Atomkatastrophe Fukushima

Mediale Berichterstattung während einer sich möglichweise anbahnenden Katastrophe bietet oft ein Bild der Hilflosigkeit. Journalisten beobachten, sofern dies möglich ist, die Ereignisse, hören und sehen, was andere Medien bringen und leiten davon Mutmaßungen ab. Dies beschreibt das aktuelle Bild der Situation im japanischen Fukushima aus Sicht des Medien-Konsumenten.

Das gestrige Erdbeben mit nachfolgendem Tsunami hat dazu geführt, dass es in zwei Reaktorblöcken des Kernkraftwerkes Fukushima massive Probleme gibt. Experten sprechen davon, dass die Kernschmelze und damit ein Super-GAU drohen.

Fukushima: Explosion in Reaktor 1

Im Reaktor 1 des Kernkraftwerkes Fukushima hat eine Explosion stattgefunden, vier Menschen sind dadurch direkt verletzt worden und es ist Radioaktivität ausgetreten. Die Mauern und das Dach des Reaktors sind eingestürzt. Man sieht große Rauchwolken aufsteigen. Fukushima liegt an der Ostküste Japans direkt am Meer. Die Multimillionen-Stadt Tokio ist nicht weit entfernt, nur etwa 250 km. In einem Umkreis von 10 km um die Atomanlage wurde im Vorfeld die Bevölkerung evakuiert. Bei einer atomaren Katastrophe, die nun droht, wären im Einzugsgebiet der Reaktoren 35 Millionen Menschen betroffen.

Radioaktivität ist ausgetreten

Die Radioaktivität außerhalb des Kraftwerkes hat das Zwanzigfache des Normal-Wertes erreicht. Die Fernseh-Moderatoren ziehen Parallelen zu Harrisburg und Tschernobyl. Sollte im Reaktor 1 eine Kernschmelze stattfinden, wird wohl auch Reaktor 2 betroffen sein. Japan, das dicht besiedelt ist, wird kaum genügend Möglichkeiten haben, die Bevölkerung ausreichend und schnell genug zu evakuieren. Die Evakuierungszone wurde inzwischen auf 20 km um die Atom-Anlage ausgeweitet und die Kernschmelze im Reaktor 1 scheint kurz bevorzustehen oder läuft schon ab. Die Bewohner sind auf der Flucht in den Süden. Über 50.000 Menschen werden evakuiert, während dessen die Regierung zu Ruhe und Besonnenheit mahnt. Die auf N24 befragten Atomkraft- und Strahlen-Experten klangen nicht sehr zuversichtlich, demnach scheint eine Kernschmelze unausweichlich.

Der Atom-Unfall: Ein weltweites Problem

Umweltminister Norbert Röttgen sprach davon, dass für Deutschland keinerlei Gefahr bestehe. Was er verschwiegen hat, ist, dass sich im Falle einer nuklearen Katastrophe weltweit das radioaktive Strahlungs-Niveau erhöhen kann, da sich Radioaktivität paritätisch über den Globus verteilt. Das gilt für alle gezündeten Atombomben sowie die Reihe internationaler Kernkraftunfälle. Die Folge jeder erhöhten Strahlungsmenge wird eine erhöhte Rate an Krebserkrankungen sein – nter Umständen weltweit. Die japanische Regierung bestreitet inzwischen, dass es eine Kernschmelze und erhöhte Radioaktivität außerhalb des Kraftwerkes gibt, was Experten jedoch eher belächeln. Man versucht nun, den Reaktor mit Meerwasser zu kühlen.

Der Reaktor: Kurz vor der Pensionierung kommt der Unfall

Wie jetzt zutage tritt, sollte der Reaktor in Fukushima nach 40 Jahren Laufzeit in diesem Monat abgeschaltet werden. Man hört von verstrahlten Anwohnern. Und der Wettterbericht im Fernsehen ist mal eben modifiziert worden: Er zeigt jetzt, wo und wie die Winde wehen, und welche Stellen des Globus man meiden sollte, falls die radioaktive Wolke kommen sollte. Dankeschön. Der Betreibergesellschaft des Reaktors Fukushima ist dem Vernehmen nach auch nicht über den Weg zu trauen, sie soll anderthalb Jahrzehnte lang die Mess-Ergebnisse gefälscht haben. Keine guten Nachrichten. Die japanische Regierung wiegelt währenddessen ab und konzentriert sich auf die Tsunami-Hilfe: 50.000 Soldaten werden geschickt, um der notleidenden und zum Teil obdachlosen Bevölkerung zu helfen. Die internationale Hilfe läuft langsam an und die Strahlung hat inzwischen das 1.000fache der normalen Werte erreicht. Sie ist damit doppelt so hoch wie die Strahlendosis, ab der der Notfall ausgerufen wird. Minister Norbert Röttgen hat bestätigt, dass die Kernschmelze wohl in Gang ist, man in Japan nur noch versucht, die die Brennstäbe umgebende Stahlhülle von außen mit Meerwasser zu kühlen.

Deutsche Reaktionen

Bundeskanzlerin Angela Merkel redet in ihrer Stellungnahme sehr allgemein über die Katastrophe in Japan und erwähnt mit keinem Wort die mögliche Kernschmelze. Ihr politischer Instinkt souffliert ihr, dass die Geschehnisse in Japan auch innenpolitisch die Wahlen in Deutschland beeinflußen könnten. Deshalb abstrahiert sie die Ereignisse für die Presse. Erst hinter verschlossenen Türen wird es abends ins Detail gehen. Der Börsenkenner Mick Knauff sagt im Fernsehen, die eigentlichen Verlierer des Tsunamis seien die Rückversicherer. Aha. Und was ist mit den 10.000 vermissten in der japanischen Hafenstadt Minamisanriku? Sie sie die Gewinner? Bundespräsident Wulf hält vor seiner Rede eine Schweigeminute ab. Die hätte auch Umweltminister Röttgen gut zu Gesicht gestanden. Er hat sich das Recht zu schweigen aber dann in diversen Fernseh-Interviews erbeten, wenn es um die Beantwortung der Frage nach der Kernkraft in Deutschland geht. Dies will er sich aufsparen für die Zeit nach der akuten Katastrophe in Japan. Heute Abend lädt Bundeskanzlerin Merkel zum Krisengipfel. Dort wird sie mit Guido Westerwelle und Norbert Röttgen sicher auch besprechen, welche argumentative Position sie gegenüber den Medien einnehmen wird – natürlich mit Blick auf die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und die eigene Haltung der CDU und FDP im Hinblick auf die Kernkraft in Deutschland. Denn wieder einmal hat sich gezeigt, dass die Technik nicht beherrschbar ist und dass die Verlängerung der Atom-Laufzeit ein fauler Kompromiss ist. Währenddessen nutzt die Opposition die Gunst der Stunde und verlangt ein Überdenken der Atompolitik und eine grundsätzliche Neubewertung der Technologie. Jürgen Trittin und Claudia Roth von „Bündnis90/Die Grünen” haben sich dazu geäußert  und Sigmar Gabriel von der SPD. Nicht nur die Häuser und Landschaften in Japan liegen in Schutt und Asche, es besteht auch in Deutschland die Gefahr einer politischen Kernschmelze für die CDU und die FDP. Ihre Schönfärberei der anfälligen Technik scheint nun nicht mehr zeitgemäß. Und 60.000 haben heute in Stuttgart gegen die gefährliche Technologie „Atomkraft” demonstriert– gut terminiert zur baldigen Wahl in Baden-Württemberg, die am 27. März stattfindet. Sie haben eine 45 km lange Menschenkette zwischen der Stuttgarter Staatskanzlei und dem Kernkraftwerk Nekarwestheim gebildet. Eine Menschen-Skulptur als Symbol mit Strahl-Kraft.