mehr zurück. Sie mussten ihr Glück gefunden haben.