Stimmen im Kopf
Heute einen schrecklichen Alptraum gehabt. Mir ist superschlecht, ich friere, zittere am ganzen Leib. Mir dreht sich alles, wenn ich mich aufsetze oder aufstehen will. Ich krieche ins Badezimmer. Es ist komplett weiß, wie aus der Waschmittelreklame.

So ein Weiß mit einem kaum wahrnehmbaren bläulichen Schimmer. Ich verstehe das nicht, weil es keinerlei Lichtquelle gibt. Ich schaue genauer hin, obwohl mir die Tränen aus den Augen laufen, wie um mich daran zu hindern, klarer sehen zu können. Keine Fliesen. Einfach weiße spiegelglatte Wände. So wie aus weißem Glas. Keinerlei Fugen, auch nicht in den Ecken, auch nicht am Boden, auf dem ich liege und auch nicht an der Decke, auf die ich starre.

Eine Flüssigkeit läuft mir erst aus dem einen, dann aus dem anderen Ohr. Jetzt ist mir richtig schlecht. Ich erbreche mich. Jede Menge Blut. Ich huste. Etwas steckt in meiner Kehle. Es kommt nicht raus, ich würge, ersticke fast. Ich speie etwas Großes aus. Meine Augen brennen. Ich blicke auf den Boden, auf dem in einer königlich-geronnenen Blut-Schärpe mein Lunge wie ein schlaffer Sack liegt. Viel kleiner und platter als ich gedacht hätte. Nach und nach breche ich weitere Organe aus, meine Nieren, meinen Magen, zuletzt mein Herz.

Ich gucke auf den Boden vor mir, wo alles liegt. Muss ich jetzt sterben? Ist das das Ende? Es ist, als weinte ich Säure. Ich bin taub. Alles tut mir weh. Ich bin kein offenes Buch sondern eine offene Wunde, krieche zum Schlafzimmer, ein normaler Raum. Aber alles in Rot.

„Barbarastreisandeffekt?“ Jemand ruft mich. Ich erwache. Ich will antworten. Es kommt aber kein Wort aus mir heraus. Vor mir eine nackte Frau. Sie ist stumm, macht diese Taubstummensprache. Immer wieder, sie formt mit den Lippen überdeutlich die stummen Worte dazu und verzieht dabei das Gesicht dramatisch. Ich verstehe einzelne Worte – aber nicht alles. Ich suche Stift und Papier. Nichts da. Aber da liegt ein Skalpell. Ich nehme es und ritze mir ihre Worte in die Haut. Sie gestikuliert und zeigt mit den Fingern auf die Stellen, an denen ich die Worte platzieren soll. Ich schneide mir mit dem Skalpell „Du gehst mir an die Nieren“, „Du nimmst mir den Atem“, „Du schlägst mir auf den Magen“ und „Du hast mir das Herz gebrochen“. Eventuell habe ich zu tief geschnitten, überall klaffende Wunden.

Ein Schwall weißen Blutes ergiesst sich in den purpurroten Raum. Wie Fontänen. Der Raum füllt sich ultraschnell wie ein Aquarium. Ich werde hochgedrückt, von der Strömung mitgerissen.

Dann erwache ich. Ich habe mich mit dem Gesicht zuletzt wohl auf ein kleines zusammengeknülltes Kissen gerollt. Die Knitter des Kissens haben sich auf die rechte Seite meines Gesichtes übertragen. Es sieht faltig und zerstört aus. „Morgen, alter glatzköpfiger Sack“, sagt sie lächelnd, „Eier?“ Ich nicke im Halbschlaf. „Du solltest die Horrorfilme sein lassen“, witzelt sie weiter. „Du bist zu alt für den Scheiss und träumst schlecht davon. Bald siehst du selbst so aus wie deine Monster.“ Sie lacht laut, geht an der Küchenarbeitsplatte hin und her und bereitet alles mit schnellen Bewegungen zu. Sie ist hellwach, ich fasse es nicht.

„Hattest du einen Albtraum?“, fragt sie. „Du hast dich im Bett so hin und her gedreht.“ Ich überlege, erinnere mich nur daran, dass ich mich an etwas erinnern wollte. Weiß nicht mehr. Ich überlege und überlege aber es fällt mir nicht ein. „Hallo? Jemand zuhause?“ fragt sie laut und lachend. Ich lächle verkniffen zurück. „Ich glaub‘ nicht.“ Ich schüttle den Kopf. „Ich glaube, es war ein Traum von der Liebe“, nuschle ich so, dass ich es selbst nicht verstehe. Sie lächelt, nimmt mich in den Arm und sagt: „So schlimm?“