Seitenbacher

Fibonaccski betrachtete das perlmutten gewundene Schneckenhaus, das auf seiner ausgestreckten Handfläche auf Augenhöhe lag. Er hatte es aus seinem nordamerikanischen Urlaub von der Süd-Ost-Küste mitgebracht. Die sich nach innen hin konzentrisch verkleinernde Spirale der Hauswindung erinnerte ihn an eine mathematische Proportion, deren Bezeichnung ihm nicht einfallen wollte. Zugleich erschien sie ihm als Symbol einer eleganten Unendlichkeit.

Stringolowski kratze sich am kahlen Hinterkopf. Vor vielen Jahren war er gewarnt worden, sich in seinem beruflichen Tätigkeitsfeld als Texter und Zeichner nicht selbst auszubrennen gar auszumärzen – und das unter Umständen sogar schon im Februar seines Lebens – und dass kein Mensch über unendliche Ressourcen verfüge.

Sindbatowski war nun an diesem Punkt angekommen. Er konnte nicht mehr weiter. Vier Jahrzehnte lang hatte er täglich geschrieben, gezeichnet, gemalt, entworfen, privat und beruflich unter seinem Namen und als Ghostwriter, hatte seinen Kopf, der immer überquoll, entleert, und entlerrt und entleert, sein Gefühl für Worte und Bilder, das immer ein Quell neuer Ideen gewesen war, austrocknen lassen. Er konnte nicht mehr schreiben und nicht mehr zeichnen, er tat es zwar noch, aber es war uninspiriert und alle seine Lebensäußerungen wirkten nur mehr wie weiße Schatten oder wie leere Hüllen ihrer selbst.

Kretinowski sah träumend in den Spiegel und hielt beides nicht aus, weil ihm Träume und Spiegel in Geschichten einfach zu oft vorkamen. Er hatte auch keinen Bock mehr, Teil einer Geschichte zu sein, die ein anderer schrieb und in einem beschissenen Blog veröffentlichte. Er hörte in sich hinein und die Leere, die er dort vernahm, zeigte ihm, wie unendlich tief und endgültig-nachhaltig-immerwährend er gescheitert war.

Dudeowski holte sich eine Küchenrolle und weichte sie komplett in Wasser ein. Dann zog er die einzelnen Papiertücher eins nach dem anderen von der Rolle und zuknüllte sie mit der Hand. Er ging in einen leeren Raum und warf die verknüllten, nassen Papierklumpen auf die Erde, bis die Rolle leer war. Er öffnete zwei Fenster für eine Kreuzlüftung, löschte das Licht, schloß die Tür und ging ins Bett.

Am nächsten Morgen ging er in den Raum. Die nassen Papierklumpen waren getrocknet, hatten sich im Trocknungsprozess zum Teil verändert, waren wieder aufgegangen. Wie ein Bauer, der begutachtet, ob seine Saat aufgegangen war, betrachtete er die einzelnen Papierknüllereien und lächelte. In den Strukturen des Papiers sah er Gesichter, Menschen, Familien, Pferdegespanne, eine Brust, einen Hund, seine verstorbene Frau, den Verleger, den Mann, für den er unter anderem Namen Bücher geschrieben hatte, er sah Geld, eine Glühlampe und hatte plötzlich den Kopf voller Geschichten.

Richelowski setzte sich an einen Tisch, fing an zu schreiben und fand zu sich selbst.