doppelter_hundekopf

Doppelt bellt besser!

Marga bemerkte, dass sie sich nicht besonders gut fühlte. Jean-Pierre hatte sie damals natürlich nicht erschossen. Sie glaubte auch nicht, dass er es jemals tun würde. Sie hatte an jenem Tag die Hündin „Highheels“ hochgehoben und gefragt, ob er wirklich unschuldige Hunde erschießen wolle. Jean-Pierre wollte nicht und sie sprachen danach nie wieder über dieses Ereignis. Dann bekam Highheels Anämie und siechte dahin. Die Mopshündin hatte aber auch schon ein passables Alter erreicht. Auf Highheels Beerdigung spielten sie Mozarts Requiem in d-Moll (KV 626). Es war alles sehr bewegend. Vielleicht hätte Jean-Pierre den Hund nicht mit Putenrollbraten füttern sollen. Überhaupt machte Jean-Pierre alles falsch, fand Marga. Sie hätte eigentlich lieber einen Macho als Mann und nicht so einen Schlappschwanz. Einen Mann, der ihr Widerworte gab, ihr vielleicht sogar befahl, den Mund zu halten, und der sie, wenn sie weiterschimpfte, übers Knie legte, wie ein kleines Mädchen. Aber so einen hatte sie nie gefunden. Sie wollte nicht an den Opernsänger denken. Dachte aber an den Mops Griselidis. Damals mit Griselidis war noch alles gut gewesen. Vielleicht konnte sie die Zeit zurückdrehen, sie musste nur die Reinkarnation von Griselidis finden.

Wo kauft eine moderne Frau einen Mops? Natürlich im Internet. In Marseille fand sie einen preiswerten Mopswelpen. Es gab aber nur männliche kleine Möpse dort. Wahrscheinlich konnte man bei der Reinkarnation das Geschlecht wechseln. Sie nahm daher das Tier, das sie am ehesten an die Original-Griselidis erinnerte. Sie hätte den Mops gern nach dem Hund von Marie-Antoinette benannt, aber „Mops“ der Mops kam ihr dann doch zu blöd vor, also nannte sie ihn „Pimperl“ nach Mozarts Hund. Marga liebte Mozart, denn wenn seine Musik im Laden lief, verkaufte sie am meisten. Sie hatte es auch mit Vivaldi und Bach versucht, aber Mozart funktionierte am besten. Schon nach ein paar Monaten wunderte sich Marga, dass Pimperl immer noch nicht gehorchte, sie konnte ihn rufen, so viel sie wollte, das Tier kam einfach nicht zu ihr. Außerdem bellte der Hund. Sie hatte ihm mehrfach auseinandergesetzt, dass Mädchen nicht bellen. Der Hund wollte einfach nicht akzeptieren, dass er weiblich war. Nicht einmal nach der Kastration. Schließlich stellte der Tierarzt fest, dass der Hund taub war. Wie unschön. Das erklärte zwar, warum Pimperl nicht gehorchte, machte ihn in Margas Augen aber noch unsympathischer. Das konnte doch nicht Griselidis sein. Im Sommer stellte sich heraus, dass Pimperl allergisch auf Flohbisse reagierte. An manchen Stellen fielen ihm die Haare aus und er bekam nässende Entzündungsflecken am ganzen Körper. Daraufhin bekam Marga einen Nervenzusammenbruch und gab den Hund an die Wächter. Die Wächterin war eine treue Seele. Sie versuchte jedenfalls, Flöhe fernzuhalten und wenn ihr das auch nicht ganz gelang, so schien Pimperl bei ihr dennoch glücklich zu sein. Ihr war es egal, ob das Tier gehorchte, Hauptsache der Mops verletzte sich nicht. Sie kochte dem Tier jeden Tag etwas Gutes und der ohnehin recht dicke Mops wurde noch dicker. Die meiste Zeit lag er zufrieden im Wächterhäuschen auf dem Sofa.

Marga war das natürlich egal. Sie hatte jedenfalls nicht Griselidis gefunden, nur das war ihr wichtig. Wahrscheinlich, war es nicht Griselidis gewesen, weil es gar keine Hündin war, sondern ein Hund. Sie kaufte also einen anderen Hund im Internet. Diesmal einen weiblichen Pekinesenwelpen. Die andere Rasse hatte den Vorteil, dass sie den Hund „Mops“ nennen konnte. Nach zwei Wochen sah sie aber ein, dass ein Pekinese kein Mops sein konnte. Die Hündin wurde einfach nicht stubenrein. Und sie wollte unbedingt spazierengehen, andauernd. So oft konnte Marga Jean-Pierre nicht entbehren, der sich anhören musste, was sie der Welt Wichtiges mitzuteilen hatte. Also schenkte Marga den Pekinesen der Wächtersfrau, die sich sehr freute, umso mehr, da dieser Hund weder taub noch hautkrank war. Mops wurde bei der Wächterin schnell stubenrein und war sehr glücklich, abgesehen von gelegentlichen Augenentzündungen. Immerhin ließen sich die Augenentzündungen mit Antibiotika behandeln. Währenddessen erblindete Pimperl und war ein kompletter Pflegefall. Aber er wirkte weiterhin glücklich und zufrieden, wenn er sein Steak bekam.

Marga war das wieder egal. Jetzt reichte es ihr. Die Reinkarnation von Griselidis musste sich doch finden lassen. Wieder wurde das Internet konsultiert, diesmal hatte der Züchter große Mengen von Mopswelpen. Riesige Auswahl in kleinen Hundezwingern unter der unbarmherzigen Sonne der Provence. Eine kleine Hündin fiel Marga sofort ins Auge. Die Hündin hatte offensichtlich Angst vor ihr und versuchte, sich zu verstecken. Ideal. „Die nehm ich!“ rief Marga aus und kaufte den Mops. Diesmal ging sie keinerlei Risiko ein, denn sie nannte den Hund „Griselidis“. Wo Griselidis dran steht, muss doch auch Griselidis drin sein. Die Hündin wurde zwar auch nicht stubenrein, aber das war egal. Jean-Pierre machte die „Ausrutscher“ heimlich weg. Und als die Wächterin sich einmal beschwerte, dass die Hündin ins Schloss geschissen hatte, da beschimpfte Jean-Pierre die Frau als „fett“ und Marga drohte damit, ihr Mops, den Pekinesen, wegzunehmen. Als die Wächter einkaufen gefahren waren, gingen Marga und Jean-Pierre in das Wächterhäuschen, um nach dem Rechten zu sehen. Da sah Marga Pimperl auf dem Sofa liegen und schlafen. Pimperl hatte kein schönes Fell, er war dick und er schnarchte. Er lag da wie die Karikatur von Griselidis. Hilflos und hässlich. Da ergriff Marga eine grenzenlose Wut auf die Wächterin. Wie konnte sie ihr dies nur zeigen? Marga befahl Jean-Pierre, Pimperl zu erschießen. Also nahm der Mann den Hund und brachte ihn in ein hinteres Eckchen des Grundstücks. Der Hund erkannte Jean-Pierres Geruch und hechelte erfreut. Er erwartete Leckerchen und Streicheleinheiten. Jean-Pierre erschoss ihn und glaubte, damit das Beste für den Hund getan zu haben. Er hatte sowieso keine Wahl, Marga würde eine Einschläferung nie bezahlen. Dann buddelte der Mann ein Loch und warf den Hund hinein. Er bedeckte den kleinen Körper mit einer dünnen Schicht Erde. Da würde Griselidis später ein Grabungsprojekt starten, denn Verwesung roch so verführerisch. Aber das war egal, denn Jean-Pierre teilte den Wächtern, als sie vom Einkaufen zurückkamen, mit, dass sie gekündigt seien. Wächter gab es wie Sand am Strand, das wusste Jean-Pierre am besten.

Teil 1: Voodoo
Teil 2: Es hat Füße
Teil 3: Marga schreibt ein Buch
Teil 4: Griselidis
Teil 5: Jean-Pierres Wunsch geht in Erfüllung
Teil 7: Abstürze
Teil 8: Schrecken
Teil 9: Auferstehung

Hier ist das zweite Buch Leben ohne Marga von Charlotte Palme nachzulesen:
Teil 1: Leichenschmaus
Teil 2: Relativitätstheorien
Teil 3: Jagdfieber
Teil 4: Das Frohe leben am Hofe