Vorangestellt einen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag an das Moers Jazzfestival!

Schön, dass Ihr das 50. Festival trotz widriger Corona-Umstände geschafft habt, sogar mit der Möglichkeit, Open Air-Konzerte vor Ort zu besuchen und zeitgleich live in die Welt zu streamen. Das ist eine respektable Leistung und für alle sehr erfreulich. Man muss ja aktuell den Eindruck bekommen, dass es Veranstaltern nicht eben erleichtert wird, selbst mit Sicherheitsauflagen ein Programm zu ermöglichen.

Durch den bei arte angebotene Stream konnten Jazzfreunde am Pfingstwochenende auch zu hause trocken und warm die Auftritte genießen. Am späten Pfingstsamstag trat die äthiopische Gruppe Fendika auf, und zum Ende des Sets kam noch der niederländische Schlagzeuger Han Bennink hinzu. Nach viel zu langen Monaten kultureller Dürre endlich ein schönes, stimmungsvolles Musikerlebnis, das zudem die seltene Gelegenheit bot, traditionelle äthiopische Instrumente wie das gezupfte Saiteninstrument Krar und das Streichinstrument Masinko – eine einsaitige Kastenspießlaute – zu hören. Ebenso wurde etwas für die Augen geboten, als Bandgründer Melaku Belay nach den ersten Instrumental- und Gesangsstücken mit seiner inspirierenden Tanzperformance einstieg. Ein energiegeladener und abwechslungsreicher Auftritt mit einem guten Gespür für dramatischen Ausdruck.

Fendika & Han-Bennink. (C) Foto: Kurt Rade

Das Fendika Touring and Dance Ensemble trat hier in etwas verkleinerter Besetzung auf: Die bandeigene Homepage gibt an, dass in der Regel acht Künstler dabei sind, ein Tänzer mehr und neben der Sängerin Wude Tesfaw noch ein weiterer Sänger. Auch mit reduziertem Line-Up hätte man nach einer knappen Stunde Auftritt sehr gern mehr gehört und gesehen. Unklar blieb, ob es die Möglichkeit für eine Zugabe überhaupt gegeben hätte oder ob pünktlich Schluss sein musste. Etwas schade, so fühlte es sich nach einem abrupten Ende an.

Ich bin nicht vertraut genug mit dem Festival und seiner langjährigen Geschichte, um das künstlerische Gesamtkonzept beurteilen zu können. Das diesjährige Rahmenkonzept, was der Zuschauer beim Streaming erlebte, wirkte zumindest irritierend. Nichts gegen eine Bühnengestaltung, die vom üblichen Standard abweicht. Meinetwegen sollen sich die Veranstalter kreativ austoben: Greenscreen und Prilblumen…? – Nun gut, wenn es denn sein muss. Ich störe mich auch nicht besonders an den visuellen TV-Effekten, die mich stark an die „Beatclub“-Ära ca. 1968-1970 erinnerten. Meine ganz persönliche Einschätzung ist, dass es damals akzeptabel war, da es den Zeitgeschmack traf und man neue Darstellungsformen ausprobieren wollte. 2021 brauche ich das bei einem Jazzfestival nicht unbedingt. Für mich spricht die Musik für sich. Wenn man schon renommierte Musiker aus der ganzen Welt einlädt, so kann man denen auch den Raum geben zu gestalten. Viele der Künstler sind durchaus in der Lage selber für den visuellen Input zu sorgen, wie Fendika eindrucksvoll demonstriert haben. Wäre es nicht wichtiger, den Schwerpunkt auf gute Ausleuchtung und ansprechende Kameraführung zu legen als grüne Männchen durch das Bild laufen zu lassen?

Möglich, dass sich vor Ort und über die Länge des Festivals besser erschlossen hat, was es mit diesem geheimnisvollen Rahmen auf sich hatte. Sollten es verträumte Visionen für die Zukunft sein?

Das musikalische Angebot sehe ich eindeutig als wichtiger als Drumherum an, deswegen möchte ich abschließend nur den Wunsch äußern, dass in Zukunft nach einem jeden Auftritt ein wenig Stille gelassen wird. Kennt das nicht jeder Konzertbesucher, dass nach Ende des Konzertes die Musik im eigenen Ohr noch etwas nachhallt und man sehr unter dem Eindruck des Gehörten steht?

Fendika_Han_Bennink_André_Symann

Fendika & Han_Bennink. (C) Foto: André Symann

Besonders wenn es ein eindrucksvolles Konzert war oder einem womöglich der Künstler / die Band am Herzen gelegen hat, so möchte man sich in Ruhe verabschieden können – und eventuell will das auch die Band? Vielleicht hätten sie gern noch etwas zum Publikum gesagt. Es hat etwas Brutales, wenn sofort nach Ende des letzten Stücks Texte von Band eingespielt werden. Noch dazu recht laut und ohne verständlichen Kontext. Das wirkt den Gästen und dem Publikum gegenüber nicht respektvoll. Das kam mehr so an wie: Unser Programm ist uns wichtiger als Eure Performance. Das kann nicht die Intention gewesen sein.

Jessica Ridders

Homepage der Künstler: https://fendika.org/fendika-touring-index

Festival-Homepage: https://moers-festival.de/de/festival21/e/fendika-han-bennink

Das Beitragsfoto stammt von Nils Brinkmeier.